Transkript
EAU
Therapie und Prophylaxe
Harnwegsinfekte behandeln und Urosepsis vorbeugen
Am Jahreskongress der European Association of Urology (EAU) waren auch die Harnwegsinfekte ein Thema, insbesondere die Urosepsis. Wie sie erkannt und behandelt wird und wie ihr vorgebeugt werden kann, erklärten drei ausgewiesene Experten.
Infektiöse Erkrankungen sind nach wie vor Haupttreiber für Mortalität. Vor diesem Hintergrund sind eine frühe Entdeckung und Behandlung zur Vermeidung einer Urosepsis wichtig. Zu den Risikofaktoren für eine Urosepsis gehören ein gestörtes Immunsystem und Frailty, ausserdem gehören Kinder < 1 Jahr und Erwachsene > 75 Jahre zur Risikopopulation. Invasive Eingriffe innerhalb der letzten 6 Wochen, Urinkatheter, Antibiotika innerhalb der letzten 30 Tage sowie rezidivierende Harnwegsinfekte erhöhen dieses Risiko ebenfalls. Die Symptome einer Urosepsis könnten diskret sein, erinnerte Dr. Zafer Tandoglu vom University College London Hospital (UK). Hinweise sind beispielsweise ein plötzlich veränderter Geisteszustand oder ein systolischer Blutdruck < 90 mmHg oder ein Abfall > 40 mmHg. Auch eine Herzfrequenz > 130/min, eine Atemfrequenz ≥ 25/min oder ein Sauerstoffbedarf, um die Sättigung ≥ 92 Prozent zu halten, sollten hellhörig machen. Bleiche Hautfarbe, ein Laktatwert ≥ 2 mmol/l und ausbleibendes Wasserlassen > 18 Stunden sind weitere Zeichen. Verdichtete sich demnach der Verdacht auf eine Urosepsis, sollten innerhalb 1 Stunde Flüssigkeit (i.v.), empirisch Antibiotika (i.v.) und Sauerstoff mit dem Sättigungsziel von 94 Prozent zugeführt werden, so der Referent. Gleichzeitig empfiehlt es sich, eine Blutkultur anzulegen, den Laktatwert und die gelöste Menge Urin zu bestimmen. Nach Stabilisierung des Zustands durch die Antibiose kann die Infektionsquelle gesucht werden. Häufige Ursachen sind inliegende Katheter, die sofort ersetzt werden können.
Infektprävention
Eine Option, um die Entwicklung einer Urosepsis zu vermeiden, ist die Behandlung von Harnwegsinfektionen. Allerdings sollte bei unkomplizierten Harnwegsinfekten wegen der zunehmenden Resistenzen nur zurückhaltend mit Antibiotika behandelt werden. Die Resistenz von E. coli gegen-
Aktuelle Antibiotikaresistenzen für die Schweiz
über Antibiotika ist je nach Land unterschiedlich. In der
Schweiz sollte dafür momentan gemäss Guideline der
Schweizerischen Gesellschaft für Infektiologie (SSI) Nitrofu-
rantoin oder Cotrimoxazol eingesetzt werden. Eine Über-
sicht über die aktuellen Resistenzen der einzelnen Erreger
gegenüber verschiedenen antibiotischen Therapien in der
Schweiz kann mit nebenstehendem QR-Link (https://infect.
info) abgerufen werden. Die darin verwendeten Daten wer-
den vom Swiss Centre for Antibiotic Resistance (anresis.ch)
zur Verfügung gestellt.
Eine weitere Möglichkeit zur Vermeidung einer Urosepsis be-
steht darin, urologischen Infekten beispielsweise mit Immun-
stimulanzien vorzubeugen. Eine Immuntherapie mit OM-89
(Uro-Vaxom®) stimuliert die T-Lymphozyten, induziert die
Produktion von endogenem Interferon und erhöht die sekre-
torischen IgA-Werte im Urin. Eine solche Immuntherapie be-
wirke, wie Prof. Dr. Sören Schubert vom Max-von-Petten-
kofer-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie,
Ludwig-Maximilians-Universität München (D), am EAU-
Kongress erklärte, eine Reduktion von durch E. coli verur-
sachten rezidivierenden Harnwegsinfekten. Die Guidelines
der EAU bewerten die Wirkung der Immunprophylaxe mit
OM-89 bei gutem Sicherheitsprofil als genügend, sodass
dieses Präparat bei Frauen mit rezidivierenden Harnwegs-
infekten zur Immunprophylaxe empfohlen wird (Evidenz-
level 1a) (1). Auch die S3-Leitlinie empfiehlt diese Therapie
aufgrund einer in Studien beobachteten signifikanten Ver-
kürzung der Behandlungszeit von Durchbruchinfektionen
und einer verringerten Infektionsrate (2).
Aktive Impfungen gegen E.-coli-bedingte Harnwegsinfekte
gibt es noch nicht. Derzeit sind Studien mit den Impfstoffen
ExPEC4V und ExPEC10V, bestehend aus 4 beziehungs-
weise 10 Serotypen von invasiven extratestinalen E. coli, im
Gang. Die Ergebnisse aus Phase-I-Studien belegen eine Aus-
bildung von Antikörpern gegen die Serotypen bei guter Ver-
träglichkeit (3). Weitere Studien werden zeigen, ob die Anti-
körper auch gegen Harnwegsinfekte schützen.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Emerging Threats by infectious diseases». Jahreskongress der European Association of Urology (EAU), 8. bis 12. Juli, virtuell.
https://www.rosenfluh.ch/qr/infectinfo
8 CongressSelection Urologie | November 2021
Referenzen: 1. Bonkat G et al.: 2021 Urological Infections Guidelines of the Eu-
ropean Association of Urology. https://uroweb.org/guideline/ urological-infections/. Letzter Zugriff: 15.9.21 2. S3 Leitlinie Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten (2017). https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_ Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf. Letzter Zugriff: 15.9.21 3. Huttner A et al.: Safety, immunogenicity, and preliminary clinical efficacy of a vaccine against extraintestinal pathogenic Escherichia coli in women with a history of recurrent urinary tract infection: a randomised, single-blind, placebo-controlled phase 1b trial. Lancet Infect Dis. 2017;17(5):528-537. doi:10.1016/S14733099(17)30108-1
EAU
CongressSelection Urologie | November 2021
9