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Kongressnews
Achtung Sturzrisiko!
Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes haben nicht nur
ein Blutzuckerproblem, sondern sie scheinen auch sturzge-
fährdeter zu sein als die Normalbevölkerung. Eine Forscher-
gruppe um Nicklas Rasmussen vom Steno Diabetes Center
und North Jutland Aalborg Universitätsspital Aalborg (DK),
analysierte dänische Registerdaten von 12 975 Diabetikern
vom Typ 1 und von 407 0 99 vom Typ 2 hinsichtlich der
Sturzinzidenz und der sturzbedingten Verletzungen. Dabei
zeigte sich bei Typ-1-Diabetikern ein gegenüber der Gesamt-
bevölkerung erhöhtes Sturzrisiko um 33 Prozent, bei
Typ-2-Diabetikern war es um 19 Prozent erhöht. Die kumu-
lative Inzidenz von Stürzen mit Hospitalisierungsfolge lag bei
13 respektive 12 Prozent. Verglichen mit der Normalbevöl-
kerung, hatten die Diabetiker auch eine erhöhte Frakturinzi-
denz an Hüfte und Femur (11% Typ 1 bzw. 2% Typ 2),
Schulter (24% Typ 2), Radius (39% Typ 2) und Schädel
(15% Typ 2).
Weibliches Geschlecht, Einnahme von selektiven Seroto-
nin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) infolge Depression,
Opioide und Alkoholabusus erwiesen sich als Risikofaktoren
für Stürze bei Diabetespatienten. Diese seien eigentlich mehr-
heitlich modifizierbar, sodass man bei der Therapiezusam-
menstellung mehr darauf achten könne, so der Vorschlag der
Autoren.
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Quelle: Rasmussen N et al.: Increased risk of falls, fall-related injuries and fractures in people with type 1 and type 2 diabetes compared with the general population: a nationwide cohort study. Poster 279, präsentiert am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 21. bis 25. September 2020, virtuell.
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Rheumapatienten auf Diabetes screenen
Patienten mit Rheumatoider Arthritis haben ein erhöhtes
Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Möglicherweise
stehen beide Erkrankungen mit einer systemischen Entzün-
dungsantwort des Körpers in Verbindung. Denn beim
Typ-2-Diabetes ist die Entzündung ein Schlüsselfaktor für
dessen Entwicklung und Progression, ebenso bei der Rheu-
matoiden Arthritis, die eine autoimmune entzündliche Er-
krankung ist. Bei der Analyse von Kohortenstudien (n > 1,6
Mio.), die die Diabetes-Erkrankungsinzidenz von Patienten
mit Rheumatoider Arthritis mit jener der Gesamtbevölke-
rung verglichen, zeigte sich bei den Rheumapatienten ein um
23 Prozent höheres Risiko. Deshalb schlagen die Autoren
vor, Patienten mit Rheumatoider Arthritis intensiver auf Dia-
betes zu screenen.
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Quelle: Tian Z et al.: The relation between rheumatoid arthritis and diabetes incidence: a systematic review and meta-analysis. Poster 271, präsentiert am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 21. bis 25. September 2020, virtuell.
«Schwitzen» verlängert Diabetikerleben
Sportliche Betätigung hat mehrere Vorteile: Sie verbessert die
Insulinsensitivität, reduziert das kardiovaskuläre Risiko und
unterdrückt die Zytokinausschüttung, die eine Entzündungs-
antwort triggert. Doch erklärt das noch nicht den Effekt von
Sport auf die Gesamtsterblichkeit bei Typ-2-Diabetes. Eine
diesbezügliche Analyse von Daten aus regelmässigen natio-
nalen Befragungen zu Gesundheit und sportlichen Aktivitä-
ten und zu Komorbiditäten aus der nationalen Krankenver-
sicherung in Taiwan wollte dem Phänomen auf den Grund
gehen. Insgesamt wurden 4859 erwachsene Typ-2-Diabeti-
ker während 16 Jahren (von 2000 bis 2016) nachverfolgt.
Die Hälfte von ihnen war weiblich, das Durchschnittsalter
lag bei 59 Jahren. Es stellte sich heraus, dass jene mit einer
höheren Leistungskapazität ein tieferes Risiko für Gesamt-
sterblichkeit aufwiesen, verglichen mit jenen, die nichts
machten. Eine moderate Aktivität, definiert als eine Verbren-
nung von bis zu 800 kcal/pro Woche, resultierte in einer
Mortalitätsreduktion um 25 Prozent, wer mehr verbrannte,
senkte seine Rate um 32 Prozent. Die exakte Dosis von Sport
zur Lebensverlängerung von Typ-2-Diabetikern muss nun in
weiteren Studien evaluiert werden.
