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SGR
COVID-19 bei Rheumapatienten
Vorteile durch Zytokin-Inhibition?
Die Koagulationsmuster bei COVID-19 ähneln denen von immun-mediierten inflammatorischen Erkrankungen (IMID). Neuere, am SGR in Interlaken vorgestellte Studien zeigen, dass eine Immunsuppression bei Rheumapatienten den Krankheitsverlauf möglicherweise positiv beeinflussen kann.
Die klinische Symptomatik einer COVID-19-Erkrankung ist mittlerweile gut bekannt: Lunge, obere Atemwege, Herz und Gefässe, Gehirn, Augen, Niere, Leber, gastrointestinale Symptome – alles kann in Mitleidenschaft gezogen werden (1). «Im Grunde genommen kann der ganze Körper beteiligt sein», erklärte Prof. Paul Hasler vom Kantonsspital Aarau. «Das können milde Symptome sein, wie respiratorische Infekte, Müdigkeit, leichtes Fieber, Appetitverlust oder Diarrhö. Es kann aber auch zu schweren Verlaufsformen mit hohem Fieber, Zyanose, Hypoxie oder einem Makrophagen-Aktivierungssyndrom kommen».
Lupus-Antikoagulanzien-Test positiv
Gelangt das Coronavirus SARS-CoV-2 in die Lungenalveolen, können Endothelzellen infiziert und aktiviert werden. Dies stimuliert das angeborene Immunsystem, was die Produktion von Typ-1-Interferonen und weiterer Faktoren nach sich zieht, so dass letztlich die gesamte Koagulationskaskade angestossen wird (2). In einer kleinen, aktuellen Studie mit 35 COVID-19-Patienten wurde festgestellt, dass Lupus-An-
KURZ & BÜNDIG
� COVID-19 verursacht vaskuläre Schäden und erhöhte Koagulationsmuster, ähnlich wie immun-mediierte inflammatorische Erkrankungen (IMID).
� SARS-CoV-2 aktiviert das angeborene Immunsystem und damit Makrophagen und neutrophile Granulozyten. Dabei sind Zytokinstürme möglich. Zytokine scheinen insgesamt eine zentrale Rolle bei der Pathogenese schwerer Verläufe zu spielen. Ein Absetzen von Zytokin-Inhibitoren bei Patienten mit IMIDs während einer COVID-19-Erkrankung scheint daher nicht sinnvoll zu sein.
� IMID-Patienten mit Immunsuppression scheinen eine verminderte Antikörper-Response zu zeigen. Gleichzeitig konnten unter ihnen keine höheren COVID-19-Inzidenzen oder schwerere Krankheitsverläufe beobachtet werden.
tikoagulanzien-Assays respektive Koagulanzien-Tests (aPPT) bei COVID-19 positiv ausfallen können (3). So waren 91 Prozent der Teilnehmer positiv für das Lupus-Antikoagulanz, was tendenziell das Risiko für thrombotische Ereignisse erhöht. In einer weiteren Untersuchung wurde überdies deutlich, dass die Übereinstimmung der Autoantikörper von COVID-19 und dem Catastrophic antiphospholipid syndrome (CAPS) relativ hoch ist (2). Diese Ähnlichkeit ist möglicherweise ein Hinweis darauf, dass nicht nur die Immunsuppression, sondern auch eine bei CAPS übliche Therapie bei COVID-19 nützlich sein könnte. Auch Heparin könnte eine positive Wirkung auf COVID-19 haben (4). So werden Zytokine und Chemokine durch Heparin neutralisiert, was wiederum die neutrophilen Granulozyten hemmt. Dies hat einen zusätzlichen antikoagulatorischen Effekt, gleichzeitig neutralisiert es die extrazellulären Histone, die sehr basisch und massiv reizend sind.
Geringere Reaktion auf SARS-CoV-2 durch Immunsuppressiva?
