Transkript
Osteoporosetherapie 2019
Nach Absetzen von Denosumab immer CrossLaps messen
RHEUMA TOP
Über das Vorgehen, wenn eine Therapie mit Denosumab nicht weitergeführt werden kann, über neue Wirkstoffe in der Osteoporosebehandlung sowie praktische Herausforderungen in speziellen Therapiesituationen sprach Dr. Diana P. Frey, Leiterin Osteoporose-Zentrum, Klinik für Rheumatologie, Universitätsspital Zürich, am Rheuma Top 2019.
Seit der Einführung von Denosumab (Prolia®) in die Osteoporosebehandlung hat eine lange Reihe von Studien und Publikationen gezeigt, dass beim Absetzen ein Reboundphänomen mit raschem Verlust an Knochendichte und gehäuften Frakturen droht. Dies beruht darauf, dass der Knochenstoffwechsel unter Denosumab extrem unterdrückt ist, und äussert sich auch darin, dass die im Blut bestimmbaren Knochenumbaumarker (Beta-CrossLaps [β-CTx] im Serum) während einer Behandlung mit Denosumab kaum mehr messbar sind oder sogar unter der Nachweisgrenze liegen. Nach dem Absetzen kommt es zu einer überschiessenden Reaktion mit sehr ausgeprägter Ankurbelung des Knochenstoffwechsels und raschem Verlust an Knochendichte. Dieser Rebound kann schon zwei, drei Wochen nach Ausbleiben der sechsmonatlichen Denosumab-Injektion beginnen und dauert etwa ein Jahr. Besonders gefährdet für den Rebound sind Patientinnen und Patienten, die schon vor der Denosumab-Behandlung Frakturen erlitten und/oder eine besonders tiefe Knochendichte aufgewiesen hatten. Zudem dürfte das Risiko umso höher sein, je länger die Denosumab-Therapie verabreicht wurde. Umgekehrt besteht nach einer nur einmaligen Applikation, zum Beispiel weil die Patientin eine weitere Injektion ablehnt, kein Reboundrisiko. Weniger reboundgefährdet sind Patienten, die vor der Denosumab-Therapie ein Bisphosphonat erhalten hatten. «Wir wissen aber nicht genau welches Bisphosphonat und wie lange vorher, auf diesen Schutz kann man sich nicht sicher verlassen», schränkte Frey ein. In den Fokus von Osteoporosespezialisten rückte das Reboundphänomen durch den grosszügigen Einsatz von Denosumab bei onkologischen Patienten. Für Patientinnen unter Aromatasehemmern war Denosumab der einzige Wirkstoff, welcher von den Krankenkassen schon ohne Vorliegen einer manifesten Osteoporose, also bei prophylaktischer Indikation, vergütet wurde. Diese Kostenübernahme entfiel aber nach Absetzen der Aromatasehemmer, was auch zum Verzicht auf weitere Denosumab-Injektionen und in der Folge zu gehäuften Wirbelfrakturen führte. «Ich persönlich bin unterdessen sehr zurückhaltend mit Denosumab», erklärte Frey, «es setzt vor allem voraus, dass die Patientinnen compliant sind und sich nicht einfach der Therapie entziehen.»
Tipps zur Risikoreduktion nach Denosumab-Stopp
Wie soll man vorgehen, wenn trotz des Reboundproblems ein Stopp der Denosumab-Behandlung vorgesehen ist? «Zuerst würde ich dennoch versuchen, die Patientin zu überreden, vorderhand mit dieser Therapie fortzufahren», bemerkte Frey, «möglicherweise gelingt das mit dem Vorschlag, noch zwei bis drei Jahre weiterzumachen, weil wir bis dann vielleicht besser wissen, wie wir mit dieser Problematik umgehen sollen.» Entscheidet man sich jedoch zum Verzicht auf die nächste fällige Denosumab-Injektion, sollte zu diesem Zeitpunkt ein β-CTx-Test durchgeführt werden, um einen Ausgangswert zu haben. Diese Messung sollte danach alle vier Wochen wiederholt werden. Für die praktische Durchführung ist wichtig, dass die Patientinnen jeweils morgens (vor 8.30 Uhr), immer zur selben Zeit, zur Blutentnahme erscheinen, um die zirkadianen Schwankungen möglichst zu minimieren. Ist ein deutlicher Anstieg nachweisbar, sollte unbedingt ein Bisphosphonat, am besten Zoledronat (Aclasta® oder Generika), als Nachbehandlung verabreicht werden. Die orale Einnahme von Alendronat (Fosamax® oder Generika) ist demgegenüber zu unsicher, da sie eine sehr gute Therapietreue voraussetzt. Unter Zoledronat gelinge eine Unterdrückung der Abnahme der Knochendichte und damit eine Verhütung von Frakturen auch nicht immer, schränkte Frey ein. Wenig zu empfehlen ist die Verabreichung von Zoledronat direkt anstelle der ausfallenden Denosumab-Injektion, da sich das Bisphosphonat an Knochenbereiche anlegt, die unter Resorption stehen. Solange die Denosumab-Wirkung anhält, ist der Knochen jedoch noch «versiegelt», und Zoledronat kann nicht antiresorptiv wirksam werden. Nach erfolgter Zoledronat-Infusion müssen die CrossLaps alle drei Monate kontrolliert werden. Bleiben die Knochenumbaumarker trotz Zoledronat weiterhin deutlich erhöht, ist die Infusion zu wiederholen. Wie mit Bisphosphonaten können auch unter Denosumab Kiefernekrosen auftreten, allerdings handelt es sich um ein seltenes Problem, mit dem während der ersten vier Therapiejahre mit Denosumab nicht zu rechnen ist.
