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Titel
Nahrungsmittelallergien – Risikofaktoren für schwere Anaphylaxien
Untertitel
-
Lead
Bei Nahrungsmittelallergien können verschiedene Kofaktoren sowohl die Auslösungsschwelle als auch den Schweregrad der Symptomatik beeinflussen. Das Spektrum der Kofaktoren reiche von nicht steroidalen Entzündungshemmern bis zu Cannabis, berichtete Prof. Barbara Ballmer-Weber aus St. Gallen am Allergy and Immunology Update in Grindelwald.
Datum
Autoren
-
Rubrik
21st Course - Allergy and Immunology Update (AIU) - Grindelwald 25. bis 27. Januar 2019
Artikel-ID
41582
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Nahrungsmittelallergien
Risikofaktoren für schwere Anaphylaxien

AIU

Foto: H.B.

Bei Nahrungsmittelallergien können verschiedene Kofaktoren sowohl die Auslösungsschwelle als auch den Schweregrad der Symptomatik beeinflussen. Das Spektrum der Kofaktoren reiche von nicht steroidalen Entzündungshemmern bis zu Cannabis, berichtete Prof. Barbara Ballmer-Weber aus St. Gallen am Allergy and Immunology Update in Grindelwald.

Als Risikofaktoren, die bei Nahrungsmittelal-

lergien eine lebensbedrohliche allergische Re-

aktion begünstigen können, kommen vor allem

einerseits allergenspezifische sowie andererseits

patientenspezifische Faktoren (Alkoholkonsum,

Medikamente, körperliche Belastung) in-

frage (1). Ein erster Hinweis, dass Acetylsalicyl-

säure (ASS) bei einer bestehenden Nahrungsmit-

telallergie eine lebensbedrohliche Anaphylaxie

PD Barbara Ballmer-Weber

hervorrufen kann, erschien in den Sechzigerjahren. In einer Beobachtungsstudie bei ambulan-

ten Patienten mit bestätigter Nahrungsmittelallergie erwiesen

sich körperliche Anstrengung (10%), Alkoholkonsum (5%)

und – viel seltener – nicht steroidale Entzündungshemmer

(NSAID, 0,6%) als Kofaktoren für ausgeprägte Symptome (2).

Anhand der Daten des europäischen Anaphylaxieregisters

wurde eine Erhöhung des Risikos für schwere anaphylakti-

sche Reaktionen wie Hypoxämie, Hypotonie, Kollaps, Be-

wusstseinsveränderung oder Inkontinenz untersucht (3). Als

wichtigste Kofaktoren erwiesen sich neben einem höheren

Patientenalter vor allem das Vorliegen einer Mastozytose

(Odds Ratio [OR]: 3,1), ferner körperliche Belastung (OR:

1,5), männliches Geschlecht (OR: 1,2) und psychische Belas-

tung (OR: 1,4). In der Regressionsanalyse waren zudem die

in zeitlicher Nähe zur Allergenexposition erfolgte Einnahme

von Betablockern (OR: 1,9) und ACE-Hemmern (OR: 1,28)

wichtige Faktoren, nicht jedoch diejenige von ASS. Es gibt je-

doch auch Zahlen, die ein anderes Bild vermitteln. So waren

in einer Beobachtungsstudie aus Spanien bei anaphylaktischen

Reaktionen auf Nahrungsmittel NSAID sehr häufig (58%) in-

volviert, vor körperlicher Belastung (52,7%) und Alkohol-

konsum (12,2%) (4).

Körperliche Belastung als Augmentationsfaktor
Als möglicher Pathomechanismus bei der Wechselwirkung zwischen Nahrungsmittelallergie und NSAID bietet sich eine Erhöhung der Schleimhautdurchlässigkeit in Magen, Duodenum und Dünndarm an, die eine gesteigerte Aufnahme von Allergenen bewirkt. Ausserdem gibt es Hinweise, dass NSAID eine IgE-vermittelte Aktivierung von Basophilen bewirken können, die zu einer Senkung der Degranulationsschwelle führt. Daneben werden aber auch noch genetische Faktoren diskutiert.

Für den Zusammenhang zwischen körperlicher Belastung und verstärkten allergischen Reaktionen bei Nahrungsmittelallergie ist die weizenabhängige, belastungsinduzierte Anaphylaxie (wheat dependent exercise-induced anaphylaxis, WDEIA) von Interesse. In einer Studie mit kontrollierter Gluten- und Laufbandbelastung bei Patienten mit dokumentierter oder vermuteter weizeninduzierter Allergie (WIA) oder WDEIA liess sich nachweisen, dass mehr als die Hälfte der WDEAI-Patienten auch ohne Belastung eine allergische Reaktion zeigte (5). Die körperliche Belastung in Kombination mit der Einnahme von Gluten bewirkte jedoch eine Senkung der Auslösungsschwelle einer anaphylaktischen Reaktion sowie eine Symptomverstärkung. Bei der WDEIA handele es sich somit um eine gewöhnliche Weizenallergie mit hoher Auslösungsschwelle, bei der die körperliche Belastung bloss ein Augmentationsfaktor sei, folgerte Ballmer-Weber.

Auch einmal an Hanf denken

Produkte der Hanfpflanze (Cannabis sativa) sind weitver-

breitet: in den wegen ihrer psychoaktiven Wirkstoffe konsu-

mierten Blütenknospen (Marijuana) oder Harzen (Haschisch),

aber auch in vielen Produkten aus Hanf sowie in den in der

Nahrungsmittelproduktion verwendeten ölhaltigen Hanfsa-

men. Anhand von Fallbeispielen erwähnte Ballmer-Weber die

Möglichkeit einer Sensibilisierung gegenüber Lipidtransfer-

protein (LTP), die durch direkten Hautkontakt mit Mari-

juana, möglicherweise aber auch durch passiven Kontakt mit

Marijuanarauch erfolgen kann. Diese Sensibilisierung kann

auch ein LTP-vermittelter Kofaktor bei der Verstärkung einer

Nahrungsmittelallergie (z.B. gegen Pfirsiche) sein. In einer

Studie bei 120 Patienten mit Cannabisallergie berichteten 21

Prozent von anaphylaktischen Reaktionen und 19 Prozent

von lokalisierten Hautsymptomen (6). 86 Prozent hatten IgE

auf Hanf, 72 Prozent IgE gegen LTP. Bei 45 Prozent traten

systemische Reaktionen auf pflanzliche Nahrungsmittel auf,

die bei 31 Prozent von Kofaktoren abhingen.

L

Halid Bas
Referenzen unter www.rosenfluh.ch
Quelle: «Risk factors for food allergy», 21st Course, Allergy and Immunology Update (AIU), 25. bis 27. Januar 2019 in Grindelwald.

CongressSelection Pneumologie/Allergologie | August 2019

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AIU
Referenzen: 1. Turner PJ et al.: Can we identify patients at risk of life-threa-
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