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Nach dekompensierter Herzinsuffizienz
Noch im Spital mit Training beginnen, lohnt sich
ACC
Bei Patienten, die infolge einer akut dekompensierten Herzinsuffizienz in Spitalpflege sind, kann ein früh beginnendes Gleichgewichts-, Kraft- und Mobilitätstraining die Lebensqualität nach Spitalentlassung erheblich steigern. Das zeigte die am virtuellen Jahreskongress des American College of Cardiology (ACC) präsentierte REHAB-HF-Studie.
Foto: ACC
Eine akut dekompensierte Herzinsuffizienz ist
bei älteren Menschen der häufigste Grund für
eine Spitaleinweisung. Den Patienten geht es
allerdings auch nach der Spitalentlassung
schlecht. Häufig sind sie gebrechlich (frail),
haben eine schlechte Lebensqualität, erholen
sich nur zögerlich und müssen häufig nach kur-
zer Zeit rehospitalisiert werden. Nicht selten
ihre selbstständige Lebensweise aufgeben.
Prof. Dalane Kitzman
Pharmakologische Therapien haben in zahlreichen Studien keinen positiven Effekt zeigen
können. Das weise darauf hin, dass man bis jetzt vermutlich
einen wichtigen Faktor, der zu diesem schlechten Verlauf bei-
trage, übersehen habe, erklärte Studienleiter Prof. Dalane
Kitzman, Kardiologie und Geriatrie, Wake Forest School of
Medicine, Winston-Salem (USA). Einer dieser Faktoren
könnte die physische Schwäche sein, die im üblichen Spital-
behandlungskonzept nicht berücksichtigt wird. In einer Un-
tersuchung stellte er fest, dass hospitalisierte Herzinsuffizi-
enzpatienten nicht nur eine schlechte körperliche Ausdauer
hatten, sondern auch bei Gleichgewicht, Mobilität und Kraft
grosse Defizite aufwiesen, was vermehrt zu Unfällen in den
Rehabilitationsprogrammen, die auf Ausdauer ausgelegt
sind, führte. Fast alle dieser Patienten galten als nahezu oder
ganz gebrechlich (frail oder prefrail). Diese Schwäche bei ge-
brechlichen Patienten demzufolge noch im Spital mit einem
Gleichgewichts-, Mobilitäts- und Krafttraining anzugehen,
Quelle:
könnte deshalb etwas bringen. Wie gross der Effekt eines
«Late-break-session I», Jahreskongress des American College of Cardiology, 15. bis
solchen Trainings ausfällt und wie lang er anhält, war Fragestellung der REHAB-HF-Studie. Das Ziel dabei war es, Gleichgewicht, Mobilität und Kraft zu verbessern und so
17. Mai 2021, virtuell.
indirekt den Nutzen von häufig anschliessenden, meist auf
Referenz: Kitzman DW, Whellan DJ, Duncan P, et al.: Physical Rehabilitation for Older Patients Hospitalized for Heart Failure. N Engl J Med. 2021 May 16; online ahead of print. doi:10.1056/ NEJMoa2026141.
Ausdauer ausgerichteten Rehabilitationsprogrammen zu verstärken und damit auch die Unfallgefahr zu verringern. In die Studie wurden 349 hospitalisierte Herzinsuffizienzpatienten aus verschiedenen Spitälern nach klinischer Stabilisierung ihrer akuten Dekompensation aufgenommen. Die Patienten waren zwischen 60 und 99 Jahre alt, etwa zur Hälfte Frauen, und etwa die Hälfte hatte eine Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF). Die Teilnehmer erhielten 3-mal pro Woche ein individuell angepasstes Training, das
nach Möglichkeit noch im Spital begann und nach ihrer Entlassung insgesamt 12 Wochen fortgesetzt wurde. Dabei interessierte primär das Ausmass der Verbesserung der physischen Funktionen nach 3 Monaten, gemessen mit der Short Physical Performance Battery (SPPB), einem Parameter für die Unterkörpermuskelfunktion. Als sekundärer Endpunkt galt die Anzahl der Rehospitalisierungen nach 6 Monaten im Vergleich zu Patienten mit Standardbehandlung.
12 Wochen machen einen Unterschied
Nach 3 Monaten zeigte das Training Wirkung: Im Vergleich zur Kontrollgruppe verbesserte sich die Punktzahl in der SPPB mit der Intervention im Vergleich zur Standardbehandlung signifikant um 1,6 Punkte, und zwar unabhängig von der Art der Herzinsuffizienz. Eine klinisch relevante Veränderung ist ab einer Veränderung von 0,5 Punkten sichtbar. Auch in weiteren Tests waren die Unterschiede signifikant: Im 6-Minuten-Gehtest konnten die Patienten der Interventionsgruppe 34 Meter mehr zurücklegen als die Patienten mit Standardbehandlung, und im Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire (KCCQ) zur Beurteilung von Sozialfunktion, Selbstwirksamkeit und Lebensqualität stieg der Score um 7 Punkte. Zudem scheint, dass die Patienten mit dem besseren Zustand auch glücklicher sind, was sich in den positiven Resultaten in der Geriatric Depression Scale niedergeschlagen hat. Die Adhärenz war ausgezeichnet, nach 6 Monaten absolvierten immer noch 83 Prozent der Teilnehmer ihre Übungen. Der zweite Endpunkt, die Rehospitalisierungsrate nach 6 Monaten, wurde jedoch nicht signifikant beeinflusst. In der Interventionsgruppe mussten sich 194 Patienten (vs. 213 in der Kontrollgrupe) aus irgendeinem Grund wieder in Spitalpflege begeben, davon 94 beziehungsweise 110 infolge Verschlechterung der Herzinsuffizienz. Die Studie sei nicht gross genug, um die klinischen Ereignisse, die zu den Rehospitalisierungen geführt hätten, zu unterscheiden. Doch durch die verbesserte physische Funktion habe die Lebensqualität für die Patienten zugenommen, was diese sehr schätzten, so Kitzman abschliessend. Die Studie erschien gleichzeitig mit ihrer Präsentation im «New England Journal of Medicine». s
Valérie Herzog
CongressSelection Kardiologie | Pneumologie | August 2021
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