Transkript
EAU
Erektile Dysfunktion
Tipps zur Anwendung von PDE-5-Hemmern
Patienten mit einer erektilen Dysfunktion haben eine tiefe Lebensqualität und häufig zusätzlich andere vaskuläre Komorbiditäten. Somit lohnt es sich, mit Lebensstilmassnahmen die vaskulären Symptome auf lange Sicht zu verbessern. Auf kurze Sicht steht mit den PDE-5-Hemmern effiziente Hilfe zur Verfügung. Welche Männer an erektiler Dysfunktion leiden und worauf beim Einsatz von PDE-5-Hemmern zu achten ist, erklärten Experten am Jahreskongress der European Association of Urology (EAU).
Erektile Dysfunktion (ED) ist häufig ein frühes Zeichen für eine zugrunde liegende kardiometabolische oder psychiatrische Erkrankung. Wie verbreitet ED ist und welche Männer eher davon betroffen sind, wurde in einer prospektiven Real-World-Studie (1) in Grossbritannien bei 12 490 Teilnehmern > 18 Jahre anhand einer Frage aus der Massachussetts Male Aging Study (2) untersucht. Gleichzeitig wurden soziodemografische Daten, Risikofaktoren für eine ED, die Inanspruchnahme von Gesundheitseinrichtungen und Daten zur Lebensqualität erhoben. Die Fragen konnten von den Teilnehmern via Internet beantwortet werden, wie Studienautor Dr. Terence Maguire, Queens University of Belfast (UK), am EAU-Kongress berichtete. Demgemäss lag die geschätzte Prävalenz bei 41,5 Prozent (n = 5185). In der Altersgruppe der 18- bis 39-Jährigen betrug sie 29,3 Prozent, bei den ≥ 40-Jährigen litt fast jeder Zweite daran (45,6%). Eine schwere ED hatten 7,5 Prozent der befragten Männer. Im Vergleich zu den befragten Männern ohne ED waren jene mit ED älter (54 vs. 47 Jahre), rauchten häufiger (33 vs. 26%), tranken häufiger Alkohol (76 vs. 71%), bewegten sich weniger (22 vs. 19%) und waren öfter übergewichtig oder adipös (65 vs. 55%). Von den Männern mit ED hatten, verglichen mit Männern ohne ED, 74 Prozent mindestens eine chronische Begleiterkrankung (vs. 48% ohne ED). Etwa ein Drittel litt an Hypertonie (32 vs. 16%), an Hyperlipidämie (28 vs. 14%), ein Viertel hatte eine Depression (25 vs. 15%), etwa gleich viele eine Angststörung (23 vs. 17%), und 16 Prozent waren an Diabetes erkrankt (vs. 6%). Alle Unterschiede waren jeweils signifikant (p < 0,01). Die von ED betroffenen Männer waren auch häufiger beim Arzt (79 vs. 60%) oder beim Apotheker (41 vs. 32%), und ihre Lebensqualität war signifikant tiefer. Aus den erhobenen Zahlen geht hervor, dass der Anteil an Risikofaktoren wie Hypertonie, Hyperlipidämie und Diabetes bei den Männern mit ED mindestens doppelt so hoch ist wie bei jenen ohne ED. Angesichts der hohen Krankheitslast seien die modifizierbaren Risikofaktoren ein Schlüsselansatz, um die tiefe Lebensqualität zu verbessern und die ED-Symptome zu lindern, so das Fazit der Studienautoren. Bei jünge- ren Patienten gelte es, die Risikofaktoren entsprechend tief zu halten (1). Ursachen angehen Bei metabolischem Syndrom beziehungsweise kardiometabolischen Risikofaktoren führt der oxidative Stress zu Endothelschäden, was auch einer ED Vorschub leistet, wie Prof. Suks Minhas, Imperial College, London (UK), Vizepräsident des Komitees der EAU-Guideline «Sexual and Reproductive Health», am EAU-Kongress ausführte. Denn die endotheliale Dysfunktion führt zu Inflammation, Plättchenaggregation, Vasokonstriktion, vaskulärem Remodeling und Atheroskleose (3). Eine ED ist somit auch ein unabhängiger Risikofaktor für eine kardiovaskuläre Erkrankung (4). Lebensstilmodifikationen seien demnach empfohlen, um dem Risiko für eine ED wie auch für eine Herzerkrankung vorzubeugen oder deren Symptome zu lindern, so Minhas. Massnahmen wie moderate oder intensive körperliche Bewegung mindestens 30 Minuten pro Tag oder 150 Minuten pro Woche, Rauchstopp, Alkoholrestriktion (1–2 Drinks/Tag), Gewichtsreduktion, Anpassung der Ernährung mit beispielsweise grösserem Anteil an Früchten, Gemüse, Vollkorngetreide, ungesättigten Fettsäuren, weniger Fett und gezuckerten Getränken sind evidenzbasierte Empfehlungen (5). Kriterien für die Wahl von PDE-5-Hemmern Zur kurzfristigen Therapie bewähren sich Phosphodiesterase-5-(PDE-5-)Hemmer wie Sildenafil, Vardenafil und Tadalafil. Sie unterscheiden sich durch verschiedene Parameter. Mit der biochemischen Potenz, der sogenannten inhibitorischen Konzentration (IC50), wird die Substanzkonzentration bezeichnet, die zu einer 50-prozentigen Inhibition des Zielenzyms, als der PDE-5, führt. Je tiefer diese Konzentration, desto stärker die Substanz. Bei Vardenafil sei sie am tiefsten, gefolgt von Tadalafil und Sildenafil, so Minhas. Die Nebenwirkungen der PDE-5-Hemmer sind auf die gleichzeitige Wirkung auf andere PDE zurückzuführen, wie beispielsweise auf PDE-6 mit verändertem Farbsehen als Folge oder PDE-3 mit muskulären oder vaskulären Wirkungen. Häufig sind Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, 10 CongressSelection Urologie | November 2021 EAU Tabelle: Wirkungen und Selektivität von PDE-5-Hemmern Substanz Sildenafil (25, 50, 100 mg) Vardenafil (5, 10, 20 mg) Tadalafil (10, 20 mg) Tadalafil (2,5, 5 mg 1 ×/Tag) Avanafil (50, 100, 200 mg) Wirkbeginn (tmax) 1 Stunde 1 Stunde 1–2 Stunden 1–2 Stunden 15 Minuten Quelle: (6) und M. Fode, EAU-Kongress 2021, virtuell t ½ 4 Stunden 4 Stunden 24–36 Stunden kontinuierlich > 6 Stunden
Selektivität (Nebenwirkungen) bindet auch an PDE-1/6 (Gefässe/Retina) bindet auch an PDE-1/6 (Gefässe/Retina) bindet auch an PDE-11 (Skelettmuskel) bindet auch an PDE-11 (Skelettmuskel) hochselektiv
Flush, Dyspepsie, verstopfte Nase, verändertes Farbsehen, Dizziness, Rückenschmerzen und Mylagie. Bei den Interaktionen sollte Folgendes beachtet werden, so Minhas: Während alle drei PDE-5-Hemmer mit dem Essen eingenommen werden können, ist die gleichzeitige Verabreichung von Nitraten kontraindiziert. Bei einer Therapie mit Alphablockern sollte die Sildenafildosis 25 mg nicht übersteigen und bis zur Einnahme 4 Stunden gewartet werden, Vardenafil ist kontraindiziert, und Tadalafil kann in der Dosis von 0,4 mg gegeben werden, sofern es sich beim Alphablocker um Tamsulosin handelt. Bei einer antiarrhythmischen Therapie sollte Vardenafil wegen einer QT-Zeit-Verlängerung gemieden werden, für die anderen beiden besteht keine Beschränkung. Bei starken CYP3A4-Inhibitoren wie Grapefruitsaft, Erythromycin, Ketoconazol oder Itraconazol ist Sildenafil 25 mg bedenkenlos, bei Vardenafil und Tadalafil bestehen Beschränkungen hinsichtlich Dosis und Anwendungshäufigkeit. Sind HIVTherapien verordnet, bestehen für alle drei PDE-5-Hemmer Einschränkungen im Fall von Ritonavir, bei Sildenafil zusätzlich im Fall einer Saquinavirtherapie und bei Vardenafil zusätzlich bei einer Indinavirtherapie.
