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Rheumatoide Arthritis
Leitliniengerechte Therapie orientiert sich an der Krankheitsaktivität
Die Empfehlungen der European League Against Rheumatism (EULAR) sehen für das Management der rheumatoiden Arthritis einen mehrstufigen Algorithmus vor, der den Beginn der Therapie mit einem synthetischen DMARD vorsieht. Bei Bedarf wird zusätzlich ein Biologikum oder ein JAK-Inhibitor gegeben. Weniger klar ist die Frage zu beantworten, ob und wann man diese Therapie wieder deeskalieren kann.
Die Grundlage für die Therapie der rheumatoiden Arthritis (RA) bildet die Bewertung der Krankheitsaktivität anhand etablierter Scores wie dem DAS28 (Disease Activity Score 28), dem CDAI (Clinical Disease Activity Index) oder dem SDAI (Simplified Disease Activity Index). Alle diese Instrumente beruhen auf der Zählung schmerzhafter und/oder geschwollener Gelenke, klinischer Einschätzung, sowie zumeist ergänzender Laborparameter. Die Verwendung dieser Scores verbessert die Aussichten auf eine erfolgreiche Kontrolle der Erkrankung, wie Prof. Diego Kyburz vom Universitätsspital Basel ausführte. Studiendaten zeigen, dass Patienten unter DAS-gesteuerter Therapie eine deutlichere Reduktion der radiologischen Progression erreichen, als Patienten unter «Standard Care» (1). Angesichts der Fortschritte, die in der Bildgebung in den vergangenen Jahren erzielt wurden, stelle sich nun die Frage, ob diese – und dabei insbesondere der Ultraschall – relevante Zusatzinformationen generieren könne. Dass der Nachweis einer subklinischen Synoviitis mittels Ultraschall möglich ist, wurde in Studien gezeigt. Eine subklinische Synoviitis, wie sie bei rund einem Drittel der Patienten in DAS28-Remssion nachweisbar ist (2), konnte auch als Prädiktor von Flares und radiologischer Progression identifiziert werden.
Ultraschall bringt keinen Vorteil in der Therapiesteuerung
Die Frage, ob die Bildgebung in die Therapieentscheidungen einbezogen werden sollte, wurde mittlerweile in grösseren Studien gestellt und beantwortet. In der ARCTIC-Studie wurde ein engmaschiges Monitoring mittels Ultraschall in einem Kollektiv von DMARD-naiven Patienten mit früher RA evaluiert. Dabei wurden beide Gruppen intensiv behandelt und mit unterschiedlichen Strategien (DAS44 vs. DAS44 plus Ultraschall) monitiert. Die Studie zeigte über zwei Jahre in der Ultraschall-Gruppe eine intensivere Therapie mit mehr Biologika-Einsatz, dabei aber keine höhere Rate klinischer Remissionen. Daraus schlossen die Autoren, dass Ultraschall-Monitoring im Rahmen einer Treat-to-Target-Strategie keinen zusätzlichen Nutzen bringt (4). Die Therapie einer rheumatoiden Arthritis erfolgt nach dem von der europäischen Rheumatologengesellschaft EULAR
vorgeschlagenen Stufenschema (siehe Abbildung) (5). In Phase I wird die Therapie mit einem konventionellen DMARD begonnen, mit dem nach 3 Monaten eine Besserung und nach 6 Monaten das Therapieziel erreicht werden sollte. Nach wie vor ist Methotrexat (MTX) erste Wahl. Bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeit stehen Leflunomid oder Sulfasalazin als alternative konventionelle DMARD (csDMARD) zur Verfügung. Der kurzzeitige Einsatz von Glukokortikoiden in Kombination mit MTX wird empfohlen. Gelingt das, wird die Therapie weitergeführt. Wird das Ziel nicht erreicht, stehen mehrere Optionen offen, und das weitere Vorgehen orientiert sich an Prognosefaktoren. Sind diese günstig, wird die Therapie durch ein weiteres csDMARD ergänzt oder die Umstellung auf ein anderes csDMARD versucht, bei ungünstiger Prognose ist die Therapie mit einem Biologikum oder einem JAK-Inhibitor indiziert. Solche ungünstigen prognostischen Faktoren sind unter anderem eine hohe Krankheitsaktivität, das Versagen zweier synthetischer DMARD oder das Vorhandensein von Rheumafaktor oder ACPA, insbesondere bei hohem Titer. Die EULAR-Empfehlungen geben keine Hinweise, mit welchem Biologikum die Therapie zuerst eskaliert werden soll, oder ob nicht einem JAK-Inhibitor der Vorzug zu geben sei. Hinsichtlich der Wirksamkeit fanden Metaanalysen der grossen klinischen Studien keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Biologika (5). Für die JAK-Inhibitoren gäbe es allerdings mittlerweile Hinweise auf eine Überlegenheit, so Kyburz, da in grossen Phase-III-Studien die Überlegenheit nicht nur gegenüber Plazebo, sondern auch gegenüber Adalimumab als «Standardbiologikum» demonstriert wurde (6,7). Hinsichtlich der Sicherheit zeigt sich ein ganz ähnliches, uniformes Bild (8).
