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Atopische Dermatitis
Stärkung der Hautbarriere mit Emollienzien und Immuntherapie
Die genetische und immunologische Forschung lässt uns die Pathogenese der atopischen Dermatitis zunehmend klarer sehen. Das hat zu Änderungen in der Therapie geführt – vor allem an beiden Enden der therapeutischen Stufenleiter: bei der Basistherapie und der systemischen Behandlung.
Die atopische Dermatitis (AD) ist in den Industriestaaten eine Volkskrankheit. Die globale 1-Jahres-Prävalenz beträgt für Erwachsene 3 bis 4 Prozent, bei den Kindern sind es noch mehr: 6 bis 7 Prozent aller Kinder leiden unter AD (1). Und die AD überschatte das ganze Leben, wie Prof. Stephan Weidinger aus Kiel (D) verdeutlichte: Allein durch den Juckreiz wird der Schlaf gestört, was nicht nur die Arbeitsproduktivität mindert, sondern auch die Inzidenz von Depressionen und Angststörungen in die Höhe schnellen lässt – um nur eines der Probleme zu nennen. Ausserdem wird das Immunsystem gestört, was die Entwicklung internistischer Erkrankungen fördert.
Hautbarriere: Schlüsselprotein Filaggrin
Wie die Forschung der vergangenen Jahrzehnte ergeben hat, liegt der AD unter anderem eine Störung des Gens, das für die Filaggrinproduktion zuständig ist, zugrunde. Filaggrin trägt wesentlich zu Bildung einer suffizienten Hautbarriere bei. Dieses Strukturprotein bindet an Keratin im Zytoskelett und stützt damit die Funktion des Stratum corneum. Auf der Oberfläche der Haut setzt Filaggrin seine Aminosäuren frei. Diese sind hygroskopisch und werden auch als Natural Moisturing Factor (NMF) bezeichnet. Des Weiteren wird Filaggrin-abhängig das «Abwehr-Enzym» Sphingomyelinase sezerniert, das unter anderem vor StaphylokokkenInfektionen schützt (2).
Staphylokokken dominieren Hautmikrobiom bei AD
Damit kommt auch ein anderer pathogenetischer Faktor der AD ins Spiel: das veränderte Mikrobiom der Haut bei AD-Patienten. Wie Weidinger berichtete, tummelten sich sehr viel mehr Staphylokokken auf der Haut eines AD-Patienten, als es bei Hautgesunden der Fall sei. Und je schlimmer das Ekzem ist, desto mehr Staph. aureus lassen sich nachweisen (3).
Proinflammatorisches IL-13 im Fokus
Diese Infektion triggert wiederum das Immunsystem und fördert die Expression von proinflammatorischen Zytokinen – allen voran IL-13, wie Weidinger in eigenen, noch unver-
öffentlichten Untersuchungen herausgefunden hat. Mit der verstärkten IL-13-Expression korreliert auch eine verminderte Expression von Markern für die Hautbarriere. Somit schliesst sich hier ein Teufelskreis – und es ergibt sich eine Therapieoption. Denn wenn IL-13 gehemmt wird, sinken die Entzündungsmarker, hingegen steigen die Marker für die Hautbarriere, wie beispielsweise die Filaggrin-Expression. Hier bietet sich ein Ansatzpunkt für eine immunlogische Therapie, wie sie bereits bei vielen anderen chronisch entzündlichen Erkrankungen wie Psoriasis längst zum Therapiestandard gehören.