Wirkbeginn und Wirkdauer steuern
Weitere Kriterien für die Wahl des PDE-5-Hemmers sind Wirkbeginn und Wirkdauer. Sildenafil und Vardenafil beginnen nach 1 Stunde zu wirken und halten 4 Stunden an, die Wirkung von Tadalafil setzt nach 1 bis 2 Stunden ein und hält 24 bis 36 Stunden an, Avanafil wirkt nach 15 Minuten während über 6 Stunden (6) (Tabelle), wie Dr. Mikkel Mejlgaard Fode, Department of Urology, Copenhagen University Hospital, Herlev and Gentofte (DK), am EAU-Kongress erklärte. Für eine Aussage zu Wirkung und Sicherheit müsse man sich mit Metaanalysen begnügen, denn Vergleichsstudien zwischen den PDE-5-Hemmern seien nicht durchgeführt worden, so Fode. Gemäss den Metaanalysen sei die Wirkung aller PDE-5-Hemmer gegenüber Plazebo etwa ähnlich, nicht so die Häufigkeit von Nebenwirkungen. Unter Avanafil sei das Dosis-Nebenwirkungs-Verhältnis am besten.
Was, wenn es nicht wirkt?
Bringt der ausgewählte PDE-5-Hemmer nicht den gewünsch-
ten Effekt, muss vor einem Präparatewechsel versucht wer-
den, die Ursache für den Misserfolg zu finden. Einerseits
sollte der Patient auf die für die Wirkung notwendige sexuelle
Stimulation aufmerksam gemacht werden. Andererseits
könnte auch der Abstand zwischen Einnahme und Wirkung
zu kurz sein, eine Verlängerung des Intervalls könnte zum
Erfolg führen. Bei gleichzeitiger Einnahme von schweren und
fetthaltigen Mahlzeiten kann sich ausserdem die Absorption
von Sildenafil und Vardenafil verzögern. Um von einem defi-
nitiven Misserfolg mit dem einen Präparat zu sprechen, soll-
ten damit bis zu 6 Versuche erfolgt sein, so Fode abschlies-
send.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Andrology: Erectile dysfunction». Jahreskongress der European Associa-
tion of Urology (EAU), 8. bis 12. Juli, virtuell.
Referenzen: 1. Maguire TA et al.: Erectile Dysfunction (ED) prevalence, risk fac-
tors, comorbid chronic conditions, and quality of life burden in the UK general population. P0476, presented at EAU 2021 virtual. 2. Feldman HA et al.: Impotence and its medical and psychosocial correlates: results of the Massachusetts Male Aging Study. J Urol. 1994 Jan;151(1):54-61. doi: 10.1016/s0022-5347(17)34871-1 3. Musicki B et al.: Basic Science Evidence for the Link Between Erectile Dysfunction and Cardiometabolic Dysfunction. J Sex Med. 2015;12(12):2233-2255. doi:10.1111/jsm.13069 4. Vlachopoulos CV et al.: Prediction of cardiovascular events and all-cause mortality with erectile dysfunction: a systematic review and meta-analysis of cohort studies. Circ Cardiovasc Qual Outcomes. 2013;6(1):99-109. doi:10.1161/CIRCOUTCOMES. 112.966903 5. Maiorino MI et al.: Lifestyle modifications and erectile dysfunction: what can be expected? Asian J Androl. 2015;17(1):5-10. doi:10.4103/1008-682X.137687 6. Hatzimouratidis K et al.: Pharmacotherapy for erectile dysfunction: recommendations from the fourth international consultation for sexual medicine (ICSM 2015). J Sex Med. 2016;13(4):465488. doi:10.1016/j.jsxm.2016.01.016
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