Transkript
Komorbiditäten bei rheumatischen Erkrankungen
Entzündete Gelenke, verschlossene Koronararterien
EULAR
Rheumatische Erkrankungen sind mit vielfachen und vielfältigen Komorbiditäten assoziiert. Insbesondere das kardiovaskuläre Risiko ist bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), Psoriasis-Arthritis und Gicht signifikant erhöht. Die medikamentöse Therapie kann dieses Risiko reduzieren. Eine aktuelle Studie zeigt für die Psoriasis-Arthritis aber auch die ausgezeichnete Wirksamkeit einer Lebensstilintervention.
Verschiedene entzündlich rheumatische Erkrankungen sind mit einem deutlich erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert (1). Längere Krankheitsdauer erhöht dabei das Risiko eines Ereignisses. Dies spreche dafür, dass hier ein tatsächlicher kausaler Zusammenhang besteht und nicht lediglich ein gemeinsamer genetischer Hintergrund, so Prof. Iain McInnes aus Glasgow (GB). Andererseits weisen Patienten mit bestimmten rheumatischen Erkrankungen auch häufig konventionelle Risikofaktoren auf. Tatsächlich zeigt eine grössere Zahl von Studien, dass Dyslipidämie, Hypertonie, Adipositas und Typ-2-Diabetes beispielsweise bei Patienten mit Psoriasis-Arthritis (PsA) häufiger gefunden werden als bei Kontrollpersonen (2). Wobei die Assoziation auch in die andere Richtung nachgewiesen und Adipositas als Risikofaktor für das Auftreten einer Psoriasis-Arthritis identifiziert werden konnte (3). Ausschlaggebend für das deutlich erhöhte Risiko dürfte die Kombination von konventionellen Risikofaktoren und rheumatischer Erkrankung sein. McInnes und seine Gruppe stellten am Beispiel der RA vor mehr als 15 Jahren die Hypothese auf, dass eine immunmediierte Erkrankung die Wirkung der konventionellen Risikofaktoren auf die Endorgane beschleunigt, wofür systemische Zytokine verantwortlich sein dürften (4). Dies treffe auch auf die Psoriasis-Arthritis zu, wobei McInnes allerdings darauf hinwies, dass erfahrungsgemäss Patienten mit Psoriasis-Arthritis häufiger übergewichtig seien als Patienten mit rheumatoider Arthritis. Allerdings konnte mittlerweile gezeigt werden, dass Patienten mit PsA unabhängig von konventionellen Risikofaktoren eine höhere und mit der Krankheitsaktivität assoziierte koronare Plaquebelastung aufweisen als Kontrollpersonen ohne PsA (5). Aussagekräftig seien in diesem Zusammenhang auch die Ergebnisse der CANTOS-Studie, die bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten ohne rheumatische Erkrankung eine Reduktion des kardiovaskulären Risikos durch den Anti-IL1-Antikörper Canakinumab nachweisen konnte (6). Für Patienten mit rheumatischen und anderen immunmediierten Erkrankungen liegen entsprechende Daten schon länger vor. Unter anderem konnte bei Psoriasispatienten mittels Koronar-CT eine Reduktion des Plaquevolumens unter Biologikatherapie demonstriert werden (7).
