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Osteoporose
Was gibt es Neues in der Therapie?
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Das mittlerweile zugelassene Biologikum Romosozumab (Evenity®) könnte in naher Zukunft die Palette der in der Osteoporosetherapie verfügbaren Substanzen um eine sowohl antiresorptiv als auch osteoanabol wirksame Option erweitern. Erfahrungen im klinischen Alltag bleiben abzuwarten.
Romosozumab, ein Antikörper gegen Sklerostin, ist in der Schweiz seit August 2020 zur Therapie der schweren Osteoporose bei postmenopausalen Frauen zugelassen. Das neue Biologikum erweitert die Auswahl an therapeutischen Optionen in dieser Indikation. Zuvor waren vier resorptionshemmende Substanzen bzw. Substanzgruppen verfügbar, nämlich • Östrogene • selektive Östrogenrezeptormodulatoren (SERM) • Bisphophonate sowie • der RANKL-Inhibitor Denosumab. Als einzige osteoanabole Substanz ist das PTH-Analogon Teriparatid zugelassen. Da die Verwendung von Teriparatid auf 2 Jahre begrenzt sei, bedeute die Zulassung von Romosozumab eine wichtige Erweiterung der osteoanabolen Therapiemöglichkeiten, so KD Dr. med. Diana Frey von der Klinik für Rheumatologie am Universitätsspital Zürich. Zusätzlich hat Romosozumab auch eine antiresorptive Komponente.
Romosozumab: Signifikante Zunahmen der Knochendichte
Die Funktion von Sklerostin wurde im Rahmen der Erforschung seltener genetischer Erkrankungen beschrieben. Veränderungen im SOST-Gen führen bei der Sklerosteose oder bei der Van-Buchem-Krankheit zu erniedrigten Sklerostin-Spiegeln, zu einer extrem hohen Knochendichte und zu Osteosklerose – bis zu Syndaktylie und Deformationen des Schädels. Sklerostin wird von Osteozyten exprimiert und inhibiert die Knochenneubildung, indem es über den WntSignalweg die Bildung von Osteoblasten hemmt. Gleichzeitig fördert Sklerostin auch RANKL und damit die Bildung von Osteoklasten und die Knochenresorption. Die Hemmung von Sklerostin durch den Antikörper Romosozumab fördert deshalb die Neubildung von Knochen und bremst gleichzeitig dessen Resorption. Diese Wirkungen konnten zunächst in mechanistischen Untersuchungen bestätigt werden. Unter der Therapie mit Romosozumab steigt P1NP, ein Marker für die Knochenneubildung, stark an, während Beta-CTX, ein Marker für die Knochenresorption, abfällt (1). Allerdings normalisieren sich diese Marker innerhalb von 12 Monaten, weshalb die Behandlungszeit mit Romosozumab auf insgesamt 1 Jahr begrenzt ist.
Klinisch wurde Romosozumab in vier grossen Studien untersucht. In der Studie FRAME wurde Romosozumab in einem Kollektiv nicht vorbehandelter Patientinnen über 12 Monate mit Plazebo verglichen. Danach wurde die Behandlung mit Denosumab fortgesetzt. Die Studie ARCH verglich Romosozumab ebenfalls über 12 Monate mit Alendronat, nach 12 Monaten erhielten die Patientinnen beider Studienarme Alendronat. Endpunkte dieser beiden doppelblinden Studien waren Frakturen. In der kleineren BRIDGE-Studie wurde Romosozumab ebenfalls mit Plazebo hinsichtlich des Endpunkts Knochendichte verglichen. Die offene Structure-Studie untersuchte schliesslich Romosozumab im Vergleich zu Teriparatid in einem Kollektiv von Männern – ebenfalls in Bezug auf den Endpunkt Knochendichte. Da es keine Frakturstudie mit männlichen Patienten gibt, erhielt Romosozumab auch keine Zulassung für die Behandlung bei Männern. In der FRAME-Studie mit mehr als 7000 Patientinnen erwies sich Romosozumab im Vergleich zu Plazebo als überlegen (2). Der primäre Endpunkt wurde signifikant und sehr deutlich erreicht, das mit einer Risikoreduktion von 63 Prozent nach 12 Monaten im Vergleich zu Plazebo. Ein signifikanter Vorteil war bereits nach 6 Monaten zu sehen. Nach 24 Monaten – also nach einem zweiten Behandlungsjahr, in dem alle Patienten Denosumab erhielten – blieb der Vorteil im Romosozumab-Arm erhalten. Sowohl an der Wirbelsäule als auch an der Hüfte war eine