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Ticagrelor oder Clopidogrel bei älteren Personen?
Welcher Plättchenhemmer sich nach der Spitalentlassung in-
folge Herzinfarkt bei über 80-jährigen Patienten besser eig-
net, analysierte Dr. Karolina Szummer, Stockholm, anhand
der SWEDEHEART-Registerdaten. 60,2 Prozent der 14 005
Patienten wurden mit ASS und Clopidogrel aus dem Spital
nach Hause entlassen, 39,8 Prozent mit ASS und Ticagrelor.
Beim primären Endpunkt Reinfarkt, Hirnschlag oder Tod
unterschieden sich die beiden Regimes nicht. Bei einzelner
Betrachtung dagegen war Ticagrelor mit einem 20 Prozent
tieferen Herzinfarktrisiko und einem um 28 Prozent tieferen
Risiko für Hirnschlag assoziiert, jedoch mit einem um 17 Pro-
zent höheren Risiko für Tod. Das Blutungsrisiko war unter
Ticagrelor ebenfalls um 48 Prozent höher als unter Clopidog-
rel.
Eine Analyse der Daten der unter 80-jährigen Patienten aus
dem Register zeigte für Ticagrelor eine 17-prozentige Reduk-
tion beim primären ischämischen Endpunkt. Das Risiko
für Herzinfarkt, Hirnschlag und Tod war ebenfalls reduziert
(18 bzw. 18 bzw. 15%). Jedoch war das Blutungsrisiko um
32 Prozent höher als unter Clopidogrel.
Diese Gegenüberstellung zeige, dass das Outcome bei diesen
beiden Plättchenhemmern bei jungen und alten Patienten
unterschiedlich sein könne. Eine randomisierte Studie würde
Klarheit beim Einsatz von Ticagrelor bei älteren Patienten
bringen.
vh
Quelle: Szummer K et al.: Ticagrelor and clopidogrel in elderly with acute coronary syndrome. Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 28. August bis 2. September 2020, virtuell.
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Motivieren Sie den Partner!
Nach einem Herzinfarkt sind viele Patienten angehalten, ihre Lebensweise umzustellen, vor allem etwas Gewicht zu verlieren. Wenn der Lebenspartner bei der Umstellung mitmacht, stehen die Chancen für eine effektive Reinfarktprävention besser. Das zeigte eine Auswertung der RESPONSE-2-Studie, an der 411 Postinfarktpatienten zusätzlich zur standardmässigen Nachsorge an einem Programm zur Lebensstilmodifikation mit Gewichtsreduktion, Bewegung und Rauchstopp teilnahmen. Die Lebenspartner wurden eingeladen, kostenlos mitzumachen, was etwa die Hälfte (48%) tat. Nach einem Jahr zeigte sich, dass die Patienten mit den Partnern, die ebenfalls mitmachten, mehr als doppelt so oft Verbesserungen in mindestens einem Interventionsbereich erreichen konnten als jene, die das Programm ohne Partner absolvierten. Vor allem im Bereich Gewichtsreduktion waren jene mit
häuslicher Unterstützung erfolgreicher als diejenigen, die das
Programm allein bestritten. Paare hätten oft einen ähnlichen
Lebenswandel, so die Studienleiterin Lotte Verweij von der
Amsterdam University of Applied Sciences (NL). Lebensge-
wohnheiten umzustellen, sei schwierig und falle leichter,
wenn noch jemand mitmache. Das betreffe sowohl das Ein-
kaufen als auch die Motivation zum Durchhalten.
vh
Quelle: Verweij L et al.: The influence of partners on lifestyle-related risk factors in patients after an acute coronary syndrome. Results from the RESPONSE-2 randomized controlled trial. Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 28. August bis 2. September 2020, virtuell.
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Hypertoniebehandlung
gegen die erektile Dysfunktion
Männer mit unbehandelter Hypertonie haben doppelt so
häufig einen geringeren penilen Blutfluss und Erektionsstö-
rungen als Männer mit normalem Blutdruck. Eine Hyperto-
niebehandlung lässt diesen Unterschied verschwinden, wie
eine Kohortenstudie zeigte. Dabei wurden 365 Männer mit
erektiler Dysfunktion (ED), aber ohne Diabetes oder kardio-
vaskulärer Vorerkrankung in drei Blutdruckgruppen einge-
teilt: normal, hoch normal und hypertensiv. 164 (46%) von
ihnen wurden antihypertensiv behandelt. Mittels penilem
Farbdopplerultraschall wurde der penile Blutfluss gemessen,
bei einer Geschwindigkeit unter 25 cm/s galt er als einge-
schränkt.
