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CAROLINA-Studie
DPP-4-Hemmer gleich sicher wie Sulfonylharnstoff
Foto: vh
Seit der Publikation des University Group Diabetes Program (UGDP) 1970 haben Sulfonylharnstoffe den Ruf, die kardiovaskuläre Mortalität zu erhöhen. Ob dem wirklich so ist, wurde in der Vergangenheit weder bestätigt noch widerlegt. Die CAROLINA-Studie, die am diesjährigen Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) vorgestellt wurde, konnte nun den Gegenbeweis antreten.
Sulfonylharnstoffe würden weltweit noch
immer von 45 bis 50 Prozent aller Patienten mit
Typ-2-Diabetes verwendet, erklärte Prof. Julio
Rosenstock, Direktor des Dallas Diabetes and
Endocrine Center, UT Southwestern Medical
Center, Dallas (USA). Die Vorteile von Sulfonyl-
harnstoffen sind bekannt: Sie verbessern die
Blutzuckerkontrolle, die Erfahrung damit ist
gross, und sie sind kostengünstig. Die Nachteile
Prof. Julio Rosenstock
kennt man auch: Hypoglykämierisiko, Gewichtszunahme, limitierte glykämische Wir-
kung und kardiovaskuläre Sicherheitsbedenken bei Langzeit-
verwendung. Letztere entstanden aufgrund der UGDP-Studie
aus dem Jahr 1970 (1), in der bei sehr kleiner Ereigniszahl eine
statistisch signifikante kardiovaskuläre Mortalitätserhöhung
von Tolbutamid (n = 26) versus Plazebo (n = 10) festgestellt
wurde. Seit dieser Publikation trugen alle Sulfonylharnstoffe,
die in den USA auf den Markt kamen, eine Warnung betreffend
einer potenziellen Risikoerhöhung der kardiovaskulären Mor-
talität. Seither hätten viele Studien mit unterschiedlichen Sul-
fonylharnstoffen dazu widersprüchliche Ergebnisse erzielt,
und der Verdacht halte sich hartnäckig, so Rosenstock. Denn
die Fragestellung wurde bis dahin nie explizit untersucht,
was sich nun mit der CAROLINA-Studie geändert hat. Diese
untersuchte die Wirksamkeit und die kardiovaskuläre Sicher-
heit des DPP-4-Hemmers Linagliptin versus den Sulfonyl-
harnstoff Glimepirid.
Linagliptin ist kardiovaskulär neutral
Von Linagliptin ist mittlerweise erwiesen, dass es kardiovaskulär neutral ist, auch bezüglich Herzinsuffizienz, das Risiko für Ereignisse also weder erhöht noch senkt. Das zeigte die CARMELINA-Studie (2, 3). Damit dient Linagliptin in der CAROLINA-Studie als kardiovaskulär neutrale Referenz. An der Studie nahmen 6033 Patienten mit Typ-2-Diabetes teil. Sie wiesen einen durchschnittlichen HbA1c-Wert von 7,2 Prozent auf, litten durchschnittlich 6,3 Jahre an Typ-2-Diabetes und hatten ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Dieses war definiert durch eine atherosklerotisch bedingte kardiovaskuläre Erkrankung, multiple kardiovaskuläre Risiko-
faktoren, Alter mindestens 70 Jahre und eine Evidenz für mi-
krovaskuläre Komplikationen.
Die Teilnehmer erhielten doppelblind randomisiert Linaglip-
tin 5 mg/1 × pro Tag versus Glimepirid 1 bis 4 mg 1 × pro Tag
zusätzlich zur Standardtherapie. Als primärer Endpunkt war
die Dauer bis zum erstmaligen Auftreten von kardiovaskulä-
rem Tod, nicht tödlichem Myokardinfarkt oder nicht tödli-
chem Hirnschlag definiert.
Nach 6,3 Jahren Follow-up zeigte sich kein signifikanter Un-
terschied zwischen Linagliptin und Glimepirid bezüglich
Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen. Der primäre
Endpunkt war in der Linagliptingruppe bei 11,8 Prozent der
Teilnehmer und in der Glimepiridgruppe bei 12 Prozent ein-
getreten (Hazard Ratio [HR]: 0,98; 85%-Konfidenzintervall
[KI]: 0,84–1,14; p = 0,001 für Nichtunterlegenheit). Die HR
für kardiovaskuläre und nicht kardiovaskuläre Mortalität
betrug 1,00.
Zu Nebenwirkungen kam es in beiden Gruppen ähnlich häu-
fig (93,4 vs. 94,9%). Die Pankreatitisrate war in beiden
Gruppen mit 0,5 Prozent (n = 15) gleich hoch, Hypoglyk-
ämien traten unter Linagliptin seltener auf (10,6 vs. 37,7%).
Bei erwachsenen Patienten mit Typ-2-Diabetes und erhöhtem
kardiovaskulärem Risiko ist die blutzuckersenkende Therapie
mit dem DPP-4-Hemmer Linagliptin demnach ebenso sicher
wie eine Therapie mit dem Sulfonylharnstoff Glimepirid.
Diese Studie liefere zudem ein klares und überzeugendes Re-
sultat, um die jahrzehntelange Kontroverse um ein erhöhtes
kardiovaskuläres Risiko des Sulfonylharnstoffs Glimepirid
ad Acta legen und das Stigma überwinden zu können, so Stu-
dienleiter Rosenstock abschliessend.
L
Valérie Herzog
Quelle: «Results and implications of CAROLINA (CARdiOvascular Safety of LINAgliptin) comparing linagliptin vs glimepiride», Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) 2019, 16. bis 20. September in Barcelona.
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Referenzen: 1. Meinert C et al.: A study of the effects of hypoglycemic agents
on vascular complications in patients with adult-onset diabetes II. Mortality results. Diabetes 1970; 19: 789–830. 2. Rosenstock J et al.: Effect of linagliptin vs placebo on major cardiovascular events in adults with type 2 diabetes and high cardiovascular and renal risk: the CARMELINA randomized clinical trial. JAMA 2019; 321: 69–79. 3. McGuire DK et al.: Linagliptin effects on heart failure and related outcomes in individuals with type 2 diabetes mellitus at high cardiovascular and renal risk in CARMELINA. Circulation 2019; 139: 351–361. 4. Rosenstock J et al.: Effect of linagliptin vs glimepiride on major adverse cardiovascular outcomes in patients with type 2 diabetes: the CAROLINA randomized clinical trial. JAMA 2019 Sep 19; Epub ahead of print.
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