signifikante Zunahme der Knochendichte messbar. Im direkten Vergleich zu Alendronat zeigte sich ein ähnliches Bild. Das Risiko für Wirbelfrakturen war unter Romosozumab nach 12 Monaten signifikant um 37 Prozent reduziert. Nach einem weiteren Jahr Behandlung mit Alendronat in beiden Armen war nach 24 Monaten der Vorteil für die Patienten mit der Romosozumab-Behandlung mit einer Risikoreduktion von 48 Prozent sogar noch deutlicher (3). Zu einer Verzögerung der Zulassung kam es, weil in der ARCH-Studie in der Romosozumab-Gruppe ein Anstieg kardiovaskulärer Ereignisse (2,5 vs. 1,9%) beobachtet wurde. In den plazebokontrollierten Studien trat dieser Effekt nicht auf. Die Hintergründe sind unklar. Jedenfalls gilt deshalb Romosozumab bei Myokardinfarkt oder Schlaganfall in der Anamnese als kontraindiziert. Kieferosteonekrosen wurden nur in Einzelfällen beobachtet, und zwar in einem Fall nach 12 Monaten in der FRAME-Studie und in einem weiteren Fall in der Extensionsphase der FRAME-Studie. In der ARCH-Stu-
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die traten zwei Fälle in der Extensionsphase bei Patientinnen auf, die von Romosozumab auf Alendronat geswitcht hatten. Im Vergleichsarm kam es unter der Therapie mit Alendronat in 24 Monaten zu vier Kieferosteonekrosen. Ebenfalls auf Einzelfälle beschränkt blieben atypische Femurfrakturen. Diskutiert wird die Frage, ob es nach einer Behandlung mit Romosozumab zu einem Rebound-Effekt kommen kann. Dafür sprechen bestimmte Knochenmarker, die nach dem Absetzen der Therapie erhöht sind, bislang jedoch keine klinischen Befunde. In jedem Fall solle aber, so Frey, eine Behandlung mit Romosozumab immer mit einem Antiresorptivum weiterführt werden. Bei der Therapie mit Romosozumab ist auf eine ausreichende Zufuhr von Kalzium und Vitamin D zu achten, was insbesondere bei Patientinnen mit Niereninsuffizienz berücksichtigt werden muss. Eine unkontrollierte Hypokalzämie ist als Kontraindikation zu werten. Romosozumab wird in einer Dosierung von 210 mg einmal pro Monat in Form von zwei am selben Tag mittels Fertigspritzen (à 105 mg) subkutan zu applizierenden Injektionen verabreicht.
Denosumab: Wie mit dem Rebound umgehen?
Gesichert ist das Rebound-Problem mittlerweile für den gegen RANKL gerichteten Antikörper Denosumab (Prolia®). Frey betonte, dass Denosumab über 3 Jahre die Knochendichte erhöhe und das Risiko sowohl für Wirbel- als auch für Nicht-Wirbel-Frakturen senke; über weitere 7 Jahre steige die Knochendichte weiter an, und das Frakturrisiko bleibe gering. Die Frage ist jedoch, was nach einem Absetzen von Denosumab geschieht. Eine mögliche Folge ist ein sogenannter Rebound mit einem Anstieg von Knochenabbaumarkern (Beta-Crosslabs) über den Ausgangswert hinaus, kombiniert mit einer schnellen Abnahme der Knochendichte innerhalb weniger Monate, verbunden mit einem deutlichen Anstieg des Frakturrisikos. Bereits nach 7 Monaten nach der letzten Injektion kann es zu Frakturen kommen. Das führt dazu, dass bereits eine verzögerte Denosumab-Injektion das Frakturrisiko ansteigen lässt. Wie mit diesem Rebound-Effekt umzugehen ist, bleibt Gegenstand der Diskussion. Eine Rolle dürfte dabei die Therapiedauer spielen. So ist mittlerweile bekannt, dass eine einzige Denosumab-Injektion kein Risiko für einen Rebound birgt. Ob eine Therapie über 10 Jahre in dieser Hinsicht
problematischer ist als eine Therapie über 3 Jahre, ist aller-
dings unklar. Ebenso werden mögliche Risikofaktoren und
protektive Faktoren diskutiert. Vorbestehende Wirbelfraktu-
ren kommen ebenso als Risikofaktor infrage wie eine nied-
rige Knochendichte vor Beginn der Therapie mit Denosumab
oder eine weiterhin geringe Knochendichte bei Therapie-
stopp. Keine dieser Annahmen kann als gesichert betrachtet
werden. Im Gegensatz dazu könnte eine Bisphosphonat-
therapie vor Beginn einer Behandlung mit Denosumab einen
protektiven Effekt haben, berichtete Frey.
