Transkript
EAU
Testosterontherapie
Vorteile für Herz und Niere
Die Therapie mit Testosteron ist bei Männern mit Hypogonadismus eine bewährte Strategie. Dass diese Behandlung sich auf lange Sicht auch auf Niere und Herz günstig auswirkt, war in Studien untersucht worden, die am Jahreskongress der European Association of Urology (EAU) präsentiert wurden. Aber auch bei Männern ohne Hypogonadismus, jedoch mit Übergewicht und gestörter Glukosetoleranz scheint eine Testosterontherapie von Nutzen zu sein, vor allem wenn es um die Diabetesprävention geht.
Eine Therapie mit Testosteron bei Männern mit Hypogonadismus ist auf längere Zeit ausgerichtet. Weil diese Männer anfällig für kardiovaskuläre Ereignisse sind, ist es wichtig, das Risiko einer Testosterontherapie für kardiovaskuläre Ereignisse abschätzen zu können. Prof. Omar Aboumarzouk, Hamilton Medical Corporation, Cardiff (UK), und Kollegen haben eine Registerstudie durchgeführt, in der sie die Langzeitwirkung einer Testosterontherapie bei 50- bis 68-jährigen Männern mit Hypogonadismus untersucht haben. In der Studie erhielten 412 Patienten während bis zu 12 Jahren Testosteron undecanoat 1000 mg alle 12 Wochen. 393 Männer, die keine Testosteronbehandlung wünschten, dienten als Kontrollgruppe. Der Framingham-Risiko-Score für kardiovaskuläre Ereignisse lag bei 15,5 beziehungsweise 15,8. Am EAU-Kongress wurden nun die 10-Jahres-Daten präsentiert. Unter Testosteron verbesserten sich alle klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren wie Adipositas, glykämische Kontrolle, Lipidmuster und C-reaktives Protein signifikant, während sie sich bei den Kontrollen verschlechterten. Die Todesfallrate in der Testosterongruppe lag bei 3,9 Prozent (n = 16), zu Herzinfarkten oder Hirnschlägen kam es nicht. In der Plazebogruppe betrug die Mortalitätsrate 18,8 Prozent (n = 74), und es ereigneten sich 70 Herzinfarkte sowie 59 Hirnschläge. Die Studienautoren folgern, dass eine Langzeit-Testosterontherapie bei Männern mit Hypogonadismus kardiovaskuläre Ereignisse sowie die Mortalität senkt (1).
Nierenparameter verbessert
Auch auf die Nierenfunktion hat die Therapie mit Testosteron bei Männern mit funktionellem Hypogonadismus (Testosteron < 350 ng/l, Hypogonadismussymptome) eine günstige Wirkung, wie die prospektive Registerstudie von Dr. Raed Al-Zoubi, Hamad Medical Corporation, Doha (QA), und Kollegen zeigte. Bei dieser Studie nahmen 505 durchschnittlich 61-jährige Männer mit funktionellem Hypogonadismus teil. 321 Männer erhielten während 12 Jahren 1000 mg Testosteron undecanoat alle 12 Wochen, als Kontrollgruppe dienten 184 Männer, die keine Testosterontherapie wünschten. Von Interesse waren bei dieser Studie Nierenparameter wie Serumkreatinin, Harnstoff, Harnsäure und die glomeruläre Filtrationsrate (GFR). Am Kongress wurden die 8-Jahres-Daten präsentiert. Die Resultate zeigen, dass die Werte von Serumkreatinin, Harnsäure und Harnstoff in der Testosterongruppe im Ver-
gleich zur Kontrollgruppe signifikant gesunken sind und die GFR signifikant angestiegen ist. Die Mortalität in der Hormongruppe lag bei 7,8 Prozent (n = 25), davon waren 44 Prozent (n = 11) kardiovaskulärer Natur. Im Gegensatz dazu betrug die Mortalitätsrate in der Kontrollgruppe 15,2 Prozent (n = 28), wovon alle eine kardiovaskuläre Ursache hatten. Die Autoren folgern aus ihren Resultaten, dass die Therapie mit Testosteron bei hypogonaden Männern die Nierenfunktion verbessere und das wiederum zu einer reduzierten kardiovaskulären Mortalität beitragen könne (2).
Testosteron zur Diabetesprävention bei Übergewichtigen?
