Transkript
Begleitsymptom und Prädiktor
Fatigue als neuer Studienendpunkt
ECCO
Ein bei Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) bislang wenig beachteter Aspekt ist die Fatigue. Neuere Studien zeigen, dass 40 bis 50 Prozent der Patienten mit aktiver CED von einem solchen Erschöpfungszustand betroffen sein können. Kieler Forschende plädieren dafür, in klinischen Studien die Fatigue als kombinierten Endpunkt einzusetzen.
Bereits im vergangenen Jahr wurde am Kongress der European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO) eine Studie vorgestellt (PREdiCCt), die zeigte, dass Fatigue zu den häufigsten Symptomen gehört, die in Verbindung mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen stehen (1). Die Auswertung der Fragebögen von 1946 in klinischer Remission befindlichen CED-Patienten zeigte, dass rund 40 Prozent der Teilnehmenden von Fatigue in den vorangegangenen 2 Wochen berichteten. Darunter befanden sich mehrheitlich Frauen, Patienten mit Morbus Crohn und Raucher. Eine multivariable Analyse identifizierte neben dem weiblichen Geschlecht (OR: 2,4), CRP > 5 (OR: 2,1) auch schlechte Schlafqualität (OR: 2,5), Ängstlichkeit (OR: 1,8) und Depression (OR: 6,2) als unabhängige Risikofaktoren, die mit Fatigue assoziiert sind. Am diesjährigen ECCO-Kongress rückte dieses für die Betroffenen oft sehr belastende Symptom erneut in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses. In einer Untersuchung wollte man erstmals evaluieren, inwieweit Fatigue als Endpunkt von klinischen Studien geeignet ist.
Starke Korrelation zwischen Krankheitsaktivität und Fatigue
Um die Krankheitskontrolle in Therapiestudien bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zu bewerten, werden häufig kombinierte Endpunkte gewählt. Dabei wird zumeist die symptomatische Remission mit der endoskopischen oder histologischen Response respektive mit den Werten bestimmter Biomarker kombiniert. Für die derzeit laufende Studie der Universitätsklinik Kiel (D) um Stefan Schreiber wurde nun die klinische Remission mit der Fatigue in einem Endpunkt kombiniert (2). Die Patienten litten unter aktivem Morbus Crohn oder aktiver Colitis ulcerosa und wurden entweder mit TNF-Hemmern, Vedolizumab, Ustekinumab oder Tofacitinib behandelt und bis Woche 52 zu verschiedenen Zeitpunkten evaluiert. Eine klinische Remission lag vor, wenn nach Woche 14 der Crohn’s Disease Activity Index (CDAI) < 150 betrug und der Partial Mayo Score (pMayo) um > 50 Prozent gegenüber Baseline reduziert war. Eine klinisch relevante Fatigue wurde festgestellt, wenn der Functional Assessment of Chronic Illness Therapy – Fatigue Score (FACIT-F) < 30 betrug.
52 Prozent der Teilnehmenden (39/75) litten zu Beginn der Studie unter Fatigue. Nach 14 Wochen erreichten 54 Prozent (25/46) eine klinische Remission. Zu Beginn der Anti-CEDTherapie hatten nur 12 Prozent (3/25) dieser Responder unter Fatigue gelitten, gegenüber 43 Prozent (9/21) der Nonresponder. 64 Prozent aller Patienten (21/33) erreichten den kombinierten Endpunkt, nämlich eine klinische Remission plus Fatiguefreiheit. Patienten, die zu Beginn der Studie ohne Anzeichen von Fatigue waren, hatten deutlich bessere Chancen (OR: 3,75), in klinische Remission zu kommen, als solche, die schon mit Fatigue die Studie begonnen hatten. Die Autoren schlossen mit dem Fazit, dass durch die Behandlung mit biologischen Substanzen ein signifikanter Prozentsatz von CED-Patienten einen solchen kombinierten Endpunkt erreichen könne. Gleichzeitig sei Fatigue zu Beginn einer Therapie ein starker prädiktiver Faktor für eine klinische Nonresponse nach 14 Wochen.
Fatigue als Indikator für therapeutische Response
In einer weiteren Analyse der Kieler Arbeitsgruppe konnte
ebenfalls gezeigt werden, dass der Fatigue-Score FACIT-F eng
mit dem pMayo und dem CDAI korreliert. Mit anderen
Worten: je stärker die Erschöpfung, desto geringer die
Chance auf Besserung der CED (3). Ebenfalls in signifikanter
Beziehung steht der FACIT-F-Score mit der Krankheitsaktivi-
tät. Einen signifikanten Unterschied zwischen männlichem
und weiblichem Geschlecht konnte im Gegensatz zu anderen
Studien nicht beobachtet werden. Die Kieler Wissenschaftler
schlagen daher die Fatigue als patientenorientierter Indikator
für die therapeutische Response vor.
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Klaus Duffner
Quelle: Jahreskongress der European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO) 2022, 16. bis 19. Februar 2022, virtuell.
Referenzen: 1. Derikx L et al.: Factors independently associated with fatigue in
IBD: Results from the baseline dataset of the PREdiCCt study. ECCO 2021; OP22. 2. Tran F et al.: On the way to disease control: Fatigue as part of a novel composite endpoint in an analysis of a prospective open label observation trial. ECCO 2022; P294. 3. Tran F et al.: Assessment of fatigue as a patient-reported outcome: Correlation with baseline disease activity and therapy response in Inflammatory Bowel Disease. ECOO 2022; P277.
CongressSelection Gastroenterologie | Juni 2022
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