Transkript
UEG-Week
Kurzmeldungen
Viele Medikamente verändern das Mikrobiom
Forscher des University Medical Centers Groningen der
Maastricht-Universität untersuchten 1883 Stuhlproben von
Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen,
mit Reizdarmsyndrom und von Kontrollen. Sie verglichen
dabei die taxonomischen und metabolischen Funktionspro-
file von Patienten mit und ohne Medikamenteneinnahme
und prüften dabei den Einfluss von 41 Medikamentenkate-
gorien. Zu den Kategorien, die das Mikrobiom am meisten
beeinflussen, gehören demnach Protonenpumpenhemmer
(PPI), Metformin, Antibiotika und Laxanzien. Unter PPI
zeigte sich eine gesteigerte Fülle von Bakterien im oberen
Gastrointestinaltrakt sowie eine erhöhte Fettsäureproduk-
tion, unter Metformin kam es zu höheren Konzentrationen
von Escherichia coli. Zu einer signifikanten Veränderung der
Bakterienpopulationen im Darm, namentlich mit dem Vor-
handensein des schädlichen Eubacterium ramulus, kam es
überdies unter der Einnahme von selektiven Serotonin-
Wiederaufnahmehemmern bei Reizdarmsyndrompatienten.
Eine orale Steroidtherapie war mit hohen Konzentrationen
methanogener Bakterien verbunden, was im Zusammenhang
mit Adipositas und einer BMI-Erhöhung steht.
vh
Quelle: Vich Vila A et al.: Impact of 41 commonly used drugs on the composition, metabolic function and resistome of the gut microbiome. Präsentiert an der United European Gastroenterology Week (UEGW) 2019, 21. bis 23. Oktober in Barcelona .
LLL
Gemüse und mediterrane Ernährung gut fürs Mikrobiom
Grüne Bohnen, Fisch, Nüsse und Wein fördern die Biosyn-
these von kurzkettigen Fettsäuren, dem Hauptenergieliefe-
ranten der protektiven Darmflora. Das könnte auch bei
gastrointestinalen Erkrankungen nützlich sein.
Die Forscher der medizinischen Universität Groningen (NL) untersuchten den Einfluss von über 160 Lebensmitteln auf das Darmmikrobiom von vier Personengruppen (n = 1423): Personen aus der Gesamtbevölkerung, Morbus-Crohn-Patienten, Colitis-ulcerosa-Patienten und Patienten mit Reizdarm (IBS). Jeweils eine Stuhlprobe der Teilnehmer zusammen mit Angaben aus dem Food Frequency Questionnaire lieferten die Grundlage für die Rekonstruktion der Mikrobiota. Die Auswertung zeigte, dass pflanzliche Proteine zu einer Erhöhung von Bifidobakterien und zu einer Reduktion von Blautia und Streptokokken führen. Die gegenteilige Wirkung zeigte sich bei tierischem Protein. Wie erwartet, bewirkten fettarme Milchprodukte eine Erhöhung von Laktobazillen und Bifidobakterien. Ein Ernährungsmuster, bestehend aus Gemüsen, Früchten, Getreide, Nüssen, Wein und Fisch, stand im Zusammenhang mit grösserer Fülle an Roseburia hominis, Faecalibacterium prausnitzii und Bifidobakterien und der Kohlenhydratfermentation. Diese Untersuchung legt nahe, dass eine Ernährung, reich an Brot, grünen Bohnen, Fisch und Nüssen, mit einer Reduktion von potenziell schädlichen anaeroben Bakterien sowie mit tieferen Entzündungsmarkern im Stuhl, wie sie bei intestinaler Entzündung entstehen, in Zusammenhang steht. Erhöhte Entzündungsmarker und eine verminderte nutzbringende Bakterientätigkeit wurden dagegen bei vermehrter Einnahme von Fleisch, Fast-Food und raffiniertem Zucker beobachtet. Mit einer entsprechenden Ernährung könnte das Darmmikrobiom moduliert und durch antiinflammatorische Eigenschaften zu einer Mukosaprotektion angeregt werden. vh
Quelle: Bolte L et al.: Towards anti-inflammatory dietary recommendations based on the relation between food and the gut microbiome composition in 1423 individuals. Poster, präsentiert an der United European Gastroenterology Week (UEGW) 2019, 21. bis 23. Oktober in Barcelona.
Foto: vh
CongressSelection Gastroenterologie | Januar 2020
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UEG-Week
Antibiotikaresistenzen verdoppelt
In Europa sind die Resistenzen gegen Antibiotika, die zur He-
licobacter-pylori-Eradikation eingesetzt werden, in den letz-
ten 20 Jahren um das Zweifache gestiegen. Das zeigte eine
Studie mit 1232 Patienten aus 18 europäischen Ländern. Seit
1998 hat die Resistenz von H. pylori gegen Clarithromycin
von 9,9 auf 21,6 Prozent zugenommen. Auch gegen Metro-
nidazol ist die Resistenz gestiegen (von 33,1 auf 39,1%), und
gegen Levofloxacin hat in den letzten 10 Jahren die Resistenz
von 14 auf 16,3 Prozent zugenommen.
