Transkript
UEG-Week
PPI-Therapie
Häufige Fehler und wie man sie vermeiden kann
Foto: vh
Protonenpumpenhemmer (PPI) gehören zu den am häufigsten verschriebenen Medikationen in der Gastroenterologie. In der Therapie der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GORD) und der Helicobacter-pylori-Infektionen sind sie hocheffizient, bei Dyspepsie oder funktionellen Beschwerden, die nicht magensäurebedingt sind, dagegen nutzlos. Zu Kontroversen führten ausserdem vermutete Nebenwirkungen bei Langzeitgebrauch, evidenzbasiert ist aber nur die Darminfektion. Prof. Arjan Bredenoord, Academic Medical Center Amsterdam (NL), hat häufige Fehler bei der Verschreibung von PPI zusammengetragen und sie an der United European Gastroenterology Week vorgestellt.
Fehler Nr. 1: Verschreibung
ohne Instruktion
PPI können nur an aktiven Protonenpumpen
(H+K+-ATPase) in den Belegzellen binden und
diese inaktivieren. Mit dem Essen werden die
Protonenpumpen aktiv. Für eine optimale Wir-
kung des PPI muss der Wirkstoff aber bereits im
Plasma sein, wenn die Protonenpumpen aktiv
werden. Nach einer längeren Fastenperiode ist
Prof. Arjan Bredenoord
die H+K+-ATPase-Konzentration am höchsten. Deshalb soll der PPI 30 Minuten vor einer
Mahlzeit eingenommen werden, idealerweise vor dem Früh-
stück. Es werden aber nicht alle Belegzellen während einer
Mahlzeit aktiv, und nicht alle Protonenpumpen sind mit der
ersten PPI-Dosis blockiert. Nach 5 Tagen sind bei einer 1-mal
täglichen Einnahme 66 Prozent der Protonenpumpen inhi-
biert. Eine PPI-Einnahme bei Bedarf bei gelegentlichen Re-
fluxbeschwerden ist deshalb nutzlos.
Dazu erhalten Patienten eine PPI-Standarddosis 1 × /Tag während 2 Wochen. Wenn die Beschwerden um 50 Prozent zurückgehen, gilt der Test als positiv. Doch ist zu bedenken, dass nicht nur GORD, sondern auch Beschwerden durch Magenulzera mithilfe von PPI zurückgehen und es bei einer funktionellen Dyspepsie auch einen Plazeboeffekt gibt. Umgekehrt schliesst ein negativer PPI-Test eine GORD nicht aus; eine schlechte Compliance oder ein nicht säurehaltiger Reflux könnten eine Erklärung liefern. In einer Untersuchung mit 308 Patienten mit Symptomen des oberen Gastrointestinaltrakts wurde mit pH-Metrie und Endoskopie bei 197 Patienten eine GORD diagnostiziert. Der anschliessende PPI-Test war aber nur bei 69 Prozent der Patienten mit GORD positiv und nur bei 51 Prozent der Patienten ohne GORD negativ (1). Bei starkem Verdacht auf eine GORD sollte deshalb trotz negativem PPI-Test eine Impedanz-pH-Metrie durchgeführt werden.
Fehler Nr. 2: Dosiserhöhung ohne GORD
Bei Patienten mit Refluxbeschwerden wie beispielsweise Sodbrennen, saurem Aufstossen oder Brustschmerzen wird häufig ein Therapieversuch mit PPI 1 ×/Tag während 2 bis 4 Wochen unternommen. In etwa 40 Prozent der Fälle spricht diese Therapie aber nur teilweise oder gar nicht an. Eine Dosiserhöhung auf 2 × /Tag kann versucht werden, von einer weiteren Dosiserhöhung wird ohne weitere Abklärung jedoch abgeraten. Denn oft liegt der Grund des Nichtansprechens darin, dass der Betroffene nicht an GORD leidet und PPI deshalb gar keine Wirkung entfalten können. Ähnliche Beschwerden können bei funktionellem Sodbrennen, Achalasie, ösophagealen Spasmen, funktionellen Brustschmerzen und Dyspepsie ausgelöst werden. Diese Kategorie von Patienten profitiert nicht von PPI.
Fehler Nr. 3: PPI-Versuch zur GORD-Diagnose
PPI werden oft eingesetzt, um herauszufinden, ob die Beschwerden durch einen Magensäurereflux verursacht sind.
