Transkript
HFA
ReBIC-Studie
Absetzen des Diuretikums scheint bei chronischer Herzinsuffizienz möglich
Ist es möglich, bei Patienten mit gut eingestellter chronischer Herzinsuffizienz auf das Diuretikum zu verzichten und so die Therapie zu vereinfachen? Die Ergebnisse der ReBIC-Studie, die am Kongress der Heart Failure Association (HFA) 2019 präsentiert wurden, deuten darauf hin.
Quellen: Biolo A: «Furosemide withdrawal in stable chronic outpatients with heart failure: a double-blind, multicenter, randomized trial.» Präsentiert im Rahmen des Kongresses Heart Failure 2019 der European Society of Cardiology (ESC), 26. Mai in Athen. «Diuretic withdrawal is safe for stable heart failure patients.» Pressemitteilung der ESC vom 26. Mai 2019.
Zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz (CHF) und allfälliger Komorbiditäten bedarf es einer Vielzahl von Medikamenten, unter anderem Diuretika. Die Einnahme derselben führt einerseits zu einer sofortigen Verbesserung der Symptome, wie schon Studien in den 1980er- und 1990erJahren gezeigt haben. Möglicherweise haben sie jedoch auch negative Auswirkungen und beeinträchtigen dosisabhängig sogar das Überleben. Insofern wollten Dr. Andréia Biolo et al., Hospital de Clinicas de Porto Alegre (BR) im Auftrag des Brasilian Research Network in Heart Failure wissen, inwieweit ein Absetzen der Diuretika bei stabilen CHF-Patienten eine Option darstellt, die oft grosse Zahl der Medikamente ohne Gefahr einer klinischen Verschlechterung zu reduzieren. Den Ergebnissen ihrer als Late-Breaking Clinical Trial präsentierten Studie gemäss scheint das möglich zu sein.
Furosemid bei der Hälfte abgesetzt
Die ReBIC-1-Studie (n = 188) ist die erste multizentrische Studie, die sich dieser Fragestellung annahm. In elf Zentren in Brasilien wurde doppelblind randomisiert untersucht, inwieweit Furosemid bei stabilen, euvolämischen Patienten mit CHF-NYHA-Stadium I oder II und einer linksventrikulären Auswurffraktion ≤ 45 Prozent sicher und verträglich abgesetzt werden kann. Etwa 60 Prozent der Patienten waren im NYHA-Stadium I und das mittlere Alter aller Involvierten lag bei 59 Jahren. Damit handele es sich um eine Gruppe mit sehr niedrigem Risiko, wie Biolo anmerkte, die auf lange Sicht eine Reduktion der Medikamente sicher begrüssen würde. Patienten kamen infrage, wenn ihre Herzinsuffizienz optimal therapiert war und sie in den vergangenen sechs Monaten weder dekompensiert noch hospitalisiert waren und eine stabile Diuretikadosis von 40 bis 80 mg Furosemid pro Tag eingenommen hatten. 95 der Patienten wurden der Interventionsgruppe zugeteilt, in der Furosemid abgesetzt wurde, und 93 Patienten, die die Medikation fortführten, der Kontrollgruppe. Eine Nachbeobachtung erfolgte über 90 Tage.
Keine vermehrte Dyspnoe
Als koprimäre Endpunkte wurden Dyspnoe und zusätzlicher Diuretikabedarf definiert. Das Ausmass der Dyspnoe, deren Schweregrad von den Patienten regelmässig mittels einer visuellen Analogskala eingeschätzt wurde, war von besonderem Interesse. Innerhalb von 90 Tagen nach der Randomisierung ergab sich diesbezüglich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen (p = 0,94). Weiterhin wurde
festgehalten, wie viele Patienten beider Gruppen im Beobachtungszeitraum ohne zusätzliche Diuretika zurechtkamen. Auch diesbezüglich ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen (74,3 vs. 83,9%; p = 0,16). Auch bei den sekundären Endpunkten, wie dem NT-pro BNP, der 6-Minuten-Gehstrecke und dem Körpergewicht, ergaben sich keine relevanten Abweichungen durch das Absetzen.
Limitierte Aussagekraft im Hinblick auf Ereignisse
Unter den 95 Patienten, bei denen Furosemid abgesetzt
wurde, waren klinische Ereignisse (Tod oder Hospitalisatio-
nen aufgrund der CHF) nicht signifikant häufiger als in der
Kontrollgruppe, die kombinierte Rate der mit Herzinsuffi-
zienz in Verbindung stehenden Ereignisse war in beiden
Gruppen mit je 5,4 Prozent exakt gleich. Aufgrund ihrer
Grösse ist die statistische Aussagekraft der Studie in dieser
Hinsicht jedoch nicht ausreichend, um das Risiko abschlies-
send zu bewerten. Auch wurden die Langzeiteffekte des Di-
uretikaabsetzens nicht evaluiert, wie die Studienleiterin an-
merkte. Dennoch lasse sich festhalten, dass das Absetzen des
Diuretikums bei stabilen, ambulanten CHF-Patienten niedri-
ger NYHA-Klasse und reduzierter linkventrikulärer Ejekti-
onsfraktion ohne klinische Anzeichen einer Überwässerung
weder zu einer signifikanten Verschlechterung der Dyspnoe
noch zu einem vermehrten Einsatz zusätzlicher Diuretika ge-
führt hat. Insofern schliessen die Studienautoren, dass das
Absetzen bei den meisten dieser Patienten gut verträglich und
einen Gedanken wert zu sein scheine.
Auch Dr. Michael Felker, Duke University, Durham, North
Carolina (USA), der im Anschluss an die Präsentation als Dis-
kutant der Ergebnisse eingeladen war, kommt zu dem
Schluss, dass die Ergebnisse dieser relativ kleinen, aber kli-
nisch wichtigen Studie einen wichtigen Hinweis geben. Auch
wenn man daraus die Sicherheit der untersuchten Mass-
nahme nicht abschliessend beurteilen könne, rechtfertige sie
doch die weitere Abklärung eines solches Vorgehens bei
CHF-Patienten mit niedrigem Risiko. Auch wenn bei der
Herzinsuffizienz normalerweise eine Intensivierung der The-
rapie im Vordergrund stehe, könnte Optimierung auch etwas
anderes bedeuten, nämlich die richtige Therapie für die rich-
tigen Patienten.
L
Christine Mücke
22 CongressSelection Kardiologie | September 2019