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GLP-1-Rezeptor-Agonisten im Vergleich
Welche klinisch relevanten Unterschiede es gibt
Foto: vh
Bei den neuen Antidiabetikaklassen scheint die Geschichte noch nicht zu Ende geschrieben zu sein. Wer hätte vor wenigen Jahren gedacht, dass sich SGLT2-Hemmer und GLP-1-Rezeptor-Agonisten nicht nur zur Blutzuckersenkung eignen? Bei Letzteren gibt es innerhalb der Klasse klinisch relevante Unterschiede, die Prof. Michael Nauck vom Diabeteszentrum Bochum-Hattingen, St. Josephs-Hospital Bochum (D), im Licht der aktuellen Studien am Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) in Barcelona einordnete.
GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) ver-
längern die Wirkungsdauer des Sättigungshor-
mons GLP-1 (Glucagon-like Peptide 1), das
nur wenige Minuten nach dessen Sekretion en-
zymatisch abgebaut wird. Dieses stimuliert die
Insulinsynthese im Pankreas, senkt den Gluka-
gonspiegel, verzögert die Magenentleerung
und hemmt das Hunger- und Durstgefühl.
Mittlerweile sind diverse GLP-1-RA auf den
Prof. Michael Nauck
Markt gekommen, deren Wirkung und Wirkdauer jedoch unterschiedlich sind. Die ersten
verfügbaren GLP-1-RA mit den kurz wirksa-
men Exenatide und Lixisenatid waren tierischen Ursprungs
und sind gemäss der am Kongress vorab gezeigten Daten aus
einer Übersichtarbeit des Referenten bezüglich Senkung von
HbA1c und Nüchternglukose deutlich weniger effektiv als die später entwickelten lang wirksamen humanen GLP-1-RA Li-
raglutide und Dulaglutide. In der Gewichtssenkung unter-
scheiden sich jedoch nicht signifikant (1). Lang wirksame
GLP-1-RA erwiesen sich als die effizienteren Blutzuckersen-
ker als die kurz wirksamen, so Nauck.
Eine zweite Erkenntnis war, dass für eine effiziente Senkung
des HbA1c-Werts und des Gewichts wie unter Liraglutide nicht unbedingt eine tägliche Applikation notwendig ist, son-
dern dass ein solcher Effekt auch mit einem einmal wöchent-
lich zu verabreichenden GLP-1-RA wie Dulaglutide zu errei-
chen ist, wie die Vergleichsstudie AWARD-6 zwischen Lira-
glutide und Dulaglutide zeigte (2).
KURZ & BÜNDIG
GLP-1-RA sind eine gute Substanzklasse für die Blutzuckersenkung.
Innerhalb der GLP-1-RA gibt es klinisch relevante Unterschiede.
Einige GLP-1-RA reduzieren das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Mortalität
Semaglutide kann bald auch oral verwendet werden.
Der auf dem Schweizer Markt jüngste GLP-1-RA Semaglutide erreicht noch eine leicht stärkere Senkung des HbA1cWerts als Liraglutide (3) und Dulaglutide (4). Das Gewicht reduziert Semaglutide in der tiefen Dosierung (0,5 mg) um 2,3 kg mehr als Dulaglutide in der tiefen Dosierung (0,75 mg), in der hohen Dosierung beträgt der Unterschied 3,5 kg. Auch im Vergleich zu Liraglutide senkt Semaglutide das Gewicht um mindestens 1,5 kg mehr (4).
