Transkript
UEG-Week
Biologika und Small Molecules
Gezielte Therapien bei Colitis ulcerosa
Die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (IBD) bildeten auch in diesem Jahr wieder einen thematischen Schwerpunkt der United European Gastroenterology Week (UEG-Week). In diesen Indikationen kommen mittlerweile zahlreiche antiinflammatorische Biologika und Small Molecules zum Einsatz, von denen die meisten aus der Behandlung rheumatischer Erkrankungen oder der Psoriasis bekannt sind. Inzwischen sind auch Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten zu langen Behandlungszeiten verfügbar.
Ungeachtet der grösser werdenden Erfahrungen mit Biologika und Januskinase-Inhibitoren (JAKI), bleiben viele Fragen zu klären. Das betrifft insbesondere die Zweitlinientherapie, wenn mit einem Anti-TNF-Biologikum nicht das gewünschte Resultat erreicht wird. Direkte Vergleichsstudien sind in gastroenterologischen Indikationen besonders rar. Die VARSITY-Studie ist die einzige abgeschlossene Head-toHead-Studie mit Patienten mit Colitis ulcerosa. Sie verglich den TNF-α-Blocker Adalimumab (ADA) mit Vedolizumab (VDZ), einem humanisierten monoklonalen Antikörper aus der Gruppe der Integrin-Antagonisten, wobei sich bei AntiTNF-naiven, nicht jedoch bei Anti-TNF-vorbehandelten Patienten eine überlegene Wirksamkeit von VDZ zeigte (1). Nun wurde eine Post-hoc-Vergleichsstudie zwischen VDZ und dem Anti-TNF-Antikörper Infliximab (IFX) präsentiert. In die Studie aufgenommen wurden Colitis-ulcerosa-Patienten, die zuvor auf den TNF-α-Blocker IFX nicht ausreichend angesprochen hatten. Die Werte wurden aus der Datenbank der UK Inflammatory Bowel Disease BioResource extrahiert, und die Vergleichbarkeit der Patienten wurde mit einem statistischen Verfahren namens Propensity Score-Weighting hergestellt. Letztlich wurden 223 Patienten identifiziert, die zuerst ADA und in der Folge IFX (n = 66) oder VDZ (n = 157) erhalten hatten. Das mediane Follow-up nach Therapiebeginn mit dem zweiten Biologikum betrug 12 Monate. In dieser Zeit zeigten sich für die mit VDZ behandelten Patienten deutliche Vorteile im Sinne signifikant höherer Chancen auf einen Therapieerfolg. Diesen habe man definiert durch ein Weiterführen der Therapie auf Basis ärztlicher Einschätzung, ohne Bedarf nach Therapieeskalation, so Dr. Christina Kapizioni vom Cambridge University Hospitals NHS Foundation Trust. Dabei sprachen Patienten, die zuvor ein sekundäres Therapieversagen mit ADA gezeigt hatten, in beiden Gruppen besser an als Patienten mit primärem Nichtansprechen auf das erste Biologikum. VDZ war nach sekundärem Therapieversagen die überlegene Wahl, während die Ergebnisse nach primärem Nichtansprechen in beiden Gruppen suboptimal,
dabei jedoch vergleichbar waren (2). Diese sei, so Kapizioni von Bedeutung, denn die aus der VARSITY-Studie abgeleiteten Empfehlungen legten nach Versagen eines Anti-TNF-Biologikums einen zweiten TNF-α-Blocker nahe. Diese Praxis in der häufigen Situation des sekundären ADA-Versagens stehe nun angesichts der präsentierten Real-World-Daten zur Diskussion.
