Transkript
SGP
Therapie der interstitiellen Lungenfibrose
Neue Antifibrotika am Himmel
Zur Therapie der idiopathischen Lungenfibrose (IPF) laufen derzeit einige interessante und vielversprechende Studien zu Medikamenten mit unterschiedlichen Angriffspunkten. Was die nahe Zukunft für Patienten mit dieser schweren Lungenerkrankung bringen kann, berichtete PD Dr. Dr. Katrin Hostettler Haack, Klinik für Pneumologie, Universitätsspital Basel, am virtuellen Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie.
Die IPF ist die häufigste Form der idiopathischen interstitiellen Pneumopathien. Es handelt sich um eine chronisch progrediente fibrosierende Lungenerkrankung, die im 6. bis 7. Lebensjahrzehnt auftreten kann. Das mediane Überleben nach Diagnosestellung beträgt 2 bis 3 Jahre. Die Erkrankung präsentiert sich mit langsam progredienter Dyspnoe und trockenem Husten, ein Knisterrasseln (Velcro-Knistern) beidseits basal ist schon früh auskultierbar. Auf antiinflammatorische Pharmakotherapien spricht die Erkrankung nicht an. Als Risikofaktoren gelten Rauchen und Staubexposition, aber auch genetische Faktoren könnten mitspielen. Die Ursache ist nicht restlos geklärt, diskutiert werden verschiedene pathobiologische Szenarien. Beispielsweise werden durch wiederholte multifokale Schädigungen des Alveolarepithels überschiessende und unkontrollierte Reparaturmechanismen induziert, die zu einer Aktivierung der umliegenden Fibroblasten und als Folge davon zu einer vermehrten Produktion extrazellulärer Matrix führen. Des Weiteren gilt als neueres Therapieziel
KURZ & BÜNDIG
� Die idiopathische Lungenfibrose (IPF) ist eine nicht heilbare, chronisch progrediente, fibrosierende Lungenerkrankung.
� IPF tritt in höherem Lebensalter auf, die Prognose ist schlecht.
� Pirfenidon und Nintedanib sind zur IPF-Therapie zugelassen, sie verlangsamen die Krankheitsprogression.
� Zu verschiedenen Medikamenten mit unterschiedlichen Angriffspunkten auf Ebene der Fibroblasten, der Makrophagen sowie der zellulären Abwehr laufen zurzeit Phase-III-Studien.
der alveoläre Makrophage, der in aktiviertem Zustand nicht nur proinflammatorische Zytokine sezerniert, sondern auch profibrotische Wachstumsfaktoren. Bekannt ist ausserdem, dass ein gestörtes Lungenmikrobiom zur Verschlechterung der Erkrankung beiträgt (1). Gegen diese Pathomechanismen sind derzeit einige Pharmakotherapien in Entwicklung.
Vielversprechende Pipeline
Auf der Ebene der Fibroblasten befindet sich Pamrevlumab als rekombinanter Antikörper gegen den Wachstumsfaktor (connective tissue growth factor, CTGF), einem Schlüsselfaktor beim Geweberemodeling und bei der Fibrose, in Entwicklung. Die Phase-II-Studie mit 103 Patienten zeigte eine signifikante Reduktion des forcierten Vitalkapazitätsabfalls (FVC) bei guter Verträglichkeit (2), eine Phase-III-Studie dazu ist momentan im Gang. Eine weitere Substanz (PBI-4050), die die Differenzierung von Fibroblasten zu Myofibroblasten verhindert, reduzierte im Tierversuch die Lungenfibrose. In einer kleinen Phase-II-Studie wurde diese Wirkung in Kombination mit Nintedanib bestätigt (3). Auf der Ebene der alveolären Makrophagen ist humanes rekombinantes Pentraxin-2, ein endogenes Plasmaprotein, in Entwicklung. Diese Substanz inhibiert die Differenzierung von Monozyten zu proinflammatorischen und profibrotischen Makrophagen. In einer doppelblind randomisierten und plazebokontrollierten Phase-II-Studie bewirkte Pentraxin-2 eine signifikante Verringerung des FVC-Abfalls und eine Beibehaltung der Strecke im 6-Minuten-Gehtest (–0,5 m) nach 28 Wochen, während die Strecke sich unter Plazebo signifikant verringerte (–31,8 m). Die häufigsten Nebenwirkungen in der Verumgruppe waren Husten (18%), Fatigue (17%) und Nasopharyngitis (16%) (4). Diese ermutigenden Resultate müssen nun in der laufenden Phase-III-Studie (n = 685) bestätigt werden. Erste Resultate könnten Mitte 2023 erwartet werden, so Hostettler.
20 CongressSelection Kardiologie | Pneumologie | August 2021
SGP
Auf der Ebene des Lungenmikrobioms ist bekannt, dass eine Dysbiose beziehungsweise eine erhöhte Bakterienzahl und/oder eine verminderte Bakteriendiversität mit einer Krankheitsprogression bei der IPF und einer erhöhten Mortalität verbunden ist (5). Ein antimikrobieller Therapieversuch mit Doxycyclin oder Cotrimoxazol brachte allerdings nicht den erhofften Nutzen, die Studie wurde wegen fehlender Wirkung vorzeitig beendet (6). Auf der Ebene der zellulären Abwehr könnte die B-Zell-Depletion mit dem monoklonalen Antikörper Rituximab gegen das CD20-Oberflächenantigen eine Option sein. Eine retrospektive Datenanalyse zeigte bei Patienten mit schwerer therapieresistenter, interstitieller Nicht-IPF-Lungenerkrankung einen FVC-Anstieg 6 bis 12 Monate nach Rituximabgabe (7). Momentan werde eine Phase-II-Studie mit Rituximab bei IPF-Patienten durchgeführt, auf deren Resultate man gespannt warte, so Hostettler. Ianalumab ist ein weiterer monoklonaler Antikörper, der den B-Cell-Activating-Factor-(BAFF-)Rezeptor, der bei IPF-Patienten in Blut und Lunge erhöht ist, hemmt. Er wird zurzeit ebenfalls in einer Phase-II-Studie getestet.