Bei den Männern ohne Hypertoniebehandlung sank die pe-
nile Blutflussgeschwindigkeit mit steigendem Blutdruck, das
heisst, bei normalem Blutdruck floss das Blut am schnellsten.
Bei den Männern mit antihypertensiver Therapie war dage-
gen kein Unterschied bei der Blutflussgeschwindigkeit zwi-
schen den Blutdruckkategorien zu beobachten. Diese Ergeb-
nisse implizierten, dass die Hypertonie mit der Zeit auch zu
signifikanten Veränderungen der Penisblutgefässe führen
könne, so Studienleiter Prof. Charalambos Vlachopoulos,
National and Kapodistrian University of Athens (GR). Weil
die Unterschiede mit einer antihypertensiven Therapie ver-
schwinden, kann man davon ausgehen, dass die Therapie
den penilen Blutfluss nicht weiter reduziert. Männer mit un-
behandelter Hypertonie würden also von einer Therapie pro-
fitieren. Doch eigneten sich nicht alle Antihypertonika dazu:
Diuretika und Betablocker könnten die Sexualfunktion be-
einträchtigen, so Vlachopoulos abschliessend.
vh
Quelle: Vlachopoulos C et al.: Association between office blood pressure, antihypertensive medication use and male sexual dysfunction: A penile Doppler study. Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 28. August bis 2. September 2020, virtuell.
18 CongressSelection Kardiologie | Diabetologie | Pneumologie | Dezember 2020
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Impfungen gegen respiratorische Infekte senken Herzinsuffizienztodesrate
Dass respiratorische Infekte die Herzinsuffizienz verschlimmern können, ist bekannt. Inwiefern eine Impfung das Risiko für einen herzinsuffizienzbedingten Tod bei hospitalisierten Patienten verringern kann, untersuchte eine retrospektive Studie anhand der Daten von knapp 3 Millionen hospitalisierten amerikanischen, durchschnittlich 70-jährigen Patienten mit Herzinsuffizienz. 1,4 Prozent der Herzinsuffizienzpatienten waren gegen Grippe und 1,4 Prozent gegen Pneumokokken geimpft. Die Forscher verglichen die Spitalsterblichkeit der im gleichen Jahr Geimpften mit den Nichtgeimpften. Die Mortalitätsrate bei den Patienten mit einer Grippeimpfung war im Ergebnis signifikant tiefer als jene bei den Patienten ohne Influenzaimpfung (1,3 vs. 3,6%), ein ähnliches Bild zeigte sich bei gegen Pneumonie vakzinierten Patienten, hier lag die Spitalsterblichkeit bei 1,2 vs. 3,6%. Patienten mit Herzinsuffizienz sollten demnach eigentlich jedes Jahr konsequent gegen diese respiratorischen Erkrankungen immunisiert werden, die Realität sehe aber leider anders aus, so das Fazit des Studienleiters. Doch könnte sich die Einstellung gegenüber solchen Impfungen durch die Coronapandemie ändern.
Quelle: Gonuguntla K et al.: Impact of influenza and pneumococcal vaccines upon in-hospital mortality in patients with heart failure: a retrospective cohort study in the United States. Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 28. August bis 2. September 2020, virtuell.
