Transkript
ERS
Neue Leitlinie für schweres Asthma
Biomarker sind in der Praxis angekommen
Das Management des Asthma bronchiale war auch in diesem Jahr eines der Schwerpunktthemen des europäischen Pneumologenkongresses. Unter anderem wurde die neue gemeinsame Leitlinie der Fachgesellschaften ERS (European Respiratory Society) und ATS (American Thoracic Society) zum Management des schweren Asthmas präsentiert, die als Update und Erweiterung der Leitlinie aus dem Jahr 2014 zu sehen ist.
Die Definition von schwerem Asthma als «Asthma, das mit hoch dosierten inhalativen Kortikosteroiden plus einem zweiten Controller und/oder systemischen Kortikosteroiden behandelt werden muss, um kontrolliert zu bleiben, bzw. das auch mit diesen Therapien nicht kontrolliert werden kann», wurde unverändert aus der Leitlinie von 2014 übernommen. «Unkontrolliert» wird dabei definiert durch Symptome, häufigen Bedarf nach systemischen Steroiden (mindestens zweimal im Jahr für mindestens drei Tage), Schwere der Symptome (Krankenhausaufnahmen usw.) und/oder eine relevante Obstruktion der Atemwege mit einem FEV1 unter 80 Prozent und einem Verhältnis FEV1/FVC von weniger als 70 Prozent. Eine wesentliche Neuerung liegt jedoch in der Anerkennung einer Phänotypisierung anhand von Biomarkern, für die den Autoren des Papers aus dem Jahr 2014 die damals verfügbare Evidenz noch nicht stark genug war, obwohl bereits die Heterogenität der Erkrankung betont wurde. In die aktualisierte Leitlinie flossen nun die in den letzten Jahren publizierten Daten zu den verschiedenen Biologikatherapien ein. Die Task-Force stellte sechs klinisch relevante Fragen und beantwortete sie anhand der aktuellen Evidenz. Zur Beantwortung wurden nach einem PICO-Verfahren (Patient, Population or Problem/Intervention/Comparison/Outcome) ausschliesslich randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) sowie Reviews von RCT herangezogen. Nicht kontrollierte Studien und Real-World-Studien wurden nicht berücksichtigt. Daraus ergeben sich die folgenden sechs Empfehlungen. Einen neuen Therapiealgorithmus liefert die Leitlinie nicht. 1. Anti-IL-5 und Anti-IL-5RA-Biologika werden für Er-
wachsene mit schwerem, unkontrolliertem eosinophilem Asthma empfohlen. 2. Als brauchbarer Cut-off für die Indikationsstellung zur Biologikatherapie bei eosinophilem Asthma wird eine Eosinophilenzahl ≥ 150/µl empfohlen. 3. Die besten Chancen für ein Ansprechen auf gegen Eosinophile gerichtete Biologika haben Patienten mit einer Eosinophilenzahl ≥ 260/µl und einem FeNO-Wert ≥ 19,5 ppb. 4. Inhalatives Tiotropium wurde in die Empfehlungen aufgenommen, und zwar für Jugendliche und Erwachsene, die unter schwerem, unkontrolliertem Asthma leiden, obwohl sie bereits die für GINA-Stufe 4 bis 5 empfohlenen Therapien erhalten.
5. Ein Therapieversuch mit Makroliden zur Reduktion der Exazerbationen wird unabhängig vom Asthmaphänotyp empfohlen für Patienten, die unter Therapien der Stufe 5 (GINA oder NAEPP) unter schwerem unkontrolliertem Asthma oder persistierenden Symptomen leiden.
6. Für Patienten mit schwerem eosinophilem Asthma oder schwerem Asthma mit Bedarf nach systemischen Kortikosteroiden wird unabhängig von der Eosinophilenzahl eine gegen IL-4/13 gerichtete Biologikatherapie empfohlen.
Prof. Juan Carlos Cardet aus Tampa (Florida/USA) betonte,
dass immer zunächst abgeklärt werden müsse, ob der Patient
tatsächlich unter schwerem Asthma bzw. überhaupt unter
Asthma leide. Erst nach sorgfältiger Differenzialdiagnose
solle das Management in Angriff genommen werden. Alter-
native Diagnosen, die eine Asthmasymptomatik imitie-
ren können, sind Panikattacken, Vocal Cord Dysfunction,
COPD, aber auch Herzinsuffizienz und zystische Fibrose.
Die Leitlinie liefert eine lange Liste von Erkrankungen, die im
Rahmen der Differenzialdiagnose ausgeschlossen bzw. be-
dacht werden sollten. Dabei sind auch wichtige Unterschiede
zwischen Erwachsenen und Kindern zu berücksichtigen. Von
diesen «Mimickers» müssen Komorbiditäten unterschieden
werden, welche die Asthmakontrolle erschweren. Das kön-
nen beispielsweise Übergewicht, Rhinosinusitis oder Nasen-
polypen sein.
Für das Asthmamanagement in der Praxis empfahl die
Leitlinie von 2014 ein dreistufiges Vorgehen, das unverän-
dert beibehalten wird. Erster Schritt ist die Bestätigung der
Asthmadiagnose. Ausschlaggebend hierfür sind die Reversi-
bilität der Symptome durch einen Bronchodilatator sowie die
Hyperreagibilität auf Provokation. Der zweite Schritt ist die
Differenzierung zwischen leichtem und schwerem Asthma,
und im dritten Schritt wird zwischen kontrolliertem und un-
kontrolliertem Asthma differenziert.
s
Reno Barth
Quelle: Guideline Session «Severe Asthma Guidelines Update 2019», beim 29. Jahreskongress der European Respiratory Society (ERS), am 29. September 2019 in Madrid.
CongressSelection Allergologie/Pneumologie | Dezember 2019
7
ERS
Referenzen: 1. Holguin F et al.: Management of Severe Asthma: a European Re-
spiratory Society/American Thoracic Society Guideline. Eur Respir J 2019; in press; https://doi.org/10.1183/13993003.00588-2019. 2. Chung KF et al.: International ERS/ATS guidelines on definition, evaluation and treatment of severe asthma. Eur Respir J 2014; 43(2): 343–373.
ERS
8 CongressSelection Allergologie/Pneumologie | Dezember 2019