CongressSelection Rheumatologie | November 2019
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Neue Behandlungsmöglichkeiten bei Osteoporose
Vorderhand stützt sich die Osteoporosebehandlung unverändert auf die bekannten Wirkstoffgruppen Hormone und selektive Estrogenrezeptormodulatoren (SERM), Bisphosphonate, Denosumab sowie Teriparatid (Forsteo®). Wie Letzteres hat auch der monoklonale Antikörper Romosozumab als Sklerostin-Inhibitor eine anabole Wirkung am Knochen postmenopausaler Frauen und weckte Hoffnungen für spezielle Behandlungssituationen (hohes Frakturrisiko, Unverträglichkeit anderer Therapien). In zwei Studien mit Plazebovergleichen war Romosozumab gut verträglich, in einer weiteren Vergleichsstudie mit Alendronat wurden jedoch in der Romosozumab-Gruppe häufiger schwere kardiovaskuläre Ereignisse beobachtet. Noch ist unklar, wie diese Beobachtung zu werten ist. Es steht auch die Vermutung im Raum, dass Alendronat einen kardioprotektiven Effekt haben könnte, der Romosozumab fehlt. In den USA ist der Wirkstoff mit Einschränkung zugelassen, in der Schweiz hat sich die Zulassung wegen der Evaluation der kardiovaskulären Risiken verzögert, sollte aber bald (als Evenity®) erfolgen. Eine weitere Neuigkeit ist ein Biosimilar von Teriparatid (Terrosa®, Gedeon Richter) mit etwa einem Drittel tieferer Behandlungskosten und dem Vorteil, dass jeweils einzelne Patronen eingesetzt werden können, es sich also nicht um einen Einweginjektor handelt. Auch auf dem Markt ist ein anderes rekombinantes Teriparatid (Movymia®, Spirig), ebenfalls mit
KURZ & BÜNDIG
Ist nach Absetzen einer Therapie mit Denosumab ein Reboundphänomen nachzuweisen, muss wegen der Gefahr von Wirbelfrakturen eine Nachbehandlung mit einem Bisphosphonat erfolgen.
Kommt es trotz Zoledronat zu einem anhaltenden Anstieg der Knochenumbaumarker, ist die Infusion zu wiederholen.
Bei Patientinnen und Patienten mit Essstörungen ist zur Abschätzung der Knochendichte der Z-Score (und nicht der T-Score) zu verwenden.
Für Teriparatid sind inzwischen Biosimilars auf dem Markt.
der Indikation zur Behandlung postmenopausaler Frauen mit manifester Osteoporose und hohem Frakturrisiko.
Knochendichte bei Anorexie und Adipositas
Patienten mit Essstörungen weisen oft einen beeinträchtigten
Knochenstoffwechsel auf. Das gilt vor allem für junge Frauen
mit Anorexie, bei denen auch eine Amenorrhö besteht. Zur
Abschätzung der Knochendichte sollte der Z-Score verwen-
det werden und nicht der T-Score, da nur so ein altersgerech-
ter Vergleichsrahmen entsteht. Das gilt auch für Frauen bis
zur Menopause und für Männer bis 50 Jahre. Oft liegt bei
Anorexie und sekundärer Amenorrhö ein schlechter Z-Score
vor. Theoretisch wäre in dieser Situation eine Anhebung des
Körpergewichts angezeigt, was in der Regel nicht zu errei-
chen ist. Bei den medikamentösen Optionen mahnte Frey zu
grosser Zurückhaltung, dies vor allem bei Patientinnen, die
zwar einen Knochenmangel, aber keine Frakturen haben.
Aus pathophysiologischer Sicht wäre am ehesten ein anabo-
les Präparat, also Teriparatid, indiziert. Allerdings darf Teri-
paratid wegen der Gefahr von Osteosarkomen nicht verab-
reicht werden, solange die Epiphysenfugen noch offen sind.
Eine nicht unbestrittene Option ist eine Hormonsubstitution.
Soll ein Bisphosphonat eingesetzt werden, empfiehlt sich ein
Wirkstoff mit kurzer Wirkungsdauer (Ibandronat, Alendro-
nat), um einen allfälligen späteren Kinderwunsch nicht zu be-
einträchtigen.
Bariatrische Eingriffe mit raschem Gewichtsverlust können
zur Entwicklung einer Osteoporose führen. Deshalb ist eine
Überwachung der Knochendichte bei solchen Patienten drin-
gend notwendig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Werte
der Knochendichtemessung bei Adipösen tendenziell falsch
hoch sein können. Nehmen solche Patienten dann ab, entfällt
dieser Effekt.
Zur Beeinflussung der Knochendichte reiche Vitamin D allein
oder Kalzium allein nicht aus, erinnerte Frey. Für Vitamin D
haben etliche Studien gezeigt, dass hohe und sehr hohe Dosen
und lange Applikationsintervalle schlechtere Ergebnisse brin-
gen. Daher sind Standarddosierungen (z.B. 400–800 IE/Tag)
und tägliche, allenfalls wöchentliche oder höchstens monatli-
che Einnahmen sinnvoll.
L
Halid Bas
Quelle: Workshop «Osteoporose-Therapie 2019», Rheuma Top 2019, 22. August 2019 in Pfäffikon SZ.
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