Transkript
ATS 2021
US-Leitlinie zum Asthmamanagement
Welche Empfehlungen beruhen wirklich auf Evidenz?
Vieles wird empfohlen – doch nicht immer steht ausreichend Evidenz dahinter. In einem Update der Management-Leitlinie hat sich ein US-Expertengremium gezielt einige wichtige Fragen zum Asthmamanagement vorgenommen.
Das Update des US-amerikanischen National Asthma Education an Prevention Programme (NAEPP), das im Jahr 2020 veröffentlicht wurde, fokussiert auf 6 Hauptthemen. Dabei wurde die im Oktober 2018 verfügbare Evidenz zu vorformulierten Kernfragen evaluiert. Der ursprüngliche Entwurf wurde von über 500 Einzelpersonen und Gruppen gegengelesen, berichtete Dr. Michelle M. Cloutier aus Farmingoton (CT/USA), die Vorsitzende des verantwortlichen Expertengremiums.
FeNO bei Diagnose, Therapientscheidung und Monitoring
Das Expertengremium empfahl die Bestimmung von fraktioniertem exhalierten Stickstoffmonoxid (FeNO) im Exhalat zur Ergänzung der Diagnostik, wenn die Diagnose nach Anamnese, körperlicher Untersuchung und anderen Tests wie Lungenfunktionsdiagnostik weiterhin unsicher ist (bedingte Empfehlung, mittelgradige Evidenz). Auch im Rahmen des Therapiemonitorings kann bei Unsicherheit über die Asthmakontrolle das FeNO als zusätzlicher Parameter bestimmt werden (bedingte Empfehlung, geringe Evidenz). Ein alleiniger Einsatz dieses Parameters zum Asthmamonitoring wird dagegen nicht empfohlen (starke Empfehlung, geringe Evidenz). Auch für Voraussagen über die weitere Entwicklung eines Asthmas bei Kleinkindern (0–4 Jahre) wird von diesem Parameter abgeraten (starke Empfehlung, geringe Evidenz). Als Vorteil der FeNO-Bestimmung wurde festgestellt, dass dieser Test von den meisten Betroffenen einfach durchgeführt werden könne und keine bedeutenden Nebenwirkungen habe. Jedoch ist die Geräteausstattung der Praxis und das Verbrauchsmaterial für viele Hausärzte nicht kostendeckend möglich, sodass die Testung bei entsprechend spezialisierten Ärzten durchgeführt werden muss. Die Interpretation der Befunde kann problematisch sein, da das Ergebnis von vielen Faktoren beeinflusst wird. Darüber hinaus ist die FeNO-Messung auch nicht geeignet, um die Therapieadhärenz, zum Beispiel einer Controller-Therapie mit Inhalationssteroiden, zu erfassen.
Reduktion von Innenraum-Allergenen
Bei Patienten, bei denen eine Exposition gegenüber bestimmten Innenraum-Allergenen vorliegt, gegen die entweder Sym-
ptome oder eine Sensibilisierung nachgewiesen wurden, werden die folgenden Massnahmen empfohlen: • Vielseitige Massnahmen zur spezifischen Allergenreduk-
tion (bedingte Empfehlung, geringe Evidenz) • Ein durchgängiges Management zur Ungeziefer- oder Mil-
benreduktion wird als Einzelmassmnahme oder als Bestandteil eines multifaktoriellen Managements zur Reduktion empfohlen (bedingte Empfehlung, geringe Evidenz) • Milbendichte Matratzenbezüge werden nur als Teil eines multifaktoriellen Managements, aber nicht als Einzelmassnahme empfohlen (bedingte Empfehlung, mittelgradige Evidenz). Diese Massnahmen werden dagegen nicht empfohlen, wenn weder eine Sensibilisierung noch Symptome im Zusammenhang mit der Exposition gegenüber einem bestimmten Allergen nachgewiesen werden konnten (bedingte Empfehlung, geringe Evidenz). Daher werden auch Massnahmen zur Allergenreduktion nicht als Teil eines Routine-Asthmamanagements empfohlen. Allerdings sollte die Exposition gegenüber Innenraum-Allergenen bei allen Personen mit einem Asthma erhoben werden, so die Empfehlung.