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Welche Lungenemboliepatienten ambulant behandelt werden können
Das Risiko für akute Lungenembolien steigt mit dem Alter, bei Krebserkrankungen, Bettlägerigkeit und nach chirurgischen Eingriffen. Die häufigsten Symptome für einen derartigen Pulmonalarterienverschluss sind akute Dyspnoe und Thoraxschmerzen. Abgesehen von hämodynamisch instabilen Patienten besteht die Therapie hauptsächlich aus einer Antikoagulation, mit dem Ziel, ein Rezidiv zu verhindern und die natürliche Fibrinolyse zu ermöglichen. Von einer generellen Hospitalisierung ist man in den letzten Jahren abgekommen, denn das Blutungsrisiko ist bei hämodynamisch stabilen Patienten gering. Welche Triagemethode sich für die Entscheidung zur Heimbehandlung besser eignet, wurde bislang kontrovers diskutiert. Die europäischen Guidelines empfehlen für die Risikoeinschätzung der Gesamtsterblichkeit den Pulmonary-Embolism-Severity-Index-(PESI-)Score oder den simplified PESI-(sPESI-)Score (sPESI) (1). Patienten mit einem sPESI-Score von 0 können zu Hause behandelt werden. Die amerikanischen Guidelines bevorzugen dagegen die HESTIA-Kriterien (2). Die am ESC-Kongress von Prof. Pierre-Marie Roy, Universitätsspital Angers (F), präsentierte HOME-PE-Studie verglich nun die beiden Methoden zur Triage von Lungenemboliepatienten für die ambulante Therapie. Die randomisierte, offene Nichtunterlegenheitsstudie wurde in 26 Spitälern in Belgien, Frankreich, den Nieder-
landen und in der Schweiz mit gesamthaft 1974 normotonen Patienten durchgeführt, die sich mit einer akuten Lungenembolie auf der Notfallstation präsentierten. In die sPESIGruppe randomisierte Patienten mit einem Score von 0 wurden ambulant behandelt, Patienten mit darüber liegenden Scores wurden hospitalisiert. In der HESTIA-Gruppe mussten für eine ambulante Behandlung alle 11 Kriterien negativ sein. Als primärer Endpunkt war die Kombination aus einer venösen Thromboembolie, einer schweren Blutung und der Gesamtsterblichkeit innerhalb von 30 Tagen definiert. Es zeigte sich, dass die beiden Triagemethoden gleich gut waren: Die HESTIA-Kriterien waren dem sSPESI-Score nicht unterlegen. Das Ergebnis dieser Untersuchung zeige, dass der Arzt frei sei, jene Triagemethode anzuwenden, die ihm besser liege. Mit beiden Methoden liessen sich über ein Drittel der Lungenemboliepatienten ambulant behandeln, so das Fazit des Studenleiters.
Quelle: Roy PM et al.: Hospitalization or outpatient management of patients with acute pulmonary embolism – HESTIA versus simplified PESI: an international multicentre randomized controlled study (HOME-PE study). Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 28. August bis 2. September 2020, virtuell.
Referenzen: 1. Konstantinides SV et al.: 2019 ESC Guidelines for the diagnosis and management of acute pulmonary embolism developed in collaboration with the European Respiratory Society (ERS). Eur Heart J. 2020;41:543–603. 2. Kearon C et al.: Antithrombotic Therapy for VTE Disease: CHEST Guideline and Expert Panel Report. Chest. 2016;149:315–352.
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Mittagsschläfchen doch ungesund?
Sich tagsüber für ein Nickerchen hinzulegen, gilt im Allge-
meinen als gesunde Gewohnheit. Doch entscheidet die Länge
des Tagesschlafs darüber, ob er wirklich Gutes tut. Eine Stu-
die, die am ESC-Kongress vorgestellt wurde, hatte Daten von
über 300 000 Teilnehmern aus über 20 Studien zusammen-
getragen. Darunter hielten knapp 40 Prozent der Teilnehmer
tagsüber eine Siesta ab. Bei der Analyse zeigte sich, dass eine
Schlafdauer von mehr als 60 Minuten im Vergleich zu kei-
nem Tagesschlaf mit einem 30 Prozent höheren Risiko für
Gesamtsterblichkeit und für kardiovaskuläre Erkrankungen
verbunden ist, das bei jenen, die nachts mehr als 6 Stunden
schliefen. Kurze Nickerchen unter einer Stunde erhöhten das
Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen dagegen nicht.
Insgesamt stand der Tagesschlaf jeglicher Länge im Vergleich
zu keinem Tagesschlaf aber mit einem erhöhten Mortalitäts-
risiko um 19 Prozent in Zusammenhang, vor allem bei
Frauen (22%) und älteren Menschen (17%).
Warum ein Tagesschlaf die Gesundheit negativ beeinflussen
könne, sei nicht klar. Eine kurze Siesta unter einer Stunde
dürfte aber für Menschen, die nachts nicht genügend schlie-
fen, risikolos sein, so das Fazit des Studienleiters Dr. Zhe Pan
von der Guangzhou Medical University, China.
vh
Quelle: Pan Z et al.: The association between napping and the risk of cardiovascular disease and all-cause mortality: a systematic review and dose-response metaanalysis. Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 28. August bis 2. September 2020, virtuell.
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