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Highlights vom American Thoracic Society-Kongress
Lungenbeteiligung im Rahmen einer Sklerodermie: Erstmalig gelingt Progressionshemmung
Ungefähr 14 000 Pneumologen hatten am Jahreskongress der American Thoracic Society in Dallas bei den vielen Sessions die Qual der Wahl, sich über neueste Studien ihres Fachgebiets zu informieren und sich mit Kollegen aus aller Welt auszutauschen. Im Folgenden eine kleine Auswahl der besonders interessanten Daten.
Antifibrotikum bremst Lungenfunktionsverlust bei Patienten mit systemischer Sklerose
Der Tyrosinkinasehemmer Nintedanib kann die Progression der Lungenfibrose bei Patienten mit idiopathischer pulmonaler Fibrose (IPF) abbremsen und ist hierzu auch zugelassen. Experimentelle Daten deuteten darauf hin, dass das Antifibrotikum auch bei einer Lungenfibrose anderer Ursache wirksam sein könnte. Dass dies in der Tat der Fall ist, hat jetzt die SENSCIS-Studie gezeigt, die grösste randomisierte, kontrollierte Studie, die bei Patienten mit systemischer Sklerose (SSc) und damit assoziierter interstitieller Lungenerkrankung durchgeführt wurde (1): Hier wurden 576 Patienten mit SSc über ein Jahr entweder mit einem Plazebo oder mit Nintedanib behandelt. Sie durften nach wie vor ihre normale Medikation (Mycophenolat und Steroide) einnehmen. Primärer Studienendpunkt war die Abnahme der FVC-Werte (ml/Jahr). Sie nahmen bei Einnahme von Nintedanib um 52,4 ml/Jahr ab im Vergleich zu 93,3 ml/Jahr bei Therapie mit Plazebo (p = 0,04). Dies entsprach einer relativen Reduktion der Verschlechterung der Lungenfunktion durch Nintedanib um 44 Prozent. Ein ähnlicher Behandlungseffekt wurde auch in den Studien mit IPF-Patienten erreicht. In der Studie wies Nintedanib ein ähnliches Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil auf wie bei Patienten mit IPF, das häufigste unerwünschte Ereignis war Durchfall. «Dies sind sehr gute Nachrichten für SSc-Patienten und deren Ärzte, weil es bis heute keine Behandlungsmöglichkeit für SSc-Patienten mit assoziierter interstitieller Lungenerkrankung gibt», erklärte Prof. Oliver Distler, Universitätsspital Zürich, bei der Präsentation der Studie, die zeitgleich im «New England Journal of Medicine» veröffentlicht wurde. Interstitielle Lungenerkrankungen sind für zirka einen Drittel der Todesfälle von SSc-Patienten verantwortlich.
Kann bei leichtem Asthma auf Dauermedikation verzichtet werden?
Patienten mit leichtem persistierendem Asthma (GINA-Stufe 1 und 2) und niedrigen Konzentrationen von Eosinophilen im Sputum können mit einer Bedarfsmedikation mit inhala-
tiven Steroiden (ICS) und Tiotropium ebenso gut versorgt werden wie mit einer Dauermedikation mit ICS (2). In der 42 Wochen langen SIENA-Studie im Cross-over-Design wurden Patienten mit mildem persistierendem Asthma jeweils 12 Wochen lang mit dem inhalativen Steroid Mometason, Tiotropium und Plazebo behandelt. Primärer Studienendpunkt war das Ansprechen auf Mometason und Tiotropium im Vergleich zur Plazebogruppe. 73 Prozent der 295 Studienteilnehmer wiesen niedrige Eosinophilenkonzentrationen im Sputum (unter 2%) auf. Bei diesen Studienteilnehmern machte es hinsichtlich der Asthmakontrolle keinen Unterschied, ob sie mit Mometason oder mit Plazebo behandelt wurden. Dagegen war die Asthmakontrolle mit Tiotropium signifikant besser als mit Plazebo (60 vs. 40%; p = 0,029). Bei der Rate der schweren Exazerbationen schnitt die Gruppe, die mit der Bedarfsmedikation versorgt wurde, sogar besser ab: Ihr relatives Risiko für eine schwere Exazerbation war um 56 Prozent geringer als das der Gruppe mit der Dauermedikation. Anders sah es bei Betrachtung von Patienten mit einem Eosinophilengehalt von über 2 Prozent aus: Sie profitierten von der Dauertherapie mit ICS. In der Studie wurde auch die NO-Konzentration im Exhalat gemessen: Sie sank bei der Bedarfstherapie vergleichbar stark ab wie bei der Dauertherapie. Dies weist nach Ansicht der Autoren darauf hin, dass Entzündungsvorgänge bei leichtem Asthma so schwach ausgeprägt sind, dass sie mit einer Bedarfsmedikation ebenso kontrolliert werden können wie mit der Dauertherapie. Dr. Stephen Lazarus, Pneumologe an der Universität Kalifornien, San Francisco (USA), wies bei der Präsentation der Studie, die zeitgleich im «New England Journal of Medicine» publiziert wurde, allerdings darauf hin, dass die Untersuchung der Konzentration an Eosinophilen im Sputum zu aufwendig für die tägliche Praxis ist, um ihn als Biomarker für die Therapieauswahl einzusetzen. Schon im letzten Jahr geriet das Dogma Dauertherapie ins Wanken: In den SYGMA-Studien 1 und 2 wurde dieselbe Medikation wie in der aktuellen Studie an Patienten mit Asthma der GINA-Stufe 2 untersucht. Insgesamt wurde das
2 CongressSelection Pneumologie/Allergologie | August 2019
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Asthma nach wie vor durch die Dauertherapie mit Steroiden am besten kontrolliert, doch auch in den SYGMA-Studien waren die beiden Ansätze im Hinblick auf Exazerbationen ebenbürtig.