Fehler Nr. 4: PPI aus Angst vor Komplikationen vorenthalten
PPI wurden in den letzten Jahren mit vielen Langzeitkomplikationen in Beobachtungsstudien in Verbindung gebracht. Evidenz brachte dann eine grosse prospektive Studie. Mehr als 17 0 00 Patienten mit stabiler kardiovaskulärer Erkrankung und peripherer arterieller Erkrankung erhielten zusätzlich zu ihrer Thromboseprophylaxe (DOAK, Acetylsalicylsäure) randomisiert Pantoprazol oder Plazebo. Geprüft wurde die Entwicklung einer Pneumonie, von Clostridiumdifficile- und anderen Darminfekten, Frakturen, Magenatrophie, chronischer Nierenerkrankung, Diabetes, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, Demenz, kardiovaskulären Erkrankungen, Krebs, Hospitalisationen sowie die Gesamtmortalität. Nach einem Follow-up von median 3 Jahren zeigte sich für Pantoprazol im Vergleich zu Plazebo kein erhöhtes Risiko für die geprüften Komplikationen, ausser für Clostridium-difficile- und andere Darminfekte (2). Vermutete Gründe dafür sind die verringerte bakterizide Wirkung
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der Magensäure infolge Anhebung des Magen-pH-Werts > 4 durch die PPI-Therapie und eine veränderte Darmflora, die Darminfekte begünstigt. Bei älteren hospitalisierten Patienten mit weiteren Risikofaktoren für Darminfekte kann eine temporäre PPI-Therapiepause erwogen werden, um dieses Risiko zu reduzieren. Dies ebenso bei immunkompromittierten Patienten, die in Länder reisen, wo Darminfekte endemisch sind. Wenn die Indikation korrekt gestellt ist, überwiegt der Nutzen der PPI das Risiko, und den Patienten sollte diese wirksame Therapie nicht vorenthalten werden.
Fehler Nr. 5: Hypomagnesiämie bei PPI-Therapie nicht ernst nehmen
Eine seltene (< 0,01%), aber sehr relevante Komplikation ist das Auftreten einer schweren Hypomagnesiämie (< 0,5 mmol/l), die sich mit Muskelschwäche, Schwindel, Psychosen, Krampfanfällen, Ataxie, Tetanie oder Arrthymien zeigt. Der Mechanismus ist nicht geklärt, als Grund wird die verringerte intestinale Magnesiumabsorption und die gesteigerte renale Ausscheidung vermutet. Eine PPI-bedingte Hypomagnesiämie kann sich durch Absetzen der PPI erholen, wird aber bei Wiederaufnahme der PPI-Therapie erneut auftreten. Bei diesen Patienten muss der PPI abgesetzt und mit einem H2-Blocker weiterbehandelt werden.
Fehler Nr. 6: Beim Absetzen nicht vor Rebound warnen
Vor allem bei Patienten mit einer PPI-Therapie > 2 Monate kommt es nach einem Therapiestopp innerhalb von 2 Wochen vorübergehend zu einer Säurehypersekretion. Grund ist die hohe Gastrinproduktion während der PPI-Therapie. Wenn es keine gute Indikation für eine Langzeittherapie mit PPI gibt und die Therapie gestoppt werden muss, ist es wichtig, den Patienten auf dieses Phänomen aufmerksam zu machen. Kurz wirksame H2-Blocker oder Antazida können helfen, diese Zeit zu überbrücken.
Fehler Nr. 7: Vor bestimmten Tests den PPI nicht
abzusetzen
Bei bestimmten Tests können PPI die Resultate beeinflussen.
Dazu gehört das ambulante pH-Monitoring bei Patienten
mit Verdacht auf GORD. Hier sollte der PPI 7 Tage zuvor
abgesetzt werden. Ein weiterer Test, der ein verfälschtes
Resultat liefert, ist derjenige auf H. pylori. Weil PPI den
Effekt von H. pylori unterdrücken, ergibt sich ein falsch
negatives Resultat. Das gilt ebenso für den Stuhlantigentest,
den Harnstoffatemtest, den Ureaseschnelltest, die Histologie
und die Kultur, ausgenommen davon ist die Serologie. Ist
einer dieser Tests geplant, sollte der PPI mindestens 2 Wochen
vorher abgesetzt werden.
Bei Patienten mit Verdacht auf ein Gastrinom werden die
Gastrin- und Chromografin-A-Spiegel gemessen, was bei lau-
fender PPI-Therapie verfälschte Resultate erzeugen würde.
Ein Absetzen der PPI kann bei einem Zollinger-Ellison-
Syndrom aber zu schweren Komplikationen führen, sodass
dies auf individueller Basis erwogen werden muss.
Bei Patienten, die aufgrund eines Tests ihre PPI-Therapie
1 oder 2 Wochen aussetzen müssen, sollen vorübergehend
H2-Blocker oder Antazida zum Einsatz kommen.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Mistakes». United European Gastroenterology Week (UEG-Week), 3. bis 5. Oktober 2021, virtuell.
Referenzen: 1. Bytzer P et al.: Limited ability of the proton-pump inhibitor test
to identify patients with gastroesophageal reflux disease. Clin Gastroenterol Hepatol. 2012;10(12):1360-1366. doi:10.1016/j. cgh.2012.06.030 2. Moayyedi P et al.: Safety of proton pump inhibitors based on a large, multi-year, randomized trial of patients receiving rivaroxaban or Aspirin. Gastroenterology. 2019 Sep;157(3):682-691.e2. doi: 10.1053/j.gastro.2019.05.056.
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