Infliximab subkutan über 6 Monate gut verträglich
Das Biologikum IFX ist sowohl in subkutaner als auch in intravenöser Formulierung verfügbar. In einer randomisierten, kontrollierten Studie wurde kürzlich für beide Formulierungen eine vergleichbare Wirksamkeit demonstriert (3). Ob dies auch auf den klinischen Alltag umgelegt werden kann, war bislang allerdings unklar. Diese Evidenzlücke wurde nun mit einer britischen Studie geschlossen, deren Ergebnisse von Dr. Philip Smith vom Liverpool University Hospitals NHS Foundation Trust im Rahmen der UEG-Week 2021 präsentiert wurden. Es handelt sich dabei um eine Post-hoc-Analyse von Daten mehrerer Zentren, in denen Patienten elektiv von einer intravenösen Erhaltungstherapie mit IFX auf subkutanes IFX umgestellt wurden. Das Follow-up erfolgte mit dem Harvey-Bradshaw-Index (HBI) und dem Simple-ClinicalColitis-Activity-Index (SCCAI) bei Einschluss in die Studie sowie nach 3 und nach 6 Monaten. Des Weiteren wurden fäkales Calprotectin (FCP), C-reaktives Protein (CRP) sowie die IFX-Spiegel monitoriert. Die Auswertung zeigte, dass eine Umstellung von intravenösem auf subkutanes IFX die Remission bei Patienten mit IBD aufrechterhält und über 6 Monate keine Anzeichen von Unterlegenheit zu beobachten waren. HBI, SCCAI, FCP und CRP blieben über die gesamte Beobachtungszeit stabil. Dabei zeigte sich ein Anstieg der Plasmaspiegel von IFX von der Umstellung an bis Monat 3, gefolgt von kontinuierlich hohen IFX-Spiegeln in den Monaten 4 bis 6. Die Verträglichkeit war insgesamt gut. 8 der 172 Patienten zeigten selbstlimitierende Reaktionen an der Einstichstelle, und 4 brachen die Behandlung wegen unerwünschter Ereignisse ab. Bei 2 dieser Patien-
2 CongressSelection Gastroenterologie | Januar 2022
UEG-Week
ten trat eine perianale Erkrankung auf, bei 1 kam es zu einem Aufflackern einer Colitis ulcerosa, er musste mit oralen Steroiden behandelt werden, und 1 Patient entwickelte neurologische Symptome. Hinzu kam ein geplanter Therapieabbruch im dritten Trimenon einer Schwangerschaft. Die Zufriedenheit war hoch, und 75 von 88 befragten Patienten gaben an, mit der subkutanen Therapie glücklicher zu sein als mit der intravenösen. Nahezu alle Patienten fanden die Anwendung von subkutanem IFX einfach und fühlten sich sicher damit (4).
Ustekinumab über 3 Jahre wirksam und sicher
Ein weiteres in der Behandlung der moderaten bis schweren Colitis ulcerosa eingesetztes Biologikum mit im Vergleich zu den Anti-TNF-Therapien alternativem Wirkmechanismus ist der IL-12/23p40-Antagonist Ustekinumab (UST). Die Zulassung beruht auf den Ergebnissen der UNIFI-Studie, die in einer fortlaufenden Verlängerungsstudie mit UST 90 mg subkutan als Erhaltungstherapie weitergeführt wird. Dr. David Rowbotham vom Auckland City Hospital in Neuseeland stellte im Rahmen der UEG-Week 2021 die 3-Jahres-Daten dieser Studie sowie eine Subgruppenanalyse anhand der Biologikavorbehandlung vor. In der Erhaltungsphase der UNIFI-Studie wurden Patienten in den Verumgruppen mit 90 mg subkutanem UST alle 8 (q8w) oder alle 12 Wochen (q12w) behandelt. In der Verlängerungsstudie wurde die Therapie zunächst mit dem Regime weitergeführt, das die Patienten in der randomisierten Studie erhalten hatten. Ab Woche 56 konnte die Therapie von q12w auf q8w umgestellt werden. Bei Patienten, die bereits mit UST q8w behandelt wurden, erfolgte eine vermeintliche (sham) Eskalation. Plazebopatienten wurden nicht in die Verlängerungsstudie übernommen. Als Wirksamkeitsendpunkte wurden unter anderem die Symptomremission (Mayo-Stuhlfrequenz-Subscore 0 oder 1 und rektaler Blutungssubscore 0), die Biomarker (CRP und fäkales Calprotectin) sowie die krankheitsspezifische Lebensqualität, mit dem Inflammatory Bowel Disease Questionnaire (IBDQ) erhoben. Die Studie zeigte bei der grossen Mehrzahl der Patienten ein robustes und andauerndes Ansprechen, und dies, obwohl Patienten mit fehlenden Daten als Nonresponder eingestuft wurden (Nonresponder-Imputation). Wenig überraschend hätten, so Rowbotham, biologikanaive Patienten ein besseres Ansprechen als vorbehandelte Patienten gezeigt. Von den insgesamt 348 in die UST-Gruppe randomisierten Patienten befanden sich nach 3 Jahren 185 (55,2%) in symptomatischer Remission. Mehr als 95 Prozent der Patienten in Remission nahmen keine Steroide ein. Unter den biologikanaiven Studienteilnehmern war der Anteil der Patienten in Remission mit 66,1 Prozent noch höher. Auch in dieser Gruppe wurde die Remission bei mehr als 95 Prozent nicht mit Steroiden unterstützt. Bei den mit Biologika vorbehandelten Patienten war die Remissionsrate in der Woche 152 mit 43,5 Prozent deutlich niedriger, allerdings waren auch in dieser Gruppe selten Steroide im Einsatz. Von den mit UST behandelten Patienten, die sich zu Beginn der Erhaltungsphase der UNIFI-Studie in IBDQ-Remission befanden, waren 74,6 Prozent in Woche 140 nach wie vor in IBDQ-Remission. Die Verlängerung der UNIFI-Studie erlaube keinen Wirksamkeitsvergleich zwischen den Applikationen alle 8
und alle 12 Wochen, da sie dafür nicht ausgelegt gewesen sei, so Rowbotham (5).