Die Resistenzraten gegen Clarithromycin liegen in Süditalien
(36,9%), Kroatien (34,6%) und Griechenland (30%) bei
einem Drittel und höher. Das komme zweifellos von der zu
grosszügigen Verschreibung von Antibiotika bei Erkältungen
und Grippe, so die Erklärung des Studienleiters Prof. Francis
Megraud, Universität Bordeaux (F). Die Resistenzrate in un-
seren Nachbarländern in Österreich liegt bei 23,5 Prozent, in
Frankreich bei 22,5 Prozent und in Deutschland bei 22,2 Pro-
zent. Die Schweiz ist in dieser Untersuchung nicht dabei.
Eine Steigerung der Resistenzraten von nahezu 1 Prozent pro
Jahr bei Clarithromycin, dem dafür am meisten eingesetzten
Antibiotikum, sei eine besorgniserregende Entwicklung, be-
klagte Megraud weiter. Eine sinkende Wirksamkeit von ge-
bräuchlichen Therapien könnte die Magenkrebsinzidenz an-
steigen lassen, wenn die Antibiotikaresistenz unvermindert
weiter steigt. 2017 taxierte die WHO die Antibiotikafor-
schung betreffend das Clarithromycin-resistente H.-pylori-
Bakterium als prioritär (1).
vh
Quelle: «European survey of Helicobacter pylori primary resistance to antibiotics – Evolution over the last 20 years». United European Gastroenterology Week (UEGW) 2019, 21. bis 23. Oktober in Barcelona.
Referenzen: 1. World Health Organisation, WHO publishes list of bacteria for
which new antibiotics are urgently needed. (ONLINE). Available at: https://www.who.int/news-room/detail/27-02-2017-who-publisheslist-of-bacteria-for-which-new-antibiotics-are-urgently-needed
LLL
IBS-Symptome bessern mit Milchzucker
Eine an der UEG-Week vorgestellte Arbeit beschäftigte sich
mit dem möglichen Nutzen einer Mikrobiotaveränderung.
Die Autoren gehen davon aus, dass das Darmmikrobiom bei
IBS-Patienten verändert ist und dies im Zusammenhang mit
den Symptomen steht, indem die veränderte Darmflora die
Inflammation und die erhöhte Darmpermeabilität unterhält,
was zu Schmerzen und abnormaler Stuhlkonsistenz führt.
Ein Therapieversuch mit humanen Milcholigosacchariden
(HMOs) (Holigos® IBS), identisch mit Muttermilch, wurde
daraufhin unternommen. Von diesen HMOs ist bekannt,
dass sie das Wachstum von nutzbringenden Bakterienstäm-
men wie Bifidobakterien, das Funktionieren der Darmbar-
riere und der Immunmodulation fördern und selbst keine sig-
nifikanten gastrointestinalen Symptome verursachen. In
einer multizentrischen, offenen Studie in den USA wurde der
Nutzen bei 317 durchschnittlich 44-jährigen Patienten mit
IBS, davon 70 Prozent Frauen, durchgeführt. Die Teilnehmer
erhielten während 12 Wochen 5 g/Tag Holigos®. Sie wurden
alle 4 Wochen online zu Stuhlgewohnheiten, IBS-Symptomen
und der Lebensqualität befragt.
Nach Studienende zeigte sich, dass sich die abnormale Stuhl-
konsistenz im Vergleich zur Ausgangssituation sowohl bei
obstipations- als auch bei diarrhölastigem und gemischtem
IBS signifikant verbessert hatte. Die Schmerzstärke wie auch
die Anzahl Schmerztage und die Stärke der Blähungen hatten
sich nach 12 Wochen etwa halbiert. Die Unterschiede waren
jeweils signifikant. Ein ebenfalls signifikanter Anstieg der Le-
bensqualität der Patienten wecke Hoffnung auf eine mögli-
che neue Therapieoption, deren Resultate jedoch noch mit
einer randomisierten, plazebokontrollierten Studie bestätigt
werden müssten, berichtete Studienleiter Olafur Palsson,
University of North Carolina, Chapel Hill (USA) an der
UEG-Week. Das Präparat wurde mehrheitlich gut vertragen,
2,5 Prozent der Teilnehmer stoppten die Therapie aufgrund
von gastrointestinalen Nebenwirkungen.
vh
Quelle: «Human milk oligosaccharides improve all the central symptoms of irritable bowel syndrome: a multicenter, open-label trial». United European Gastroenterology Week (UEGW) 2019, 21. bis 23. Oktober in Barcelona.
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