Transkript
EAU
Nierensteine
Nach der Entfernung sofort mit der Prophylaxe beginnen
Nach einer chirurgischen Steinentfernung ist es ein wichtiges Ziel, die Rezidivbildung zu verhindern. Der beste Zeitpunkt für eine metabolische Einschätzung ist unmittelbar vor einem nicht akuten Eingriff oder 2 Wochen danach, wenn die Entzündungsreaktion abgeklungen ist. Welche ernährungsspezifischen und medikamentösen Möglichkeiten zur Rezidivprophylaxe bestehen, war Thema am Jahreskongress der European Association of Urology (EAU).
Von Steinerkrankungen sind vorwiegend jüngere Menschen (35- bis 49-jährig) betroffen. Weil das Rezidivrisiko hoch ist, ist es wichtig, gefährdete Personen zu identifizieren und zu behandeln. Die Nierensteinbildung wird durch die Urinzusammensetzung beeinflusst. Auslöser sind Auskristallisierungen bei hohen Konzentrationen von Oxalat, Kalzium oder Harnsäure. Die häufigsten Steine bestehen aus Kalziumoxalat (80 bis 85%), Harnsäuresteine kommen etwa zu 5 bis 10 Prozent vor, ebenso wie Infektsteine (Struvit und Apatit), Cystinsteine sind mit 1 Prozent Vorkommen selten.
Steuerelement Ernährung
Ein tiefes Harnvolumen kann einer Steinbildung Vorschub leisten. Höhere Citrat- oder Magnesiumkonzentrationen sowie ein hohes Harnvolumen wirken präventiv. Ein pH-Wert
Nierensteinprävention durch Ernährungsanpassung
Mehr davon: • Trinkmenge (mind. 2 Liter) • Bikarbonatreiche Mineralwasser (Kalziumzufuhr 1000–1200 mg/Tag) • Zitrussäfte (Citrat) • Gemüse (Citrat) • Früchte (Citrat)
Weniger davon: • Pfefferminz- und Schwarztee (hoher Oxalatgehalt) • Spinat (hoher Oxalatgehalt) • Rhabarber (hoher Oxalatgehalt) • Randen (hoher Oxalatgehalt) • Kakao (hoher Oxalatgehalt) • Schokolade (hoher Oxalatgehalt) • Nüsse (hoher Oxalatgehalt) • Fleisch, Fisch (pH-Wert-Senkung) • Kochsalz
(Quelle: mod. nach ww.sge.ch)
< 5,5 (Harnsäuresteine) oder > 7 (Phosphatsteine) kann ebenfalls zur Übersättigung des Urins beitragen. Die Urinkonzentration dieser Substanzen widerspiegelten die Ernährungsgewohnheiten, wie Prof. Carsten Wagner vom Physiologischen Institut der Universität Zürich betonte. Bei Nierensteinpatienten ist eine Ernährungsberatung zur Rezidivprävention sinnvoll. Denn mit einer Modifizierung des Ernährungsplans kann das Risiko für eine Steinbildung mit beeinflusst werden. Dazu gehört zum Beispiel die Erhöhung des Harnvolumens durch höhere Trinkmengen. Mit einer Reduktion von oxalat-, kalzium- und purinhaltigen Lebensmitteln kann das Risiko gesenkt werden. Steinbildungshemmend wirkt eine Erhöhung von Zitronensäure und Magnesium als antilithogene Substanzen. Des Weiteren kann durch Salzrestriktion eine Verringerung der Kalziumausscheidung erreicht werden (1).
Medikamentöse Optionen
Gleichzeitig mit der Anpassung des Speiseplans kann eine medikamentöse Therapie angezeigt sein. Citrat, Thiaziddiuretika, Allopurinol oder Febuxostat sind dabei Optionen. Citrat verhindert Nukleusbildung, Aggregation und Wachstum von Kalziumkristallen, bindet Kalzium zu löslichen Kalziumcitratkomplexen und erhöht den Urin-pH, was gleichzeitig eine Reduktion von Harnsäure und Cystinkristallen bewirkt. Citrat wird häufig angewendet und sollte insbesondere bei Patienten mit wiederkehrender Steinbildung mit oder ohne Hypocitraturie, bei Harnsäure- und Cystinsteinen eingesetzt werden, so die Empfehlung von Prof. Pietro Ferraro, Nephrologie, Policlinico Gemelli, Rom (I). Thiaziddiuretika dienen unter anderem zur Rezidivprophylaxe von kalziumhaltigen Nierensteinen. Durch Erhöhung der Kalziumrückresorption kommt es zu einer Senkung der Kalizumexkretion. Thiaziddiuretika sind daher bei Patienten mit kalziumhaltigen Nierensteinen mit und ohne Hyperkalziurie angezeigt. Allerdings sollten sie zusammen mit Citrat verabreicht werden, um eine allfällig daraus resultierende Hypocitraturie zu verhindern. Bei der Thiazidgabe ist ausserdem auf eine mögliche Hypotonie, auf Hypokaliämie und Hyperurikämie zu achten. Ferner kommen Urikostatika wie Allopurinol und Febuxostat bei rezidivierenden kalziumhaltigen Steinen mit und ohne Hyperurikosurie zum Einsatz.
4 CongressSelection Urologie | November 2021
EAU
Thiazide, Citrat und Allopurinol sind wirksame Therapien, gemäss einer Metaanalyse wirken sie signifikant besser (48 bzw. 75 bzw. 41%) als Plazebo (2).
ansetzende, gut wirksame und verträgliche (3) Therapie ist in der EU und in den USA bereits verfügbar, in der Schweiz ist die Zulassung noch ausstehend.
Neue kausale Therapie
Für Patienten mit einer primären Hyperoxalurie vom Typ 1 (PH1) steht mit Lumasiran bald ein siRNA-Therapeutikum (siRNA: small interfering RNA) zur Verfügung. PH1 ist eine genetisch bedingte Stoffwechselkrankheit, die auf den Ausfall eines Enzyms zum Abbau von Fettsäuren zurückgeht und bei der es zu einer sehr hohen Oxalatausscheidung kommt. Lumasiran führt zu einem Silencing des HAO1-(hydroxyacid oxidase-1-)Gens, das für die Hydroxysäureoxidase codiert. Lumasiran reduziert die Oxalatausscheidung im Urin im Vergleich zu Plazebo signifikant um 54 Prozent, wie eine internationale Studie zeigte, an der auch die Schweiz mit dem universitären Inselspital Bern beteiligt war (3). Die kausal
Valérie Herzog
Quelle: Quelle: «Stones: Keeping with tradition or time for new concepts?». Jahreskongress der European Association of Urology (EAU), 8. bis 12. Juli, virtuell.
Referenzen: 1. Prezioso D et al.: Dietary treatment of urinary risk factors for renal
stone formation. A review of CLU Working Group (published correction appears in Arch Ital Urol Androl. 2016 Mar;88(1):76. Ferraro, Manuel [added]). Arch Ital Urol Androl. 2015;87(2):105120. Published 2015 Jul 7. doi:10.4081/aiua.2015.2.105 2. Fink HA et al.: Medical management to prevent recurrent nephrolithiasis in adults: a systematic review for an American College of Physicians Clinical Guideline. Ann Intern Med. 2013;158(7):535543. doi:10.7326/0003-4819-158-7-201304020-0 3. Garrelfs FS, Frishberg Y et al. 2021 : Lumasiran, an RNAi Therapeutic for Primary Hyperoxaluria Type 1. N Engl J Med 2021;384:1216-26. doi: 10.1056/NEJMoa2021712
CongressSelection Urologie | November 2021
5