GLP-1-RA im Vergleich zu Basalinsulinen
Weil GLP-1-RA subkutan zu applizierende Antidiabetika sind, sei ein Vergleich zu Basalinsulinen punkto Blutzuckersenkung angebracht, so Nauck. Eine Metaanalyse über 19 klinische Studien dazu ergab folgendes Bild: Verglichen mit Insulin senken GLP-1-RA den HbA1c-Wert effizienter (-0,12%; p < 0,0001) und das Gewicht in grösserem Ausmass (-3,7 kg; p < 0,0001). Basalinsuline reduzieren dagegen die Nüchternglukose stärker (-1,8 mmol; p < 0,0001). Der Anteil an Patienten mit hypoglykämischen Episoden lag unter den GLP-1-RA um 34 Prozent tiefer, bei schweren Hypoglykämien gab es keinen Unterschied. Blutdruck, Triglyzeride und LDL-Cholesterin waren unter GLP-1-RA tiefer, die Herzfrequenz höher. Lang wirksame GLP-1-RA senken den HbA1c-Wert und die Nüchternglukose stärker als kurz wirksame, das Gewicht jedoch in ähnlichem Ausmass. Mit all diesen Vorteilen der GLP1-RA sollte diese Substanzklasse laut Nauck beim Beginn einer Injektionstherapie bevorzugt verwendet werden (5). Würden GLP-1-RA – lang und kurz wirksame – als Zusatz zu einer Basalinsulintherapie verwendet, erzielten sie noch weitere signifikante Senkungen des HbA1c-Werts, der Nüchternglukose und mit lang wirksamen GLP-1-RA auch des Gewichts, verglichen mit einer Basalinsulintherapie allein, zitiert der Referent eine eigene Untersuchung.
Kardiovaskuläre Effekte der GLP-1-RA
Antidiabetika müssen seit 2007, als bekannt wurde, dass Rosiglitazon neben einer zwar guten Blutzuckersenkung auch das Risiko für Myokardinfarkte und kardiovaskulären Tod ansteigen liess (6), für eine Zulassung durch die US-amerikanische Food and Drug Administration auch einen Nachweis für die kardiovaskuläre Sicherheit erbringen (7). Inzwischen haben viele der neuen Antidiabetika diese Daten bezüglich
6 CongressSelection Diabetologie | Kardiologie | Dezember 2019
EASD
Eigenschaften der GLP-1-Rezeptor-Analoga
Halbwertszeit Auftitrieren?
Exenatide (täglich: Byetta® bzw. wöchentlich: Bydureon®)
Lixisenatid (Lyxumia®)
Liraglutide (Victoza®)
Dulaglutide (Trulicity®)
Albiglutide (Eperzan®)
Semaglutide s.c. (Ozempic®) Semaglutide oral
3,3–4 Std.
2,6 Std. 12,6–14,3 Std. 4,7–5,5 Tage 5,7–6,8 Tage 5,7–6,7 Tage
Ja Nein (bei 1 wöchentlicher Form) Ja Ja Ja Ja Ja
Quelle: Vortrag Prof. M. Nauck, EASD 2019, Barcelona und swissmedicinfo.ch
Zugelassene Dosierungen
5 und 10 µg (2 /Tag) 2 mg (1 /Woche)
10 und 20 µg (1 /Tag)
1,2 und 1,8 mg (1 /Tag)
0,75 und 1,5 mg (1 /Woche)
30 und 50 mg
0,5 und 1,0 mg (1 /Woche) noch nicht zugelassen
MACE (major cardiovascular event; nicht tödlicher Myokardinfarkt, nicht tödlicher Hirnschlag, kardiovaskulärer Tod) und Gesamtmortalität geliefert. Während bei SGLT2Hemmern die Kardioprotektion ein Klasseneffekt zu sein scheint, DPP-4-Hemmer kardiovaskulär neutral sind, lassen sich GLP-1-RA diesbezüglich nicht über einen Kamm scheren. In Bezug auf MACE sind nur die lang wirksamen GLP1-RA signifikant kardioprotektiv, Lixisenatide und Exenatide dagegen nicht. Die Gesamtmortalität signifikant zu reduzieren vermögen neben dem SGLT2-Hemmer Empagliflozin von den GLP-1-RA nur Liraglutide und Semaglutide (oral). Die Herzinsuffizienz günstig beeinflussen können nur SGLT2-Hemmer, GLP-1-RA üben darauf keinen Einfluss aus, ebenso wenig DPP-4-Hemmer mit Ausnahme von Saxagliptin, das die herzinsuffizienzbedingte Hospitalisationsrate noch weiter erhöht (1).
Das nächste Kapitel ist oral
Bislang mussten alle GLP-1-RA subkutan injiziert werden,
da die Bioverfügbarkeit bei oraler Verabreichung sehr
schlecht ist. Das wird sich schon bald ändern. Dank einer Ko-
formulierung mit dem SNAC-Transporter (Sodium N-Ami-
nocaprylat) ist es möglich geworden, die Absorption von Se-
maglutide im Magenepithel so zu verbessern, dass eine orale
tägliche Einnahme möglich ist. Bei der neuen Formulierung
mit 300 mg SNAC ist es jedoch notwendig, das orale Sema-
glutide in nüchternem Zustand mit einem Glas Wasser
30 Minuten vor dem Frühstück und allen anderen Medika-
tionen einzunehmen.