Auf der Suche nach neuen Biomarkern
Nach wie vor gibt es keine klinischen oder prädiktiven Biomarker, die bei der Wahl des ersten Biologikums helfen können. Allenfalls können, so Kyburz, individuelle Hinweise auf potenzielle Sicherheitsprobleme die Wahl erleichtern. So wird man bei Patienten mit hohem Infektionsrisiko ein Biologikum mit kurzer Halbwertszeit bevorzugen und bei hohem Tuberkulose-Risiko auf einen TNF-Inhibitor verzich-
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ten. Besteht eine Divertikulitis, sollte eine IL-6-Blockade vermieden werden, da diese das Risiko einer Darmperforation erhöht. Auch Patientenpräferenzen können eine Rolle spielen. Möglicherweise könnte in Zukunft eine Synovialbiopsie Klarheit bringen. Jedenfalls zeigen aktuelle Studiendaten, dass histologische Subtypen definiert werden können, die mit besserem oder schlechterem Ansprechen auf Certolizumab pegol assoziiert sind (9). Ein noch differenzierteres Bild kann gezeichnet werden, wenn die Gen-Transkription in den Zellen der Synovia analysiert wird (10).
Deeskalation – wann und bei wem?
Bei Patienten in lange anhaltender Remission stellt sich die Frage, wie weit eine Deeskalation der Therapie möglich ist. Kyburz wies in diesem Zusammenhang auf die PRIZE-Studie hin, in der Patienten mit früher RA erst offen mit Etanercept und MTX bis zum Erreichen von Remission behandelt wurden. Nach einem Jahr wurden die Patienten doppelblind in drei Arme randomisiert und entweder mit Etanercept in reduzierter Dosierung plus MTX weiterbehandelt, auf eine MTX-Monotherapie umgestellt, oder es wurde überhaupt die gesamte Basistherapie abgesetzt. Nach weiteren 39 Wochen wurde bei allen Patienten die Basistherapie abgesetzt. Die Studie zeigt, dass ein Absetzen des Biologikums und noch mehr der gesamten Basistherapie bei einem hohen Prozentsatz der Patienten zum Verlust der Remission führt, während die Patienten unter reduzierter Dosis von Etanercept zu 90 Prozent in Remission blieben (11). Eine weitere praxisrelevante Frage ist die nach dem oft von den Patienten gewünschten Absetzen von MTX unter Biologika-Therapie. Die Daten aus klinischen Studien sprechen dagegen und zeigen zumindest für die TNF-Inhibitoren in Kombination mit MTX besseres Ansprechen als in Monotherapie, wobei die Unterschiede, so Kyburz, bei den verschiedenen Biologika unterschiedlich ausgeprägt sind. Die EULAR empfiehlt grundsätzlich die Kombination von Biologika mit MTX. Ist dies nicht möglich, so sollen ein Biologikum, das in den IL-6-Signalweg eingreift, oder ein JAKInhibitor gewählt werden (4). Allerdings zeigen epidemiologische Daten, dass im klinischen Alltag die Biologika-Monotherapie keineswegs selten ist und rund 20 Prozent der mit Anti-TNF-Biologika behandelten Patienten sowie mehr als 30 Prozent der Patienten, die einen JAK-Inhibitor erhalten, kein MTX einnehmen (11). Prospektiv wurde das Absetzen von MTX in Kombination mit Etanercept in der CAMEO-Studie untersucht. Die Studie verfehlte ihren primären Endpunkt und konnte für die Monotherapie die Nicht-Unterlegenheit nicht demonstrieren. Ein differenzierter Blick auf die Ergebnisse zeigt allerdings, dass bei Patienten, die unter der Kombinationstherapie eine niedrige Krankheitsaktivität erreichten, die Monotherapie mit dem Biologikum nicht schlechter war als die Kombination. Bei Patienten mit unzureichendem Ansprechen auf die Kombination kam es hingegen zu einem ungünstigeren Verlauf, wenn MTX abgesetzt wurde (12). Daraus könne man schliessen, so Kyburz, dass man MTX im Rahmen einer Biologikatherapie durchaus absetzen könne, dies allerdings nur bei Patienten mit niedriger Krankheitsaktivität – oder besser Remission.
Nicht zuletzt betonte Kyburz, dass das Management der RA nicht auf die Gelenke beschränkt bleiben dürfe, sondern auch wichtige Komorbiditäten zu berücksichtigen seien. So zeigen Patienten mit RA ein signifikant erhöhtes Risiko kardiovaskulärer Ereignisse (13). Die EULAR empfiehlt daher ein kardiovaskuläres Risiko-Assessment und ein intensiviertes Management der Risikofaktoren für alle RA-Patienten. Werden kardiovaskuläre Risikocharts verwendet, so ist das Risiko für Patienten mit RA um den Faktor 1,5 zu multiplizieren. s
Reno Barth
Quelle: Vortrag «Moderne Basistherapie: Was ist wichtig?», beim Rheuma Top 2020, online am 27. August 2020.
