Transkript
ACC
CARAVAGGIO-Studie
DOAK für Thromboembolietherapie bei Tumorpatienten
Patienten mit Krebserkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für rezidivierende venöse Thromboembolien (VTE). Diese sind auch häufig ursächlich für Tod oder Komplikationen bei Tumorpatienten. Eine Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin (LMWH) oder direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) ist daher sinnvoll. Zur Therapie mit Apixaban stellte Prof. Giancarlo Agnelli, Stroke Unit, Universität Perugia (I), am ACC-Kongress eine neue Studie vor, die für Apixaban eine vergleichbare Wirkung und Blutungsrate wie Dalteparin zeigte.
In der vorgestellten Phase-III-Studie CARAVAGGIO wurde die Nichtunterlegenheit von Apixaban gegenüber dem bisherigen Goldstandard LMWH Dalteparin untersucht. Für die Studie wurden 1170 Tumorpatienten mit symptomatischen oder zufällig gefundenen, proximalen tiefen Venenthrombosen oder Lungenembolien rekrutiert, die innerhalb von 72 Stunden randomisiert mit Apixaban oder Dalteparin antikoaguliert wurden. Die Apixabandosierung betrug in den ersten 7 Tagen 2 × 10 mg/Tag, danach 2 × 5 mg/Tag. Dal-
teparin wurde im ersten Monat in der Dosis von 200 IE/ Tag s.c. verabreicht, dann mit 150 IE/Tag s.c. Die Studie dauerte 6 Monate. Als primärer Wirksamkeitsendpunkt galt ein VTE-Rezidiv während der Studiendauer, als primärer Sicherheitsendpunkt war die Rate schwerer Blutungen definiert. Die Patienten waren im Durchschnitt 67 Jahre alt und zur Hälfte weiblich, fast alle (97%) hatten eine aktive Tumorerkrankung, 60 Prozent standen bei Studieneinschluss unter einer onkologischen Behandlung.
Tiefe Blutungsrate
Nach 6 Monaten waren unter Apixaban bei 5,6 Prozent und unter dem LMWH bei 7,9 Prozent der Patienten VTE-Rezidive aufgetreten. Der Unterschied zwischen den beiden Studienarmen war nicht signifikant, was bedeutet, dass Apixaban der Antikoagulation mit Dalteparin ebenbürtig ist (Hazard Ratio [HR]: 0,63; p < 0,001 für Nichtunterlegenheit; p = 0,09 für Überlegenheit). Nach 30 Tagen begannen sich die Kurven zugunsten von Apixaban zu trennen, so Agnelli. Die Mortalitätsrate war in beiden Gruppen ähnlich (23,4 vs. 26,4%) und meist der Tumorerkrankung geschuldet (85,2 vs. 88,2%). Auch die Rate schwerer Blutungen unterschied sich nicht signifikant in den beiden Gruppen (3,8 vs. 4%; p = 0,6). Es traten keine vermehrten gastrointestinalen Blutungen auf. Bei weniger schweren, klinisch relevanten Blutungen gab es in der Apixabangruppe einen numerischen Anstieg (9 vs.
6%), der jedoch auch nicht signifikant war. Insgesamt sei die Blutungsrate, verglichen mit anderen DOAK-Studien, bei ähnlichen Populationen sehr tief, so Prof. Agnelli. Mit diesen Resultaten erweitere sich die Gruppe der Tumorpatienten, die von Apixaban profitieren könnten, um jene mit gastrointestinalen Krebserkrankungen. Die Studie ist zeitgleich mit der Präsentation am ACC-Kongress im «New England Journal of Medicine» erschienen (1).
Wie sind diese Resultate zu bewerten?
Ein DOAK sei für den Patienten bei gleicher Blutungsrate ein-
deutig die bequemere Variante als ein subkutan zu spritzen-
des Antikoagulans, kommentierte Prof. Agnes Lee, Leiterin
des Thromboseprogramms am Vancouver General Hospital,
Vancouver (CAN), in einem Editorial zur Studienpublikation
die Resultate (2). Dennoch könne man keine Empfehlung
abgeben, welches DOAK nun zu bevorzugen sei. Dafür brau-
che es Vergleichsstudien zwischen den DOAK. Doch für die
Auswahl des Antikoagulans seien die Tumorlokalisation und
die zu erwartenden Interaktionen mit der Tumortherapie
ausschlaggebend. Bei Patienten mit operativen Eingriffen im
oberen Gastrointestinaltrakt beispielsweise blieben LMWH
erste Wahl, da die Resorption von allen DOAK im Magen
oder Dünndarm erfolge.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Late-Breaking Clinical Trials III», Jahreskongress des American College of Cardiology, 28. bis 30. März 2020, virtuell.
Referenzen: 1. Agnelli G et al.: Apixaban for the Treatment of Venous Throm-
boembolism Associated with Cancer. N Engl J Med 2020; 382: 1599–1607. 2. Lee AYY: Anticoagulant therapy for venous thromboembolism in cancer. N Engl J Med 2020; 382: 1650–1651.
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