Hemmung von IL-4 und IL-13 vermindert Symptome wie Juckreiz
Seit etwa zwei Jahren steht Dupilumab als erstes Immuntherapeutikum gegen AD zur Verfügung: Es hemmt gleich zwei proinflammatorische Zytokine: IL-13 und IL-4, denn deren Rezeptoren besitzen eine gemeinsame Untereinheit. Wird diese IL-4R-α-Untereinheit blockiert, sinkt die Expression von IL-13 und IL-4, was weniger Entzündung bedeutet, sodass sich die Hautbarriere erholen kann. Das funktioniert auch klinisch, wie die Daten aus den Zulassungsstudien von Dupilumab (Dupixent®) ergeben haben. Beispielsweise erreichten in der CHRONOS-Studie mehr als 60 Prozent der Patienten in der Verumgruppe eine mindestens 75-prozentige Verbesserung der Ekzemschwere und -ausdehnung (Eczema Area and Severity Index [EASI] 75) gegenüber dem Ausgangswert (4). Besonders bemerkenswert sei der starke Rückgang des Juckreizes von mehr als 50 Prozent und die damit gestiegene Lebensqualität, wie Weidinger betonte (4). Um mehr Informationen über die AD zu bekommen, wurde in Deutschland ein nationales Register für atopische Dermatitis (AD-Register TREATgermany) etabliert, das auch Daten zur Dupilumab-Behandlung erhebt. Die bisherigen Ergebnisse bestätigten die gute Wirkung des Immuntherapeutikums, so Weidinger. Natürlich werden auch dabei die Nebenwirkungen registriert. Wichtigste unerwünschte Reaktion auf Dupilumab ist eine Konjunktivitis, die bei etwa 10 Prozent der Patienten auftritt.
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InterleukinHemmung
PHASE 1
ARGX-112 IL-22R1
PF-06817024 IL-33-related
Bermekimab IL-1α
Benralizumab IL-5Rα
Lebrikizumab IL-13
PHASE 2
Secukinumab IL-17A
MOR106 IL-17C
Fezakinumab IL-22
Spesolimab IL-36
Risankizumab IL-23
REGN3500 IL-33
Etokimab IL-33
LY3375880 IL-33
JAK/SYKHemmung
ASN002 SYK/JAK
andere Mechanismen
EDP1066 Undisclosed
EDP1815 Undisclosed
LOU 064 BTK
DS107 CD40 Adriforant H4R
Tezepelumab TSLP
GBR 830 OX40
KY 1005 OX40L KHK4083 OX40
Abbildung 1: Neue systemische Therapien bei atopischer Dermatitis
PHASE 3
Tralokinumab IL-13
Nemolizumab IL-31RA
zugelassen
Dupilumab IL-4Rα
Upadacitinib JAK1
Abrocitinib JAK1
Baricitinib JAK1/JAK2
Serlopitant NK-1R
Tradipitant NK-1R
Quelle: modifiziert nach Weidinger
Patienten mit Staph.-aureus-negativen Läsionen (%)
70 60 50 40 30 L 20 10
0n
Plazebo Tralokinumab 300 mg
32,7 25,5
51 52
Ausgangsbefund
66,7
27,7
47 48
Woche 12
Quelle: Guttman-Yasky et al. (5)
Abbildung 2: Anteil Patienten mit Staph.-aureus-negativer läsionaler Haut
Auch wenn Dupilumab sehr erfolgreich bei Patienten mit schwerer AD ist, so wird weiter geforscht – und es sind einige Substanzen in der Pipeline (Abbildung 1): Weidinger berichtete unter anderem von vielversprechenden Daten der IL-13-Hemmer Tralokinumab und Nemolizumab, für die bereits erste Ergebnisse vorliegen. Weidinger wies besonders darauf hin, dass unter Tralokinumab die Kolonisierung der Haut mit Staph. aureus deutlich zurückgehe (Abbildung 2). Dies könnte auch den klinischen Rückgang der AD-Symptome erklären. Denn bekanntlich schiebt die hohe Zahl von Staph. aureus die Entzündungskaskade an. Ohne diesen Triggerfaktor ist die AD besser in den Griff zu bekommen.
Wie schadet Staph. aureus?
Die Bedeutung des Mikrobioms, besonders die der Staph.aureus-Besiedlung bei AD-Patienten, veranschaulichte auch PD Dr. Martin Glatz aus Zürich auf dem SGAI-Kongress.
Auch er verdeutlichte, dass die Menge der Staph. aureus mit dem Entzündungsgrad steige, also im AD-Schub besonders viele dieser Keime auf der Haut zu finden seien und die anderen Spezies verdrängt. AD-Patienten ohne Symptome weisen eine grössere Biodiversität auf als im Schub – auch wenn ihre Hautflora ein kleineres Spektrum zeigt als die Hautgesunder. Glatz zitierte eine Studie am Mausmodell, die nachwies, dass von Staph. aureus sezernierte Proteasen und phenollösliches Modulin α zur endogenen epidermalen Proteolyse und Hautbarriereschäden führen, was wiederum die Entzündung fördert (6).