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Quelle: Lai YJ: Association between exercise capacity and all-cause mortality in people with type 2 diabetes. Poster 267, präsentiert am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 21. bis 25. September 2020, virtuell.
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Mit Tränenflüssigkeit den Blutzucker
kontrollieren
Die nicht invasive Blutzuckermessung ist heiss umforscht. In
der Vergangenheit gab es immer wieder dahingehende Sensa-
tionsmeldungen, die später relativiert werden mussten. Am
diesjährigen EASD-Kongress präsentierten japanische For-
scher eine Studie, wonach der Blutzucker in der Tränenflüs-
sigkeit indirekt messbar sei. In der aktuellen Studie, an der
100 Diabetiker mitmachten, zeigte sich, dass der in der
Tränenflüssigkeit messbare Glykoalbuminspiegel mit dem
durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der vorangegangenen
2 Wochen signifikant korreliert, auch nach Korrektur für
Alter, Geschlecht, Nierenfunktion und Adipositas. Weil der
Glykoalbuminspiegel als Verhältnis ausgedrückt werde, sollte
der Verdünnungsgrad in der Tränenflüssigkeit keine Rolle
spielen, betonen die Autoren. Weitere Forschungen sind nun
geplant, auch hinsichtlich möglicher Messgeräte.
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Quelle: Aihara M et al.: Development of noninvasive diabetes monitoring method using tear samples. Poster 644, präsentiert am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 21. bis 25. September 2020, virtuell.
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30 CongressSelection Kardiologie | Diabetologie | Pneumologie | Dezember 2020
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Lebenserwartung mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes unterschiedlich verkürzt
Eine Studie aus Manchester (UK) legt nahe, dass Patienten mit Typ-1-Diabetes fast 8 Jahre weniger lang leben als Personen aus der Gesamtbevölkerung. Bei Patienten mit Typ-2Diabetes beträgt die Lebenszeitverkürzung 2 Jahre. Das resultiert aus einer Analyse von englischen Daten von über 41 Millionen Patienten aus über 6000 Hausarztpraxen. 217 0 00 Patienten waren als Typ-1-Diabetiker registriert, 2,5 Millionen als Typ-2-Diabetiker. Im angewendeten «lost life years»-Modell errechneten die Forscher bei einem durchschnittlich 42,8 Jahre alten Patienten mit Typ-1-Diabetes eine Lebenserwartung von 75,4 Jahren, im Vergleich zur Gesamtbevölkerung von 83 Jahren. Ein durchschnittlicher 65,4-jähriger Typ-2-Diabetiker wird dagegen gemäss Modellrechnung ein Alter von 84 Jahren erreichen, jemand ohne Typ-2-Diabetes 85,7 Jahre. Die verlorenen Lebensjahre belaufen sich mit Typ-1-Diabetes im Durchschnitt auf 7,6 Jahre, bei Typ-2-Diabetes auf 1,7 Jahre. Aus den Daten geht ausserdem hervor, dass 70 Prozent der Typ-1-Diabetiker und 33 Prozent der Typ-2-Diabetiker zu hohe HbA1cWerte aufweisen (> 58 mmol/mol bzw. > 7,5%), was zu einem schlechteren Verlauf führen kann. Gemäss Modell kann jedes durchlebte Jahr mit einem HbA1c-Wert über dieser Schwelle das Leben um 100 Tage verkürzen. Die Kenntnis dieser Tatsache sollte Ärzte und Patienten zu einer strikten Blutzuckerkontrolle motivieren, so das Fazit der Autoren.vh
Quelle: Stedman M et al.: Estimating life years lost to diabetes: outcomes from analysis of National Diabetes Audit and Office of National Statistics data England. Poster 265, präsentiert am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 21. bis 25. September 2020, virtuell.
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Kardiovaskuläre Risikofaktoren heiss wegbaden!