Nicht zuletzt stellt sich die entscheidende Frage, wie sich der
Rebound verhindern lässt. Man versuche das, so Frey, indem
man bei Absetzen von Denosumab die Therapie mit einem
Bisphosphonat weiterführe. Die Evidenz dazu ist begrenzt.
Eine aktuelle retrospektive Studie mit etwas über 800 Patien-
tinnen in 22 Schweizer Zentren sollte etwas mehr Klarheit in
diese Angelegenheit bringen. Die mittlere Therapiedauer mit
Denosumab betrug 35 Monate. Daten zum Follow-up waren
für durchschnittlich 28 Monate vorhanden. Die Studie zeigte,
dass rund 10 Prozent der Patientinnen nach dem Absetzen
von Denosumab Wirbelfrakturen – und zwar zum Teil in
höherer Zahl – erlitten (4). Das ist ungünstiger, als zuvor er-
wartet worden war. Die Studie bestätigte einige der Hypo-
thesen betreffend Risikofaktoren. Als signifikanter Risiko-
faktor für Wirbelfrakturen nach dem Absetzen erwiesen sich
Wirbelfrakturen vor Beginn der Therapie mit Denosumab.
Auch war bei den Patientinnen, die Frakturen erlitten, die
Knochendichte an der Hüfte, jedoch nicht an der Wirbel-
säule, niedriger als bei den übrigen Patientinnen.
Umgekehrt hatte eine Bisphosphonattherapie nach Absetzen
von Denosumab einen signifikant protektiven Effekt. Damit
sich dieser Effekt entfalten kann, muss das Bisphosphonat
zeitnah nach dem Absetzen von Denosumab verabreicht
werden. Die Dauer der Therapie mit Denosumab und die
Knochendichte vor Beginn der Therapie hatten keinen Ein-
fluss auf das Frakturrisiko nach dem Absetzen. Detaillierte
Empfehlungen für den Switch von Denosumab auf ein Bis-
phosphonat wurden 2019 publiziert (5). Ob zwischen den
verschiedenen Bisphosphonaten in dieser Indikation Unter-
schiede bestehen, ist derzeit unklar.
s
Reno Barth
Quelle: Vortrag «Osteoporose» beim Rheuma Top 2020, online am 27. August 2020.
Referenzen: 1. McClung MR et al.: Effects of 24 Months of Treatment With Romo-
sozumab Followed by 12 Months of Denosumab or Placebo in Postmenopausal Women With Low Bone Mineral Density: A Randomized, Double-Blind, Phase 2, Parallel Group Study. J Bone Miner Res 2018; 33(8): 1397–1406. 2. Cosman F et al.: Romosozumab Treatment in Postmenopausal Women with Osteoporosis. N Engl J Med 2016; 375(16): 1532–1543. 3. Saag KG et al.: Romosozumab or Alendronate for Fracture Prevention in Women with Osteoporosis. N Engl J Med 2017; 377(15): 1417–1427. 4. Burckhardt P et al.: Vertebral fractures before, during and after Denosumab: a retrospective study of 858 cases. ECCEO 2020, OC3. 5. Lamy O et al.: Stopping Denosumab. Curr Osteoporos Rep 2019; 17(1): 8–15.
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