AD-Vorbeugung mit Basispflege
Therapeutisch gilt es also, die Biodiversität des Mikrobioms und die Hautbarriere a priori zu stärken. Anders ausgedrückt: Kommt es erst gar nicht zum Barriereschaden, kann Staph. aureus auch nicht die Entzündungskaskade anschieben. Um das zu belegen, hat man Neugeborene mit hohem AD-Risiko (gemessen an familiärer Belastung und/oder Schaden am Filaggrin-Gen) entweder eine normale Hautpflege ohne Eincremen oder eine intensive angedeihen lassen. Intensiv hiess, die Kinder möglichst direkt nach der Geburt mindestens einmal am Tag über sechs Monate am ganzen Körper einzucremen. Wie Glatz berichtete, konnten dabei die Familien zwischen einem Öl aus Sonnenblumenkernen, einer Creme bzw. einem Gel (wurde von zwei Dritteln der Eltern gewählt) oder einer Salbe wählen. Da die Studie in Grossbritannien und den USA erfolgte, unterschieden sich die Emollienzien etwas: Nur das Sonnenblumenöl mit einem hohen Anteil an Linolensäure war gleich; ansonsten wurde in Grossbritannien das Doublebase-Gel von Dermal Laboratories oder als Salbe Liquid paraffin 50 Prozent in weissem Soft-Paraffin eingesetzt. In den USA standen als Creme Cetaphil (Galderma Laboratories) oder Aquaphor Healing Ointment (Beiersdorf, entspricht Eucerin) zur Wahl. Die Forscher achteten darauf, dass keines der angebotenen Emollienzien Natrium-Laurylsulfat enthielt, da diese Substanz sich nachteilig auf die Hautbarriere auswirkt.
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Nach sechs Monaten hatten deutlich weniger Kinder in der
Interventionsgruppe eine AD entwickelt als in der Kontroll-
gruppe. Die Risikoreduktion betrug 50 Prozent (relative risk
0,50; p = 0,017) (7).
Glatz schränkte ein, dass es sich hierbei um eine kleine Pi-
lotstudie handle, doch veranschauliche sie, dass mit einer
frühen und einfachen Massnahme wie dem konsequenten
Eincremen viel zu erreichen sei.
s
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Meet the expert 2 «New therapies in atopic dermatitis» und Symposium 8
«Allergology – pathogenesis and therapies» am SGAI 2019, 5./6. September 2019
in Lugano.
Referenzen: 1. Barbarot S et al.: Epidemiology of atopic dermatitis in adults:
Results from an international survey. Allergy 2018; 73(6): 1284– 1293. 2. Ahrens F: Filaggrin und die Folgen. Pädiatrische Allergologie 2015; 1: 6–9. 3. Baurecht H et al.: Atopic dermatitis and inflammatory skin disease: Epidermal lipid composition, barrier integrity, and eczematous inflammation are associated with skin microbiome configuration. J Allergy Clin Immunol 2018; 141 (5): 1668–1676. 4. Blauvelt A et al.: Long-term management of moderate-to-severe atopic dermatitis with dupilumab and concomitant topical corticosteroids (LIBERTY AD CHRONOS): a 1-year, randomised, double-blinded, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2017; 389(10086): 2287–2303. 5. Guttman-Yassky E et al.: Tralokinumab, an anti-interleukin- 13 monoclonal antibody, reduces Staphylococcus aureus colonization of the skin and systemic levels of inflammatory biomarkers in atopic dermatitis patients. AAD 2019; ePoster Nr. 8690. 6. Williams MR et al.: Quorum sensing between bacterial species on the skin protects against epidermal injury in atopic dermatitis. Science Translational Medicine 2019; 11(490): eaat8329. 7. Simpson EL et al.: Emollient enhancement of the skin barrier from birth offers effective atopic dermatitis prevention. J Allergy Clin Immunol 2014; 134(4): 818–823.
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