Upadacitinib verbessert auch Patient Reported Outcomes
Neben den verschiedenen Antikörpern finden in der Therapie der Colitis ulcerosa zunehmend auch Small Molecules aus der Gruppe der Januskinase-Inhibitoren Verwendung. Der JAKI Upadacitinib (UPA) wurde in der Indikation Colitis ulcerosa in den beiden randomisierten, kontrollierten, multizentrischen Phase-III-Studien U-ACHIEVE und UACCOMPLISH untersucht. Dabei wurde der primäre Endpunkt der klinischen Remission erreicht. Im Rahmen der UEG-Week 2021 wurden nun Patient Reported Outcomes (PRO) wie Abdominalschmerzen, Stuhldrang und Fatigue aus der 8-wöchigen Induktionsphase dieser beiden Studien berichtet. Die Auswertung ergab in beiden Studien vergleichbare und signifikante Verbesserungen der PRO unter Therapie mit UPA. Nach 8 Wochen Behandlung waren in der UPA-Gruppe der Studie U-ACHIEVE 46,6 Prozent der Patienten frei von abdominellen Schmerzen – im Vergleich zu 23,4 Prozent in der Plazebogruppe. Die Differenz war signifikant (p < 0,001). In beiden Studien nahm der Stuhldrang unter UPA deutlicher ab als unter Plazebo, mit einer Differenz von rund 27 Prozent zwischen den Gruppen (U-ACHIEVE: 48,4 vs. 21,4%; U-ACCOMPLISH: 53,7 vs. 25,9%). In beiden Studien besserte sich auch die Fatigue, gemessen mit dem FACIT-F-Score, unter UPA signifikant deutlicher als unter Plazebo (p < 0,001) (6).
Langzeitdaten zu Tofacitinib bei Colitis ulcerosa
Der JAKI Tofacitinib (TOFA) wurde in der Indikation Colitis ulcerosa in den Studien des OCTAVE-Programms (OCTAVE-Induction 1 und 2, OCTAVE-Sustain) sowie in einer offenen Verlängerungsstudie (OCTAVE-Open) untersucht (7, 8). Daraus ergeben sich in einer gepoolten Sicherheitsanalyse, die auch die Ergebnisse der Phase-II- sowie der 2020 abgeschlossenen offenen Verlängerungsstudie enthält, Daten über eine Behandlungszeit von bis zu 7,8 Jahren. Insgesamt erhielten in den Phase-II-, Phase-III- und Extensionsstudien 1157 Colitis-ulcerosa-Patienten TOFA in den Dosierungen 5 oder 10 mg 2 ×/Tag. In der offenen Verlängerung war eine Dosisanpassung möglich, was dazu führte, dass 10 mg 2 ×/Tag das mit Abstand häufiger eingesetzte Regime (956 Patienten) wurde. Die mediane Behandlungszeit betrug 623 (1–2850) Tage, woraus sich 2814,4 Patientenjahre unter Therapie mit TOFA ergeben. Die Inzidenzraten wurden als Fälle pro 100 Patientenjahre Exposition berechnet. Wie erwartet, war das Auftreten von Herpes zoster mit einer Inzidenz von 3,38 (2,73–4,15) das häufigste unerwünschte Ereignis, das mit der Therapie in Verbindung gebracht worden sei, so Dr. Julian Panés von der Hospital Clínic de Barcelona. Schwere Infektionen aller Art traten mit einer Inzidenz von 1,72 (1,28–2,27) auf und waren in der randomisierten Erhaltungsphase der Zulassungsstudien in den TOFA-Gruppen nicht höher als unter Plazebo. Insgesamt sei mit Ausnahme von Herpes zoster bei keinem mutmasslich mit der Therapie in Verbindung stehenden Ereignis eine Inzidenz über 2 auf 100 Patientenjahre beobachtet worden, so Panés. Malignome traten in der Erhaltungsphase in
CongressSelection Gastroenterologie | Januar 2022
3
UEG-Week
den beiden TOFA-Gruppen sowie unter Plazebo mit vergleichbarer Häufigkeit auf, in der offenen Verlängerung hatte die TOFA-Dosis keinen Einfluss auf die Krebsinzidenz. Die häufigste Neoplasie war das Kolonkarzinom mit insgesamt 4 Fällen. Über die gesamte Beobachtungszeit kam es zu 7 Todesfällen, die sich alle bei Patienten unter Therapie mit 10 mg TOFA ereigneten. Allerdings betont Panés, dass nicht nur die grosse Mehrheit der Patienten 10 mg TOFA erhalten habe, sondern dass sich in dieser Gruppe auch die Patienten mit den schwerwiegenderen Risikofaktoren wie