Gemäss einer italienischen Studie scheint die COVID-19-Inzidenz unter Patienten mit autoimmun-entzündlichen rheumatischen Erkrankungen nicht höher zu sein, als in der Allgemeinbevölkerung (5). Gleichzeitig war die Bereitschaft unter diesen Patienten, ein «Social distancing» einzuhalten, mit 93 Prozent sehr hoch. Interessant auch eine Untersuchung aus Erlangen (D) mit rund 530 Patienten, die an einer immun-mediierten entzündlichen Erkrankung (IMID: immune-mediated inflammatory disease) litten und alle mit Biologika (Anti-TNF-α, -IL-6, -IL-17, -IL-23 u.a.) und JAK-Inhibitoren behandelt wurden (6). Eingeschlossen in die Studie wurden zudem 259 IMID-Patienten ohne Biologikabehandlung und 285 Personen aus dem Pflege-/Gesundheitsbereich als Kontrollgruppe. Alle Teilnehmer erhielten einen SARS-CoV-2-Antikörpertest. Insgesamt reagierten 22 Teilnehmer positiv auf diesen Test. Dabei wiesen erwartungsgemäss die im Gesundheitsbereich Tätigen deutlich höhere Antikörperlevel auf, als die behandelten und unbehandelten IMID-Patienten. Interessanterweise hatten die 4 an COVID19 erkrankten und mit Immunsuppressiva behandelten Patienten nahezu keine Antikörper gebildet. Weder wiesen sie
10 CongressSelection Rheumatologie | November 2020
SGR
einen schlechteren Krankheitsverlauf auf, noch war insge-
samt eine höhere COVID-19-Inzidenz unter den immunsup-
primierten Patienten zu beobachten. «Das alles könnte ein
mögliches Zeichen dafür sein, dass das adaptive Immunsys-
tem deutlich weniger antwortet, wenn gleichzeitig mit Im-
munsuppressiva behandelt wird», so Hasler.
Dazu passt eine von Cathy Melong aus Kamerun vorgestellte
Beobachtungsstudie mit 142 Patienten aus der rheumatolo-
gischen Abteilung des Universitätsspitals Genf. Die Teilneh-
mer waren entweder mit Infliximab (IFX) oder Rituximab
(RTX) behandelt und zwischen Anfang März und Ende Mai
2020 nach möglichen COVID-19-kompatiblen Symptomen
(Grippesymptome, Verlust des Geschmackssinnes u.a.) oder
Hospitalisation befragt worden. Ergebnis: 14 (10%) der Be-
fragten berichteten von COVID-19-Symptomen, davon neun
in der IFX- und sechs in der RTX-Gruppe (p = 0,03). Aller-
dings befanden sich alle intensivmedizinisch betreuten
schweren COVID-19-Fälle (n = 3) in der RTX-Gruppe
(p = 0,04). Die Studie wird mit einer grösseren Anzahl an
Patienten fortgeführt.
s
Quelle: Wissenschaftliche Session «Autoinflammation versus Autoimmunität»
bei der semi-virtuellen Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Rheu-
matologie (SGR) am 10. und 11. September 2020 in Interlaken.
Referenzen: 1. Wadman M et al.: A rampage through the body. Science 2020;
(368) 6489: 356–360. 2. Merrill JT et al.: Emerging evidence of a COVID-19 thrombotic
syndrome has treatment implications. Nature Reviews Rheumatology 2020: 16: 581–589. 3. Bowles L et al.: Lupus Anticoagulant and Abnormal Coagulation Tests in Patients with Covid-19. N Engl J Med 2020; 383: 288-290. 4. Buijsers B: Beneficial non-anticoagulant. EBiomedicine 2020; 95: 102969 5. Zen M et al.: SARS-CoV-2 infection in patients with autoimmune rheumatic diseases in northeast Italy: A cross-sectional study on 916 patients. J Autoimmunity 2020; 112: 102502. 6. Simon D et al.: Patients with immune-mediated inflammatory diseases receiving cytokine inhibitors have low prevalence of SARS-CoV-2 seroconversion. Nature Communications 2020; 11: 3774.
Klaus Duffner
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