Bei übergewichtigen und adipösen Männern werden häufig tiefe Testosteron-Serumkonzentrationen gemessen. Diese stehen wiederum im Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes. Ob eine Behandlung mit Testosteron die Erkrankung verhindern oder sie im Frühstadium noch umkehren kann, prüfte eine doppelblind randomisierte, plazebokontrollierte und multizentrische Studie aus Australien. Teilnehmer waren 1007 50- bis 74-jährige Männer mit einem Taillenumfang von > 95 cm und einer Testosteronkonzentration ≥ 14 nmol/l, aber ohne Hypogonadismus. Sie wiesen weiter eine gestörte Glukosetoleranz (oraler Glukosetoleranztest [OGTT] 2 h: 7,8–11 mmol/l) auf oder hatten kürzlich eine Typ-2-Diabetes-Diagnose (OGTT 2 h: ≤ 15 mmol/l) erhalten. Die Männer machten bei einem Lebensstilmodifikationsprogramm mit Bewegung (≥ 150 min/Woche) und einem WeightWatcher-Programm mit und erhielten zusätzlich eine intramuskuläre Injektion entweder mit Testosteron undecanoat 1000 mg oder Plazebo, eine weitere Injektion nach 6 Wochen und dann alle 3 Monate während 2 Jahren. Als primärer Endpunkt galten die Erkrankung an Typ-2-Diabetes (OGTT 2 h: ≥ 11,1 mmol/l) und die Veränderung des OGTT-2 h-Werts. Nach Abschluss der 2-jährigen Studienzeit zeigte sich folgendes Bild: Während in der Testosterongruppe 12 Prozent der Teilnehmer einen OGTT-2 h-Wert von ≥ 11,1 mmol/l aufwiesen, war dieser Anteil in der Plazebogruppe mit 21 Prozent fast doppelt so hoch (relatives Risiko [RR]: 0,59; 95%-Konfidenzintervall: 0,43–0,80; p = 0,0007). Die durchschnittliche Veränderung des OGTT-2 h-Werts betrug unter Testosteron –1,70 mmol/l, in der Plazebogruppe –0,95 mmol/l (p < 0,0001). Der Behandlungseffekt war unabhängig vom Testosteronausgangswert.
12 CongressSelection Urologie | November 2021
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Sexuelle Funktionsparameter als sekundäre Endpunkte, wie erektile Dysfunktion, Orgasmusfähigkeit, Libido und Geschlechtsverkehr, verbesserten sich unter Testosteron ebenfalls. Zudem veränderte sich die Körperzusammensetzung bei zwar gleichbleibendem Gewicht zu mehr Muskel- und weniger Fettanteil. Schwere Nebenwirkungen traten in beiden Gruppen selten auf (11% Testosteron, 7% Plazebo), in beiden Gruppen ereigneten sich 2 Todesfälle. Als vordefinierte Sicherheitsgrenzwerte, bei deren Überschreiten die Behandlung gestoppt wurde, waren beispielsweise ein Hämatokrit > 54 Prozent; ein solcher wurde in der Testosterongruppe von 22 Prozent (vs. 1% Plazebo) erreicht. Die Resultate dieser Studie zeigen, dass die Behandlung mit Testosteron die Prävalenz von Typ-2-Diabetes um 41 Prozent reduzierte, über den Effekt von Lebensstilmodifikationen hinaus, so das Fazit des Studienleiters Prof. Gary Wittert, Queen Elizabeth Hospital, Adelaide (AU), am EAU-Kongress. Die Studie wurde im «Lancet» publiziert (3). Diese Studie zeige das Potenzial der Testosteronbehandlung als «game changer» bei einem so häufigen Problem wie dem Typ-2-Diabetes, wovon etwa 6 Prozent der europäischen Bevölkerung betroffen seien, kommentierte Prof. Maarten
Albersen, Leuven (BE), die Ergebnisse. Allerdings schätze er einen möglichen Anstieg des Hämatokrits in dieser Population als Risikofaktor für thromboembolische Ereignisse als besorgniserregend ein. Dieser Sorge entgegnete Studienleiter Wittert, dass mit einer guten Patientenselektion – in der Studie habe man Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe leider nicht ausgeschlossen – und einer Überwachung des Hämatokrits eine Testosteronbehandlung dennoch gut möglich sei. s
Valérie Herzog
Quelle: «Game Changer 2». Jahreskongress der European Association of Urology (EAU), 8. bis 12. Juli, virtuell.
Referenzen: 1. Aboumarzouk OM et al.: Less mortality and less Major Adverse
Cardiovascular Events (MACE) under long-term Testosterone Therapy (TTh): 15-year data from a prospective controlled registry study. P0532. 2. Al-Zoubi R et al.: Long-term testosterone therapy improves renal function in men with hypogonadism: A real-life prospective controlled registry. P0530. 3. Wittert G et al.: Testosterone treatment to prevent or revert type 2 diabetes in men enrolled in a lifestyle programme (T4DM): a randomised, double-blind, placebo-controlled, 2-year, phase 3b trial. Lancet Diabetes Endocrinol. 2021;9(1):32-45. doi:10.1016/ S2213-8587(20)30367-3
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