Transkript
Neue Tabakprodukte im Zwielicht
E-Zigaretten? ERS sagt «Don’t!»
ERS
Die Fachgesellschaften der Lungenfachärzte warnen fast ausnahmslos vor der Verwendung von E-Zigaretten. Hunderte Fälle schwerer und zum Teil tödlich verlaufender Lungenerkrankungen im Zusammenhang mit Vaping stärken diese ablehnende Position.
Die europäische Pulmologengesellschaft (ERS) hat sich, ebenso wie andere Fachgesellschaften, bereits in mehreren Statements gegen sogenannte E-Zigaretten und andere Formen des Vapings, also der Nikotin-Inhalation mittels Verdampfern, ausgesprochen. Insbesondere sind diese nicht als adäquates Hilfsmittel zur Tabakentwöhnung zu betrachten. Die aktuellen Entwicklungen geben den Fachgesellschaften recht. Das trifft insbesondere auf zahlreiche Fälle schwerer Lungenerkrankungen zu, über die im Zusammenhang mit Vaping berichtet wurde. Im Herbst 2019 wurde über eine Serie von 53 jungen Patienten im US-Bundesstaat Illinois berichtet, die mit unklaren, schwerwiegenden respiratorischen Symptomen in Kombination mit pulmonalen Infiltraten in der CT, schlechtem Allgemeinzustand und meist auch gastrointestinalen Symptomen in Krankenhäuser eingeliefert wurden. Alle hatten in den 90 Tagen vor der Krankenhausaufnahme unterschiedliche Vaping-Devices benutzt (1). Damit hätten allerdings nur 61 Prozent der Erkrankten Nikotin konsumiert, während in 81 Prozent der Fälle Cannabis im Spiel gewesen sei, so Prof. David Christiani von der Harvard School of Public Health aus Boston (Massachusetts/USA). Eine vom CDC durchgeführte epidemiologische Studie identifizierte in der Folge mehr als 500 vergleichbare und über fast die gesamten USA verteilte Fälle. Der Begriff «Vaping Induced Respiratory Distress» wurde geprägt. Mittlerweile wurde auch über Todesfälle berichtet. Es habe keine Hinweise auf Infektionen gegeben, daher sei, so Christiani, von einer direkten toxischen Lungenschädigung auszugehen. Die Suche nach den Ursachen würde dadurch erschwert, dass in den meisten Fällen selbst gemachte und oft auch illegale Mixturen zum Einsatz gekommen seien.
Aromastoffe verändern das bronchiale Epithel
Allerdings wäre es zu einfach, das Problem einfach auf illegale Machenschaften zu schieben, zumal sich auch zunehmend die Evidenz verdichte, dass Aromastoffe in E-Zigaretten zu Lungenerkrankungen führen könnten. Bereits vor fast 20 Jahren wurden Fälle von Bronchiolitis obliterans bei Arbeitern in einer Popcornfabrik mit Flavoring in Verbindung gebracht (2). Und direkte Effekte von in E-Zigaretten verwendeten Aromastoffen auf die Gen-Expression in bron-
chialen Epithelzellen wurden nachgewiesen (3). In der jetzi-
gen Situation und angesichts der zahlreichen Inhaltsstoffe
von E-Zigaretten, deren Wirkung auf die Lunge weitgehend
unbekannt sei, bestünde nun, so Christiani, vor allem ein
hoher Forschungsbedarf. Die verantwortlichen Inhaltsstoffe
müssten identifiziert und anschliessend reguliert bzw. verbo-
ten werden.
Der Bundesstaat Massachusetts hat mittlerweile reagiert und
alle Vaping-Produkte für zumindest vier Monate verboten.
Das entspricht ganz der Position der ERS, die Prof. Jørgen
Vestbo aus Manchester (GB) mit einem Wort zusammen-
fasste: «Don’t.» Dies wurde kürzlich in einem Task-Force-
Report der ERS näher erläutert. Die Experten betonen, dass
die von E-Zigaretten abgegebenen Aerosole potenziell toxi-
sche Chemikalien enthielten, dass der behauptete Wert für
die Tabak-Entwöhnung nicht durch ausreichende Evidenz
belegt sei, dass mögliche Gefahren durch passives Einatmen
(second hand exposure) bestünden und dass Langzeitfol-
gen unbekannt seien. Aus diesen Gründen sollten E-Ziga-
retten auch nicht als Mittel zur Schadensvermeidung (harm
reduction) betrachtet werden. Vestbo verwies auch auf ein
Statement des Forum of International Respiratory Societies
(FIRS), in dem insbesondere auf die zunehmende Verwen-
dung von E-Zigaretten bei Jugendlichen hingewiesen und vor
den möglichen Folgen gewarnt wird (5).
s
Reno Barth
Quelle: Session «Vaping-induced lung disease: what the respiratory health-care provider needs to know?» beim 29. Jahreskongress der European Respiratory Society (ERS) am 30. September 2019 in Madrid.-
Referenzen: 1. Layden JE et al.: Pulmonary Illness Related to E-Cigarette Use in
Illinois and Wisconsin – Preliminary Report. N Engl J Med 2019; doi: 10.1056/NEJMoa1911614. [Epub ahead of print] 2. Kreiss K et al.: Clinical bronchiolitis obliterans in workers at a microwave-popcorn plant. N Engl J Med 2002; 347(5): 330–338. 3. Park HR et al.: Transcriptomic response of primary human airway epithelial cells to flavoring chemicals in electronic cigarettes. Sci Rep 2019; 9(1): 1400. 4. Bals R et al.: Electronic cigarettes: a task force report from the European Respiratory Society. Eur Respir J 2019; 53(2): pii: 1801151. 5. Ferkol TW et al.: Electronic cigarette use in youths: a position statement of the Forum of International Respiratory Societies. Eur Respir J 2018; 51(5): pii: 1800278.
CongressSelection Allergologie/Pneumologie | Dezember 2019
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