Gewichtsreduktion reduziert auch die Krankheitsaktivität
Aktuelle, im Rahmen des EULAR 2019 vorgestellte Daten zeigen nun, dass radikale Lebensstilmassnahmen bei Patienten mit Psoriasis-Arthritis nicht nur das kardiovaskuläre Risiko, sondern auch die Krankheitsaktivität der Patienten beeinflussen können. Eine schwedische Gruppe rekrutierte 41 adipöse Patienten (BMI ab 33 kg/m2) mit Psoriasis-Arthritis und setzte sie für 12 bis 16 Wochen auf eine massiv kalorienreduzierte Diät (640 kcal/d) in Form einer Formuladiät. Im Anschluss wurden die Patienten langsam und strukturiert wieder an normale Ernährung gewöhnt. Auf diesem Weg wurde eine mediane Gewichtsreduktion um 18,6 Prozent erreicht. Dies war mit einer signifikanten Reduktion der Krankheitsaktivität assoziiert. Nach sechs Monaten hatten 46,3 Prozent der Probanden die Psoriatic Arthritis Response Criteria (PsARC) erreicht, das Ansprechen nach den Kriterien des American College of Rheumatology (ACR) 20, 50 und 70 lag bei 51,2 Prozent, 34,1 Prozent und 7,3 Prozent. Für die im Rahmen des EULAR vorgestellten Ein-Jahres-Ergebnisse standen Daten von 39 Patienten zur Verfügung. Sie zeigen eine anhaltend gute Gewichtskontrolle mit einem medianen Gewichtsverlust von 16,1 kg (16%), der mit einer anhaltenden Verbesserung der Krankheitsaktivität assoziiert war. PsARC wurde nach 12 Monaten noch von 35,9 Prozent (n = 14) erfüllt. Die Ansprechraten nach ACR 20, 50 und 70 hatten sich sogar noch leicht verbessert und lagen bei 53,8 Prozent (n = 21), 35,9 Prozent (n = 14) und 15,5 Prozent (n = 6). Darüber hinaus wurden auch anhaltende Verbesserungen zahlreicher kardiovaskulärer Risikofaktoren wie Plasmalipide, Blutdruck, Harnsäure und Nüchternglukose festgestellt (8). Studienautorin Prof. Eva Klingberg aus Göteborg (Schweden) betonte anlässlich der Präsentation der Daten, dass die Gewichtsreduktion mittels Formuladiät von den Probanden als überraschend einfach empfunden wurde.
Gichtpatienten haben hohes kardiovaskuläres Risiko
Noch enger mit dem metabolischen Syndrom und dem kardiovaskulären Risiko verzahnt als die immunmediierten entzündlich rheumatischen Erkrankungen ist die Gicht. So
CongressSelection Rheumatologie | September 2019
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betonte Dr. Edward Roddy aus Newcastle-under-Lyme (GB),
dass rund 50 Prozent der Gichtpatienten unter Hypertonie
leiden und auch praktisch alle anderen kardiovaskulären
Risikofaktoren sowie eingeschränkte Nierenfunktion und
Typ-2-Diabetes in der Gichtpopulation gehäuft gefunden
werden. Es sei allerdings noch zu klären, wie weit diese Asso-
ziationen kausale Zusammenhänge auf Basis plausibler bio-
logischer Mechanismen sind oder ob es sich bei Gicht ledig-
lich um eine weitere Folge eines ungünstigen Lebensstils
handle. Clusteranalysen zeigen jedenfalls, dass eine isolierte
Gicht eher die Ausnahme darstellt und lediglich bei rund
12 Prozent der Gichtpatienten angetroffen wird. Die Regel
sind hingegen mehrfache Komorbiditäten (9).
Als besonders problematisch ist eine komorbide Nierener-
krankung zu betrachten, da diese das Management der Gicht
erheblich erschwert. NSAR sind bei niereninsuffizienten
Patienten kontraindiziert, und für die uratsenkende Therapie
mit Allopurinol werden reduzierte Dosierungen empfohlen.
Dies führt allerdings dazu, dass das Uratziel seltener erreicht
wird. Allerdings zeigt eine randomisierte, kontrollierte Stu-
die, dass die Vorsicht möglicherweise übertrieben wird. Im
Rahmen der Studie wurde versucht, bei Patienten mit Nieren-
insuffizienz, die unter der reduzierten Allopurinoldosis das
Uratziel von 6 mg/dl nicht erreichten, die Dosis zu eskalieren,
was zu verbesserter Zielwerterreichung ohne zusätzliche
Komplikationen führte (10). Eine anschliessende Analyse
zeigte, dass die Patienten erhebliche Allopurinoldosen erhiel-
ten, nämlich in der Gruppe mit einer eGFR über 60 eine
Dosierung von durchschnittlich 491 mg Allopurinol und bei
einer eGFR unter 30 immerhin noch 350 mg Allopurinol –
und das zum Zeitpunkt der Auswertung bereits seit zwei Jah-
ren und bei guter Verträglichkeit bei geringer Inzidenz von
renalen Nebenwirkungen und Überempfindlichkeitsreak-
tionen (11).