Frühere Untersuchungen hatten darauf hingewisen, dass eine Hitzetherapie wie beispielsweise das Saunieren oder ein heisses Bad den Blutzucker und den Körperfettanteil verbessert. Ob das auch für Patienten mit Typ-2-Diabetes einen Nutzen bringt, untersuchten japanische Forscher. Dazu befragten sie 1297 Patienten mit Typ-2-Diabetes, die zwischen Oktober 2018 und März 2019 regelmässig zur Kontrolle ins Spital kamen, zu ihren Badegewohnheiten. Nach Bereinigung der Parameter wie Alter, Geschlecht und Medikation zeigte sich Erstaunliches: Mit zunehmender Häufigkeit des heissen Badens verbesserten sich Risikofaktoren wie Körpergewicht, Body-Mass-Index (BMI), Bauchumfang, diastolischer Blutdruck und das HbA1c. In der Gruppe mit mehr als 4-mal wöchentlich heissen Bädern betrug der durchschnittliche HbA1c-Wert 7,1 Prozent und der BMI 25,5 kg/m2. Bei den Teilnehmern, die zwischen 1- und 4-mal pro Woche heiss badeten, lag der HbA1c-Wert im Durchschnitt bei 7,2 Pro-
zent, der BMI bei 26 kg/m2. Jene, die weniger als 1-mal wö-
chentlich heiss badeten, wiesen durchschnittlich einen HbA1cWert von 7,36 Prozent und einen BMI von 26,7 kg/m2 auf.
Ein tägliches heisses Bad beeinflusse den Resultaten zufolge
die kardiovaskulären Risikofaktoren von Patienten mit
Typ-2-Diabetes positiv, so die Schlussfolgerung der Autoren.
Die durchschnittliche Badezeit der japanischen Teilnehmer
betrug übrigens 16 Minuten, bei einer Häufigkeit von 4,2-mal
pro Woche.
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Quelle: Katsuyama H et al.: Daily heat exposure for type 2 diabetes. Poster 342, präsentiert am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 21. bis 25. September 2020, virtuell.
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3 × 10 Minuten Intervalltraining pro Woche
steigert Insulinsensitivität
Während typische aerobe Ausdauersportarten wie Joggen
nur eine bescheidene Verbesserung (10–20%) der Insulin-
sensitivität bewirken, sind Hochintensitätsintervalltrainings
(HIIT) mit kurzen und intensiven anaeroben Sequenzen und
weniger anstrengenden Erholungsphasen dazwischen effek-
tiver. Das zeigte eine dänische HIIT-Studie mit 48 Männern.
15 davon litten an Typ-2-Diabetes und waren adipös mit
einem durchschnittlichen BMI von 31 kg/m2. 15 Männer
hatten keinen Diabetes, waren aber adipös (BMI 31 kg/m2).
18 Männer hatten weder Diabetes noch Übergewicht.
Die Teilnehmer durchliefen während 8 Wochen ein 3-mal
wöchentliches HIIT-Training, das Rudern und Radfahren
miteinander kombinierte. Das Training bestand aus 5 × 1-Mi-
nuten-Intensiveinheiten mit einer jeweils 1 Minute dauern-
den Erholungphase. In den Trainingsblöcken wurde ab-
wechslungsweise gerudert oder Rad gefahren, gestartet
wurde mit 2 Blöcken pro Woche mit kontinuierlicher Steige-
rung bis zu 5 Blöcken pro Woche.
Die Männer mit Typ-2-Diabetes wiesen zu Beginn eine um
35 bis 37 Prozent tiefere Insulinsensitivität auf als jene ohne
Diabetes. Nach 8 Wochen Training war die Insulinsensitivi-
tät bei allen Teilnehmern stark verbessert: Bei den schlanken
wie auch bei den adipösen Nichtdiabetikern stieg sie um
durchschnittlich 32 bis 37 Prozent, bei jenen mit Typ-2-Dia-
betes um 44 Prozent. Ausserdem war die Körperfettmasse in
allen 3 Gruppen um 1,6 bis 2,3 kg gesunken, die fettfreie
Masse nahm bei den Adipösen mit und ohne Diabetes um 0,9
bis 1,5 kg zu. Die maximale Sauerstoffaufnahme stieg über-
dies bei allen Teilnehmern an, um je 10 Prozent bei den
schlanken und adipösen Gesunden und um 15 Prozent bei
jenen mit Typ-2-Diabetes.
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Quelle: Katsuyama H et al.: Daily heat exposure for type 2 diabetes. Poster 342, präsentiert am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 21. bis 25. September 2020, virtuell.
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