Im Vergleich zu Plazebo sinkt der HbA1c-Wert je nach Semaglutidedosierung um bis zu 1,6 Prozent und das Gewicht um
bis zu 5 kg (8). Bezüglich HbA1c-Reduktion sei das orale Semaglutide dem subkutanen Liraglutide (1,8 mg) ebenbürtig, im
Bereich der Gewichtssenkung aber überlegen (9), so Nauck.
Am EASD-Kongress wurden weitere Studien vorgestellt,
die die orale Formulierung versus Empagliflozin (25 mg),
Sitagliptin (100 mg) und als Zusatz zu Basalinsulin unter-
sucht hatten. In allen Vergleichsstudien schnitt der orale
GLP-1-RA in Bezug auf HbA1c- und Gewichtssenkung bes-
ser ab (10–13).
L
Quellen: «Clinical properties and differences between GLP-1-Agonists». Jah-
reskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) 2019,
16. bis 20. September in Barcelona.
Referenzen: 1. Nauck MA et al.: Eur J Endocrinol 2019 (in press). 2. Dungan et al.: Once-weekly dulaglutide versus once-daily lira-
glutide in metformin-treated patients with type 2 diabetes (AWARD-6): a randomised, open-label, phase 3, non-inferiority trial. Lancet 2014; 384: 1349–1357. 3. Pratley RE et al.: Semaglutide versus dulaglutide once weekly in patients with type 2 diabetes (SUSTAIN 7): a randomised, openlabel, phase 3b trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2018; 6: 275– 286. 4. Nauck MA et al.: A Phase 2, Randomized, Dose-Finding Study of the Novel Once-Weekly Human GLP-1 Analog, Semaglutide, Compared with placebo and open-label liraglutide in patients with type 2 diabetes. Diabetes Care 2015; 39: 231–241. 5. Abd El Aziz MS et al.: A meta-analysis comparing clinical effects of short- or long-acting GLP-1 receptor agonists versus insulin treatment from head-to-head studies in type 2 diabetic patients. Diabetes Obes Metab 2016; 19: 216–227. 6. Nisse SE et al.: Effect of Rosiglitazone on the risk of myocardial infarction and death from cardiovascular causes. N Engl J Med 2007; 356: 2457–2471. 7. Hirshberg B et al.: Impact of the U.S. Food and Drug Administration cardiovascular assessment requirements on the development of novel antidiabetes drugs. Diabetes Care 2011; 34 Suppl 2: S101–106. 8. Davies M et al.: Effect of oral semaglutide compared with placebo and subcutaneous semaglutide on glycemic control in patients with type 2 diabetes: a randomized clinical trial. JAMA 2017; 318: 1460–1470. 9. Pratley RE et al.: Oral semaglutide versus subcutaneous liraglutide and placebo in type 2 diabetes (PIONEER 4): a randomised, double-blind, phase 3a trial. Lancet 2019; 394: 39–50. 10. Rodbard HW et al.: Oral Semaglutide versus Empagliflozin in Patients with Type 2 Diabetes Uncontrolled on Metformin: The PIONEER 2 Trial. Diabetes Care 2019 Sep 17; Epub ahead of print. 11. Rosenstock J et al.: Effect of additional oral semaglutide vs sitagliptin on glycated hemoglobin in adults with type 2 diabetes uncontrolled with metformin alone or with sulfonylurea: the PIONEER 3 randomized clinical trial. JAMA 2019; 321: 1466–1480. 12. Pieber TR et al.: Efficacy and safety of oral semaglutide with flexible dose adjustment versus sitagliptin in type 2 diabetes (PIONEER 7): a multicentre, open-label, randomised, phase 3a trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2019; 7: 528–539. 13. Zinman B et al.: Efficacy, Safety and Tolerability of Oral Semaglutide Versus Placebo Added to Insulin ± Metformin in Patients with Type 2 Diabetes: the PIONEER 8 Trial. Diabetes Care 2019 Sep 17; Epub ahead of print.
Valérie Herzog
CongressSelection Diabetologie | Kardiologie | Dezember 2019
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