Transkript
RHEUMA TOP
Tennisellbogen
Schmerzsyndrom mit hoher Selbstheilungstendenz
Zwar wird die laterale oder mediale Epikondylopathie des Humerus oft als Epikondylitis bezeichnet, Entzündungsvorgänge sind dabei aber nicht ursächlich. Vielmehr handelt es sich um degenerative Veränderungen durch repetitive Belastung. Der Tennisellbogen ist eine Domäne der konservativen Therapie.
Am distalen Humerus würden zwei Schmerzsyndrome unterschieden, erläuterte Dr. Lukas Wildi, Kantonsspital Winterthur. Der Tennisellbogen (Epicondylopathia humeri lateralis) betrifft den gemeinsamen Ursprung der Finger- und Handgelenkstreckmuskulatur. Beim Golferellbogen (Epicondylopathia humeri medialis) sind der M. pronator teres und die Handbeugemuskulatur involviert. Tennis- und Golferellbogen sind die häufigsten Ursachen für Ellbogenbeschwerden im Erwachsenenalter und betreffen meist den dominanten Arm. Die laterale Epikondylopathie ist 5- bis 10-mal häufiger als die mediale. Pathophysiologisch spielt eine Rolle, dass es sich um bradytrophe Gewebe handelt, die durch chronisch repetitive Bewegung überlastet werden (1). Beim Tennisellbogen führt eine wiederholte Handgelenkextension in Pronation zur ursprungsnahen Überlastung der Sehne des M. extensor carpi brevis mit Mikrorupturen. Im Verlauf kann der Prozess auch auf die direkt benachbarten Finger- und Handstreckermuskeln übergreifen. Analog führen beim Golferellbogen eine Flexions-Pronationsbelastung sowie hohe valgisierende Kräfte zur Überlastung. Für die Diagnostik ist die Anamnese schon wegweisend. Typisch ist ein schleichender Beginn, und häufig bestehen die Beschwerden zunächst nur während oder nach repetitiver Belastung. Der Verlauf ist progredient bis hin zum Ruhe- und Nachtschmerz. Ein vorausgehendes Trauma kann der Auslöser sein. Bei lateraler Epikondylopathie ist eine Schmerzprovokation durch aktive Dorsalextension zu beobachten, bei medialer Epikondylopathie durch aktive Palmarflexion und Pronation. Greifbewegungen können Schmerzen verursachen, und die Greifkraft kann schmerzbedingt verringert sein. Eine Bildgebung ist in aller Regel nicht nötig, ausser wenn Hinweise auf ein Trauma vorliegen. Eine Ultraschalluntersuchung kann sehr hilfreich sein und typische strukturelle Veränderungen erkennen lassen. Ultraschall ermöglicht auch eine funktionelle Beurteilung der Stabilität im Ellbogengelenk beim Vergleich mit der nicht betroffenen Gegenseite. Die Magnetresonanztomografie (MRT) hat den Vorteil, auch Binnenläsionen von Knochen und Gelenk gut darzustellen, aber den Nachteil, keine funktionelle Untersuchung zu erlauben.
Kein Kortison!
Epikondylopathien seien eine Domäne der konservativen
Therapie, betonte Wildi. 90 Prozent der Betroffenen erfahren
eine Remission innerhalb eines Jahres. Die hohe Selbsthei-
lungstendenz führt zu diversen Therpieansätzen. Basis bilden
Ruhigstellung, Aktivitätsanpassung und topische, nicht ste-
roidale Antirheumatika (NSAR). Eine wichtige Ergänzung
ist die Physiotherapie, wobei Dehnungs- und Kraftübungen
sowie Bandagierungen, Ultraschall, Stosswellen oder auch
Akupunktur zur Anwendung kommen können. Bei den In-
jektionen sei von Steroiden unbedingt abzuraten, sagte Wildi.
Sie wirken zwar kurzfristig gut, verursachen aber schlechtere
längerfristige Verläufe und führen zu bedrohlichen Atro-
phien von Haut, Subkutangewebe und Enthesen. In Betracht
kommen aber Eigenblutinjektionen oder Injektionen von
plättchenreichem Plasma (PRP), wenn die vorangegangenen
Massnahmen nicht ausreichend erfolgreich waren. Lässt sich
das Beschwerdebild mit konservativen Massnahmen nicht
adäquat lindern, kommen offene, perkutane oder arthrosko-
pische chirurgische Eingriffe zum Zug, die sehr gute Ergeb-
nisse bringen (2).
Bandagen werden bei Tennisellbogen gern verschrieben und
gern getragen, obwohl die Evidenz sehr begrenzt ist und lang-
fristig keine Outcomeverbesserung dokumentiert ist. Sie sind
jedoch zur kurzfristigen Entlastung für 1 bis 2 Wochen ge-
eignet. Das gilt besonders für eine Handgelenkschiene, wel-
che die Extension im Handgelenk begrenzt. Aus wissen-
schaftlicher Sicht gibt es für Ultraschall, Stosswellen, Taping
und manuelle Therapie keine Evidenz für einen mittel- oder
langfristigen Behandlungseffekt. Deshalb sollten Übungen
die erste Behandlungsstrategie sein (3). Aktuell ist man der
Meinung, dass es nicht sinnvoll ist, in den Schmerz hinein zu
trainieren (Stichwort «no pain, no gain»), da sich so die
Mikrorupturen nicht zurückbilden und vermehrt Ruhe-
schmerzen nach den Übungen auftreten können.
s
Halid Bas
Quelle: Vortrag «Tennisellbogen», Rheuma Top 2021, online am 26. August 2021.
16 CongressSelection Rheumatologie | November 2021
Referenzen: 1. Lenoir H et al.: Management of lateral epicondylitis. Orthop
Traumatol Surg Res. 2019;105(8S):S241–S246. 2. Lai WC et al.: Chronic lateral epicondylitis: challenges and solu-
tions. Open Access J Sports Med. 2018;9:243–251. 3. Karanasios S et al.: Exercise interventions in lateral elbow tendi-
nopathy have better outcomes than passive interventions, but the effects are small: a systematic review and meta-analysis of 2123 subjects in 30 trials. Br J Sports Med. 2021;55(9):477–485.
RHEUMA TOP
CongressSelection Rheumatologie | November 2021
17