zum Beispiel hohe Steroidexposition und multiple Vorbehandlungen befunden hätten. Bei allen 7 verstorbenen Patienten lagen jeweils unterschiedliche Todesursachen vor, die keine Häufung eines bestimmten Typs von Ereignis erkennen lassen (9). Dr. David Hudesman vom Inflammatory Bowel Disease Center in New York stellte im Rahmen der UEG-Week 2021 Daten zu Patient Reported Outcomes (PRO) – konkret Stuhlfrequenz und rektale Blutungen – aus dem klinischen Entwicklungsprogramm und der Verlängerungsstudie mit TOFA in der Indikation Colitis ulcerosa vor. Dabei kamen für rektale Blutungen der Mayo-RB-Subscore (RBS), für Stuhlfrequenz der Mayo-SF-Subscore (SFS) zum Einsatz. Die Auswertung zeigte bereits in der Induktionsphase eine deutliche Überlegenheit von TOFA im Vergleich zu Plazebo. Unter TOFA 10 mg erreichten 62,8–64,0 Prozent der Patienten einen RBS von 0. In der Plazebogruppe waren es 37,0– 42,9 Prozent. Einen SFS von maximal 1 erreichten mit TOFA 10 mg 55,4–60,9 Prozent der Patienten, das im Vergleich zu 33,6–33,7 Prozent der Plazebopatienten. Patienten, die in der Induktionsphase auf TOFA ansprachen und in der Erhaltungsphase wieder in eine TOFA-Gruppe randomisiert wurden, hatten sehr gute Chancen auf ein weiteres Ansprechen. Wer in Remission in die Verlängerungsstudie aufgenommen wurde, zeigte unter TOFA zu mehr als 90 Prozent anhaltend einen RBS von 0 und einen SFS von maximal 1. Von den Pa-
tienten, die bei Beginn der Verlängerungsstudie in Remission
nach dem Partial Mayo Score waren, blieben 94,6 Prozent
auch nach 48 Monaten in Remission (10).
s
Reno Barth
Quelle: United European Gastroenterology Week (UEG-Week), 3. bis 5. Oktober
2021, virtuell.
Referenzen: 1. Sands BE et al.: Vedolizumab versus Adalimumab for Moderate-
to-Severe Ulcerative Colitis. N Engl J Med. 2019;381(13):1215-1226. 2. Kapizioni C et al.: Vedolizumab shows better treatment out-
comes than Infliximab for patients with ulcerative colitis refractory to treatment with adalimumab: a propensity score analysis of UK IBD bioresource outcomes. OP 018, presented at UEGW 2021 virtual. 3. Schreiber S et al.: Randomized Controlled Trial: Subcutaneous vs Intravenous Infliximab CT-P13 Maintenance in Inflammatory Bowel Disease. Gastroenterology. 2021 Mar 5;S00165085(21)00474-1. 4. Teoh WY et al.: Efficacy and safety of elective switching of inflammatory bowel disease patients from intravenous to subcutaneous Infliximab: a multi-centre cohort study. OP 155, presented at UEGW 2021 virtual. 5. Rowbotham D et al.: Efficacy of Ustekinumab for ulcerative colitis in patients through 3 years: unifi long-term extension. OP153, presented at UEGW 2021 virtual. 6. Danese S et al.: Patients with ulcerative colitis report improvements in abdominal pain, bowel urgency, and fatigue with 8-week Upadacitinib treatment in two phase 3 trials: U-ACHIEVE and U-ACCOMPLISH. OP021, presented at UEGW 2021 virtual. 7. Sandborn et al.: Tofacitinib as induction and maintenance therapy for ulcerative colitis. N Engl J Med 2017;376:1723-1736. 8. Lichtenstein et al.: Tofacitinib, an oral, small-molecule Janus kinase inhibitor, in the treatment of ulcerative colitis: Analysis of an open-label, long-term extension study with up to 5,9 years of treatment. J Crohns Colitis 2020;14(S1):DOP61. 9. Panés J et al.: Tofacitinib for the treatment of ulcerative colitis: up to 7,8 years of safety data from global clinical trials. OP 152, presented at UEGW 2021 virtual. 10. Mosli M et al.: Patient-reported outcome improvement with Tofacitinib in the ulcerative colitis octave clinical programme. OP 023, presented at UEGW 2021 virtual.
4 CongressSelection Gastroenterologie | Januar 2022