Referenzen: 1. Goekoop-Ruiterman YP et al.: DAS-driven therapy versus routine
care in patients with recent-onset active rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis 2010; 69(1): 65–69. 2. Zufferey P et al.: Persistence of ultrasound synovitis in patients with rheumatoid arthritis fulfilling the DAS28 and/or the new ACR/EULAR RA remission definitions: results of an observational cohort study. Joint Bone Spine 2014; 81(5): 426–432. 3. Haavardsholm EA et al.: Ultrasound in management of rheumatoid arthritis: ARCTIC randomised controlled strategy trial. BMJ. 2016; 354: i4205. 4. Download unter https://www.eular.org/recommendations_ management.cfm 5. Singh JA et al.: Biologics for rheumatoid arthritis: an overview of Cochrane reviews. Sao Paulo Med J 2010; 128(5): 309–310. 6. Taylor PC et al.: Baricitinib versus Placebo or Adalimumab in Rheumatoid Arthritis, N Engl J Med 2017; 376(7): 652–662. 7. Fleischmann RM et al.: Safety and effectiveness of upadacitinib or adalimumab plus methotrexate in patients with rheumatoid arthritis over 48 weeks with switch to alternate therapy in patients with insufficient response. Ann Rheum Dis 2019: 78(11): 1454–1462. 8. Singh JA et al.: Biologics for rheumatoid arthritis: an overview of Cochrane reviews. Sao Paulo Med J 2010; 128(5): 309–310. 9. Nerviani A et al.: A Pauci-Immune Synovial Pathotype Predicts Inadequate Response to TNFα-Blockade in Rheumatoid Arthritis Patients. Front Immunol 2020; 11: 845. 10. Mandelin AM et al.: Transcriptional Profiling of Synovial Macrophages Using Minimally Invasive Ultrasound-Guided Synovial Biopsies in Rheumatoid Arthritis. Arthritis Rheumatol 2018; 70(6): 841–854. 11. Kyburz D et al.: Real-World Use of Tofacitinib in Rheumatoid Arthritis: Data from the Swiss Clinical Quality Management RA Registry. Presented at ACR 2016, Abstract 1637. 12. Pope JE et al.: The Canadian methotrexate and etanercept outcome study: a randomised trial of discontinuing versus continuing methotrexate after 6 months of etanercept and methotrexate therapy in rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis 2014; 73(12): 2144–2151. 13. Lindhardsen JL et al.: The risk of myocardial infarction in rheumatoid arthritis and diabetes mellitus: a Danish nationwide cohort study. Ann Rheum Dis 2011; 70(6): 929–934.
Die EULAR-Empfehlungen zum RA-Management online:
https://ard.bmj.com/content/annrheumdis/79/6/685.full.pdf
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Algorithmus der EULAR-Empfehlungen zum RA Management
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1 ACR-EULAR-Klassifikationskriterien 2010 helfen bei früher Diagnose 2 «Methotrexat sollte Bestandteil der ersten Therapiestrategie sein.» Wenn
auch die Kombination mit scDMARD von der Task Force nicht bevorzugt wird, so schliesst der Start mit MTX die Kombination mit anderen csDMARD nicht aus. 3 Therapieziel ist die klinische Remission entsprechend den ACR-EULAR-Kriterien oder, wenn die Erreichung der Remission unwahrscheinlich ist, mindestens eine geringe Krankheitsaktivität; das Ziel sollte nach 6 Monaten erreicht werden, doch bereits nach 3 Monaten sollte bei ungenügendem Ansprechen (Krankheitsaktivität < 50% des Ausgangsbefundes) die Therapie angepasst oder geändert werden. 4 Anhaltende Remission: ≥ 6 Monate ACR/EULAR-Index basiert oder Boolean-Remissionskriterien. 5 Unter Beachtung von Kontraindikationen und Risikofaktoren. 6 Häufigste Kombination: MTX, Sulfasalazin und Hydroxychloroquin. 7 TNF-Hemmer (Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab und EMA/FDA-zugelassene bsDMARD), Abatacept, IL-6R-Hemmer
oder Rituximab (unter best. Bedingungen); bei Patienten, die keine csDMARD als Komedikationen einnehmen können, haben IL-6-Hemmer und tsDMARD Vorteile. 8 Dosisreduktion oder Intervallverlängerung ist bei allen bDMARD und tsDMARD ohne Sicherheitsrisiken möglich, mit leicht erhöhtem Risiko für Flares; Absetzen ist mit hohem Flare-Risiko assoziiert; fast alle Patienten können ihren guten Kontrollstatus mit der Wiederaufnahme der selben bDMARD/tsDMARD wieder erlangen. 9 Effektivität und Verträglichkeit von bDMARD nach einem Versagen eines JAK-Hemmers ist nicht vollständig bekannt; dies gilt auch für einen Hemmstoff des IL-6-Signalweges nach einem anderen sowie für einen JAK-Inhibitor nach einem anderen. Quelle: Smolen JS et al.: EULAR recommendations for the management ofrheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs: 2019 update. Ann Rheum Dis 2020; 79: 685–699.
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