Nebenwirkungen, insbesondere Diarrhö, die mit einer sym-
ptomatischen Therapie mit Antidiarrhoika abgemildert
werden können. Bei Persistenz empfiehlt sich eine Dosisre-
duktion. Die Leberenzyme und das Bilirubin sollten regel-
mässig kontrolliert werden, und vor geplanten Operationen
empfiehlt es sich, wegen erhöhten Blutungsrisikos Ninteda-
nib zu pausieren.
Die IPF bleibt aber auch in naher Zukunft weiterhin unheil-
bar. Wichtig wird es sein, die Progression durch Kombination
verschiedener Wirkmechanismen weiter zu verlangsamen
und die Symptomatik zu verbessern. Nicht pharmakologische
Massnahmen wie die Sauerstoffgabe und die Lungenrehabili-
tation bleiben eine wichtige Unterstützung. Die Lungentrans-
plantation als Ultima Ratio sollte bei IPF-Patienten schon
früh angesprochen und bei Patienten unter 65 Jahren immer
evaluiert werden.
s
Valérie Herzog
Quelle: «New antifibrotic drugs», Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie, 17. bis 18. Juni 2021, virtuell.
Pirfenidon und Nintedanib
Zurzeit verfügbar und für die Therapie der IPF zugelassen sind Pirfenidon und Nintedanib. Pirfenidon antagonisiert den profibrotischen Wachstumsfaktor TGF-b und bewirkte in der Zulassungsstudie ASCEND einen signifikant geringeren Abfall der FVC im Vergleich zu Plazebo (8). Mit einer erhöhten Fotosensibilität, die Sonnenschutzmassnahmen notwendig macht, sowie gastrointestinalen Nebenwirkungen, wie Übelkeit, Appetitlosigkeit, Sodbrennen und Erbrechen, ist zu rechnen. Die gastrointestinalen Nebenwirkungen können mit Prokinetika abgemildert werden. Ist das nicht ausreichend, ist eine Reduktion der Pirfenidondosis empfohlen (9). Bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz (GFR < 30), schwerer Leberfunktionsstörung (ChildPugh C) und mit gleichzeitiger Fluvoxamintherapie ist Pirfenidon kontraindiziert. Nintedanib ist ein oraler Tyrosinkinaseinhibitor. Er blockiert unter anderem die Rezeptoren für den Fibroblast Growth Factor (FGF), den Platelet-Derived Growth Factor (PDGF) und den Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) und hemmt damit die Proliferation von Fibroblasten und deren Matrixproduktion (10). In den Zulassungsstudien (INPULSIS) verringerte sich der FVC-Abfall im Vergleich zu Plazebo nach 52 Wochen signifikant (11). Unter der Nintedanibtherapie kommt es zu gastrointestinalen
Referenzen: 1. Lederer DJ et al.: Idiopathic Pulmonary Fibrosis. N Engl J Med.
2018;378(19):1811-1823. 2. Richeldi L et al.: Pamrevlumab, an anti-connective tissue growth
factor therapy, for idiopathic pulmonary fibrosis (PRAISE): a phase 2, randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet Respir Med. 2020;8(1):25-33. 3. Khalil N et al.: Phase 2 clinical trial of PBI-4050 in patients with idiopathic pulmonary fibrosis. Eur Respir J. 2019;53(3):1800663. 4. Raghu G et al.: Effect of recombinant human pentraxin 2 vs placebo on change in forced vital capacity in patients with idiopathic pulmonary fibrosis: a randomized clinical trial. JAMA. 2018;319(22):2299-2307. 5. Han MK et al.: Lung microbiome and disease progression in idiopathic pulmonary fibrosis: an analysis of the COMET study (published correction appears in Lancet Respir Med. 2014 Aug;2[8]:e14). Lancet Respir Med. 2014;2(7):548-556. 6. Martinez FJ et al.: Effect of antimicrobial therapy on respiratory hospitalization or death in adults with idiopathic pulmonary fibrosis: the CleanUP-IPF randomized clinical trial. JAMA. 2021;325(18):1841-1851. 7. Keir GJ et al.: Rituximab in severe, treatment-refractory interstitial lung disease. Respirology. 2014;19(3):353-359. 8. King TE Jr. et al.: A phase 3 trial of pirfenidone in patients with idiopathic pulmonary fibrosis. N Engl J Med. 2014;370(22):2083-2092. 9. Costabel U et al.: Pirfenidone in idiopathic pulmonary fibrosis: expert panel discussion on the management of drug-related adverse events. Advances in therapy. 2014;31(4):375-391. 10. Hostettler K: Idiopathische Lungefibrose. Swiss Medical Forum. 2017;17(50):1115–1123. 11. Richeldi L et al.: Efficacy and safety of nintedanib in idiopathic pulmonary fibrosis. N Engl J Med. 2014;370(22):2071-2082.
22 CongressSelection Kardiologie | Pneumologie | August 2021