Transkript
EULAR
Systemische Sklerose
Erste prospektive Studie zu Schwangerschaft bei systemischer Sklerose gibt Zuversicht
Bislang waren die Daten zur Schwangerschaft bei Frauen mit systemischer Sklerose (SSc) recht dürftig. Am diesjährigen virtuellen EULAR-Kongress wurde eine prospektive Studie vorgestellt, nach der trotz dem potenziellen Auftreten von Bluthochdruck und Präeklampsien das Wohl des Kindes und der Mutter nicht gefährdet ist. Damit steht einer Schwangerschaft bei SSc-Patientinnen in der Regel nichts im Wege.
Untersuchungen zum Thema Schwangerschaft mit systemischer Sklerose (SSc) waren bislang eher rar, und wenn, dann handelte es sich ausschliesslich um retrospektive Studien. Wenig ist bis heute bekannt über den Einfluss dieser Erkrankung auf die Schwangerschaft und darüber, ob die ungeborenen Kinder sich normal entwickeln. Während in der Vergangenheit Schwangerschaften für SSc-Betroffene weitgehend ausgeschlossen wurden, legte eine retrospektive Studie vor einigen Jahren den Schluss nahe, dass es dafür keinerlei Begründung gebe. Um hier etwas mehr Klarheit zu schaffen, wurde am diesjährigen virtuellen EULAR-Kongress eine neue prospektive, kontrollierte Studie zu den pädiatrischen und rheumatologischen Ergebnissen von Schwangerschaften bei Frauen mit SSc vorgestellt.
Mehr Wachstumsretardierungen und Präeklampsien
An der IMPRESS-2-Untersuchung beteiligten sich 110 schwangere Frauen mit SSc, zur Kontrolle 218 gesunde schwangere Frauen ohne SSc sowie 78 nicht schwangere Frauen mit SSc aus verschiedenen Rheumazentren in Norditalien und Frankreich. Die Teilnehmerinnen wurden über 21 Monate (d. h. während der Schwangerschaft und 12 Monate danach) beobachtet. Insgesamt erlitten 7 Prozent der Schwangeren mit SSc Fehlgeburten, und bei 5 Prozent starb der Fetus. Bei 12 Prozent der Schwangeren mit SSc, aber nur bei 4 Prozent der Kontrollen wurde ein Schwangerschaftshypertonus gemessen (p = 0,004). Besonders gross war mit 9 Prozent der Anteil der Frauen mit Präeklampsie unter den Schwangeren mit SSc im Vergleich zu den Kontrollen (1%; p = 0,002). Recht häufig trat auch eine fetale Wachstumsretardierung auf, nämlich bei 13 Prozent der Schwangeren mit SSc versus 4 Prozent in der Kontrollgruppe (p = 0,004). 26 Prozent der Frauen mit SSc mussten vorzeitig entbunden werden (Kontrolle 7%; p < 0,001). Zu einem Kaiserschnitt kam es bei rund der Hälfte (Kontrolle 4%; p = 0,002), was jedoch auch der Tatsache geschuldet sein könnte, dass es bei der SSc zu einer Verhärtung des Bindegewebes der Haut kommt und man bei der Geburt keinerlei Risiko eingehen wollte. Auch eine intensivmedizinische Betreuung war unter Säuglingen von Müttern mit SSc häufiger als unter denjenigen von gesunden Müttern (p < 0,001). Allerdings waren sowohl die Raten von Missbildungen als auch der pädiatrische Outcome nach 1 Jahr in beiden Gruppen ähnlich gut.
Prädiktoren für Präeklampsien
Mit einer multivariaten Analyse wollten die Wissenschaftler zudem Prädiktoren für einen ungünstigen Schwangerschaftsverlauf finden. Tatsächlich waren Bluthochdruck schon vor der Konzeption, assistierte Konzeption und Zwillingsgeburten mit dem vermehrten Auftreten von Präeklampsien verbunden. Auch immunsuppressive und vasoaktive Therapien erhöhten das Präeklampsierisiko der Frauen. Dabei handelt es sich jedoch um Indikatoren für eine besonders schwere sklerotische Erkrankung. Jedoch war die Gabe von Kalziumantagonisten hinsichtlich der Entwicklung von Präeklampsien protektiv. «Wenn eine Frau absehbar schwanger ist, sollte deshalb daran gedacht werden, solche Medikamente zu verschreiben», sagte Prof. Gabriela Riemekasten aus Lübeck (D). Die Krankheitsaktivität war bei schwangeren und nicht schwangeren SSc-Patientinnen während des 21-monatigen Follow-ups ähnlich, obwohl Erstere weniger immunsuppresive Therapien erhalten hatten. Bei zwei Schwangeren mit SSc traten renale Krisen (SRC) auf.
Erstmals robuste Daten
Was sollte betroffenen Patientinnen mit Kinderwunsch nun
geraten werden? «Es gibt keine vermehrten Fehlbildungen,
was schon mal eine sehr wichtige Erkenntnis ist. Allerdings
kann es zu Wachstumsretardierungen und vorzeitigen Ent-
bindungen kommen», so Riemekasten in einem Videoblog
der Firma BMS zu den Kongresshighlights: «Wir haben mit
dieser Studie erstmals robuste Daten zur Schwangerschaft
unserer Patientinnen und können sie damit gut beraten. Letzt-
lich werden sich die meisten Patientinnen für eine Schwanger-
schaft entscheiden, und das kann man sehr gut begründen.»
Die italienischen und französischen Studienautoren kommen
zu dem Schluss, dass trotz der dargestellten Probleme mit
einer generell günstigen pädiatrischen Prognose zu rechnen
sei. Auch der Verlauf der SSc bei den Frauen werde durch die
Schwangerschaft nicht beeinträchtigt.
s
Klaus Duffner
Quelle: Virtueller EULAR-Kongress, 2021, 2. bis 5. Juni 2021.
Referenz: 1. E. Tombetti: International multicentric prospective study on
pregnancy in systemic sclerosis (IMPRESS-2). EULAR 2021; Vortrag/Abstract OP0175 .
26 CongressSelection Rheumatologie | September 2021