Anpassung der Medikamentendosierung
In einer Zeit, in der die intermittierende Behandlung mit Inhalationssteroiden (ICS) in Fixkombination mit Formoterol an Bedeutung gewinnt, empfahl das Expertenkommittee dieses Vorgehen auch bei Jugendlichen ab 12 Jahren und Erwachsenen mit mildem, persistierenden Asthma (Stufe 2). Diese Therapie gilt nun als gleichwertige Option neben dem in der Vergangenheit empfohlenen Vorgehen einer täglichen Inhalation von niedrigdosierten ICS und dem bedarfsweisen Einsatz von kurzwirksamen Betamimetika (SABA: short acting beta2-agonists) (bedingte Empfehlung, mittelgradige Evidenz). Denn die Vorteile der intermittierenden im Vergleich zur kontinuierlichen ICS-Einnahme hätten sich in den entsprechenden Studien bezüglich Exazerbationen, Asthmakontrolle und Lebensqualität als gleichwertig erwiesen, betonte Cloutier. Deshalb sollte in erster Linie die Präferenz der Patienten entscheiden, welche dieser beiden Therapiestrategien gewählt werde. Nicht empfohlen wird die kurzfristige Erhöhung der ICSDosis bei vermehrten Symptomen oder Abnahme des Peak-
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flows bei Patienten, bei denen eine Adhärenz zur ICS-Therapie wahrscheinlich ist (bedingte Empfehlung, geringe Evidenz). Lediglich bei Jugendlichen und Erwachsenen, bei denen keine gute Adhärenz zur täglichen ICS-Therapie angenommen wird, kann die Verfünffachung der ICS-Dosis während einer Exazerbation sinnvoll sein. Grundsätzlich sollte bei Patienten, die mit ihrer aktuellen Therapie gut kontrolliert sind, keine Änderung des Therapieplans vorgenommen werden. Die wesentliche Änderung in diesem Update ist die Empfehlung des SMART-Prinzips (Single Maintenance And Reliever Therapy) – darunter versteht man die Verwendung einer Fixkombination aus ICS und Formoterol – sowohl als Reliever als auch als Controller. Diese Inhalationstherapie wird nun in den NAEPP-Empfehlungen für Kinder ab 4 Jahren sowie für Erwachsene mit einem mittelgradigen bis schweren persistierenden Asthma empfohlen (starke Empfehlung, starke Evidenz ab einem Alter von 12+, mittelgradige Evidenz für Alter 4–11 Jahre). Formoterol ist ein Betamimetikum, das sich sowohl durch einen raschen Wirkungseintritt als auch durch eine lange Wirkdauer auszeichnet und damit sowohl im Sinne eines rasch wirksamen Controllers als auch im Sinne eines Relievers mit langfristiger Verbesserung der Lungenfunktion genutzt werden kann. Von der FDA ist Formoterol zur Anwendung bei Kindern ab 4 Jahren zugelassen (in der Schweiz ab 6 Jahren). Allerdings ist der Einsatz von ICS/ Formoterol-Fixkombinationen im Sinne des empfohlenen SMART-Prinzips in den USA nicht zugelassen. Trotz der Vorteile des SMART-Prinzips gilt: Bei Personen, deren Asthma mit ihrer bisherigen Therapie gut kontrolliert ist, sollte nicht auf SMART gewechselt werden.
Bedeutung von LAMA bei Asthma
Während langwirksame Muskarin-Antagonisten (LAMA) früher in erster Linie bei Patienten mit COPD verwendet wurden, kommen sie nun auch zunehmend bei Patienten mit Asthma zum Einsatz. In den amerikanischen Update-Empfehlungen werden LAMA in Asthma-Therapiestufe 5 als Zusatz zur ICS-LABA-Therapie bei Jugendlichen und Erwachsenen empfohlen (bedingte Empfehlung, mittelgradige Evidenz). LAMA können aber auch bereits in Therapiestufe 3 und 4 anstelle eines LABA zur ICS-Dauertherapie hinzugefügt werden (bedingte Empfehlung, mittelgradige Evidenz). Bei einem unkontrollierten persistierenden Asthma sei allerdings ein LABA dem LAMA als zusätzlicher Controller zum ICS vorzuziehen (bedingte Empfehlung, mittelgradige Evidenz). Der Vorzug der ICS-LABA-Kombination ergab sich für das Expertengremium trotz ähnlicher therapeutischer Vorteile aus den leichten Bedenken bezüglich möglicher Risiken der ICS-LAMA-Kombination. So hatten in der BELT-Studie (Blacks and Exacerbations on LABA v. Triotropium) afroamerikanische Patienten im ICS/LAMA-Arm eine etwas
höhere Rate an Hospitalisierungen als diejenigen im ICS/ LABA-Arm; ausserdem traten die 2 Asthma-assoziierten Todesfälle in dieser Studie beide in der ICS/LAMA-Gruppe auf. Wenn allerdings die ICS/LABA-Kombination nicht eingesetzt werden kann, dann gilt die ICS/LAMA-Kombination als mögliche Alternative. In den meisten vorliegenden Studien wurde Tiotropium als LAMA eingesetzt.
Spezifische Immuntherapie bei Asthma
Zur spezifischen Immuntherapie wird in der amerikanischen Leitlinie als erste Wahl die subkutane Immuntherapie (SCIT) empfohlen, die zusätzlich zur Pharmakotherapie durchgeführt werden kann. Die Empfehlung gilt für Kinder (≥ 5 Jahre) und Erwachsene mit einem leichten bis mittelgradigen Asthma (bedingte Empfehlung, mittelgradige Evidenz). Als Vorteile werden leichte Verbesserungen der Symptomatik und der Lebensqualität sowie die mögliche Reduktion des langfristigen Medikamentenbedarfs genannt. Auch die Verbesserung allergischer Komorbiditäten wird als Vorteil der SCIT angesehen. Allerdings wird auch das Risiko für systemische Reaktionen erwähnt. Die sublinguale Immuntherapie wird bei Asthma dagegen nicht empfohlen, denn nur wenige SLIT-Therapeutika haben eine FDA-Zulassung und diese auch nur für die Therapie der allergischen Rhinokonjunktivitis. Patienten, die sowohl eine Rhinokonjunktivitis als auch ein Asthma haben, könnten dennoch profitieren.
Fazit
Die wesentlichen Stärken dieses Updates fasste Cloutier wie
folgt zusammen: Es beantwortet zuvor spezifizierte Fragen
mit der bestmöglichen Evidenz und es verwendet die GRA-
DE-Methodologie, um die Zuverlässigkeit der Evidenz und
die Stärke der Empfehlungen bewerten. Es wurde zudem
mehrmals sowohl von professionellen als auch von
Laien-Zielgruppen bewertet. Darüber hinaus enthält es einen
Teil zur Implementierung der Empfehlungen in den klini-
schen Alltag.
s
Adela Žatecky
Das NAEPP-Update zum Asthmamanagement steht online als pdf zum Download bereit:
https://www.asthma.rosenfluh.ch/qr/nhlbi_asthma
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