Die kardiovaskuläre Mortalität ist bei Gicht um den Faktor
1,29 und die Mortalität infolge koronarer Herzkrankheit um
den Faktor 1,42 erhöht (12). Verantwortlich dafür dürften,
so Dr. Mariano Andrés aus Alicante (E), systemische Inflam-
mation und oxidativer Stress sein. Dass eine uratsenkende
Therapie, die zur Auflösung der ausgefallenen Mono-Na-
triumurat-Kristalle führt, die Situation verbessern kann, ist
naheliegend, aber bislang nicht in kontrollierten Studien be-
wiesen, da es unethisch wäre, Gichtpatienten die etablierte
uratsenkende Therapie vorzuenthalten. Interessante neue
Daten gibt es allerdings für das im Management der Gicht
eingesetzte Colchicin: In zwei Studien war die Inzidenz von
Myokardinfarkten bei Gichtpatienten um fast 50 Prozent re-
duziert, wenn die Standardprävention durch niedrig dosier-
tes Colchicin erweitert wurde (13, 14).
L
Reno Barth
Quelle: Clinical Science Sessions «Comorbidities in Psoriatic Arthritis» und «Getting a grip on the co-morbidities in gout» beim Jahreskongress der European League against Rheumatism (EULAR) 2019, am 12. und 13. Juni 2019 in Madrid.
Referenzen: 1. Ogdie A et al.: Risk of major cardiovascular events in patients
with psoriatic arthritis, psoriasis and rheumatoid arthritis: a population-based cohort study. Ann Rheum Dis 2015; 74(2): 326– 332. 2. Jamnitski A et al.: Cardiovascular comorbidities in patients with psoriatic arthritis: a systematic review. Ann Rheum Dis 2013; 72(2): 211–216. 3. Love TJ et al.: Obesity and the risk of psoriatic arthritis: a population-based study. Ann Rheum Dis 2012; 71(8): 1273–1277. 4. Sattar N et al.: Explaining how «high-grade» systemic inflammation accelerates vascular risk in rheumatoid arthritis. Circulation 2003; 108(24): 2957–2963. 5. Szentpetery A et al.: Higher Coronary Plaque Burden in Psoriatic Arthritis Is Independent of Metabolic Syndrome and Associated With Underlying Disease Severity. Arthritis Rheumatol 2018; 70(3): 396–407. 6. Ridker PM et al.: Antiinflammatory Therapy with Canakinumab for Atherosclerotic Disease. N Engl J Med 2017; 377(12): 1119–1131. 7. Elnabawi YA et al.: Coronary artery plaque characteristics and treatment with biologic therapy in severe psoriasis: results from a prospective observational study. Cardiovasc Res 2019; 115(4): 721–728. 8. Klingberg E et al.: Sustained low disease activity after weight loss treatment in patients with psoriatic arthritis and obesity; a 12-months follow-up. EULAR 2019, Abstract OP0008. 9. Bevis M et al.: Comorbidity clusters in people with gout: an observational cohort study with linked medical record review. Rheumatology (Oxford) 2018; 57(8): 1358–1363. 10. Stamp LK et al.: Allopurinol dose escalation to achieve serum urate below 6 mg/dL: an open-label extension study. Ann Rheum Dis 2017; 76(12): 2065–2070. 11. Stamp LK et al.: The effect of kidney function on the urate lowering effect and safety of increasing allopurinol above doses based on creatinine clearance: a post hoc analysis of a randomized controlled trial. Arthritis Res Ther 2017; 19(1): 283. 12. Clarson LE et al.: Increased cardiovascular mortality associated with gout: a systematic review and meta-analysis. Eur J Prev Cardiol 2015; 22(3): 335–343. 13. Crittenden DB et al.: Colchicine use is associated with decreased prevalence of myocardial infarction in patients with gout. J Rheumatol 2012; 39(7): 1458–1464. 14. Solomon DH et al.: Effects of colchicine on risk of cardiovascular events and mortality among patients with gout: a cohort study using electronic medical records linked with Medicare claims. Ann Rheum Dis 2016; 75(9): 1674–1679.
EULAR 2019 Report
Noch mehr interessante Highlights vom EULAR gibt es im EULAR 2019 Report, der von der European League Against Rheumatism (EULAR) selbst veröffentlicht wurde und online einsehbar ist unter
https://www.eularcongressnews-digital.com/eularcongressnews/eular_2019_report
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