Natürliche Geburt in Kombination mit Stillen schützt vor rezidivierendem Giemen
Kinder, die vaginal entbunden und zusätzlich gestillt werden, haben ein signifikant verringertes Risiko für wiederholte Episoden von Giemen, vermutlich durch eine protektive Wirkung des Kontakts mit Keimen in den Geburtswegen (3). Dies zeigte die Studie einer Kohorte von 1456 Kindern: Hier war das Stillen, besonders das ausschliessliche Stillen, mit einem verringerten Risiko für Giemen im Kindesalter verbunden. Besonders stark war der schützende Effekt dann, wenn die Kinder auf natürlichem Weg auf die Welt kamen. Für die Studie sammelten die Forscher 416 Nasenfilter, die kurz nach der Geburt entnommen wurden, und 116 Stuhlproben. In diesem Material wurde das Atemweg- und Darmmikrobiom bestimmt. Als die Kinder 3 Jahre alt waren, wurden die Eltern befragt, ob die Kinder an wiederholten Episoden von Giemen, definiert als mindestens drei Episoden von Giemen im Vorjahr, litten. Von wiederholten Giemepisoden waren 132 Kinder (9%) betroffen, wobei Faktoren wie Alter, Geschlecht, mütterliches Asthma, frühe Antibiotikaexposition und Passivrauchen einbezogen wurden (p = 0,04). «Bei Kindern, die per Kaiserschnitt entbunden wurden, wirkte sich das Stillen allein nicht auf das Risiko für wiederkehrende Giemepisoden aus», erklärte Prof. Christian Rosas-Salazar, Monroe Carell Jr. Children’s Hospital in Nashville (USA). Die Studie wird noch weitergeführt, wenn die Kinder 5 bis 6 Jahre alt sind, wird die Inzidenz von Asthma in der Kohorte evaluiert.
Viren als Ursache chronischer Entzündung bei COPD-Patienten
In einer Studie mit 75 stabilen COPD-Patienten wurde untersucht, ob der Nachweis von respiratorisches Synzytialviren (RSV) in Zusammenhang mit einer systemischen Entzündung steht (4). In 151 Sputumproben dieser Patienten wurden RSV mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) nachgewiesen. Zudem bestimmte man die CRP- und Fibrogenkonzentration als Entzündungsmarker im Blut der Patienten und assoziierte sie mit den RSV-Konzentrationen. Es zeigte sich, dass der Nachweis von RSV-Virus mit einer signifikant erhöhten Serumfibrinogenkonzentration, aber auch einem erhöhten CRP-Wert Hand in Hand ging. Nach Ansicht der Autoren verdeutlicht ihre Untersuchung, wie wichtig es ist, COPD-Patienten im stabilen Stadium zu untersuchen. So zeigt das vorliegende Ergebnis, dass COPD-Patienten in besonderem Mass von einer künftigen RSV-Impfung profitieren können.
Deutliche Geschlechtsunterschiede bei COPD
Obwohl Frauen weniger Zigaretten rauchen, sind sie von mehr Exazerbationen und stärkeren COPD-Symptomen betroffen als Männer: Das zeigte die SPIROMICS-Studie, eine prospektive Kohortenstudie, die spezifisch darauf ausgerichtet war, Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen COPD-Patienten zu ermitteln (5). Bei Studienbeginn wurden
Informationen von Studienteilnehmern erhoben, die alle > 20 Packungsjahre geraucht hatten und an einer COPD erkrankt waren. In der Studie wurden sowohl die Lebensqualität als auch die körperliche Leistungsfähigkeit im 6-Minuten-Gehtest erfasst. 781 der 1832 Teilnehmer (42%) waren weiblich. Im Vergleich zu den männlichen Studienteilnehmern wiesen sie weniger Packungsjahre auf (im Mittel 48 vs. 56, p < 0,0019). Weibliches Geschlecht war ein unabhängiger Risikofaktor für eine stärkere Einschränkung der Lebensqualität, sowohl insgesamt als auch in Bezug auf die Atemwege (jeweils p < 0,0001 im Vergleich zu den Männern). Auch die zurückgelegte Gehstrecke war signifikant kürzer (31,4 m weniger, p < 0,0001). In künftigen Auswertungen von SPIROMICS soll untersucht werden, inwiefern Hormone diese Unterschiede erklären können. Gewalt und Cannabis in der Kindheit – Asthma im Jugendalter Kinder, die in einem schwierigen Umfeld aufwachsen, er- kranken als Collegestudenten häufiger an Asthma (6). Dies zeigte eine amerikanische Studie an 24 216 Collegestudenten, von denen 13,1 Prozent an Asthma litten. Hier waren sowohl frühere Gewalterfahrungen als auch Depressionen und schlechte Lebensgewohnheiten wie der Konsum von Soft- drinks, zu wenig Schlaf und Cannabis (nach Selbstauskunft der Studenten) mit einem um 14 bis 36 Prozent erhöhten Ri- siko assoziiert, an Asthma zu erkranken. Nach Ansicht der Studienautoren könnten eine rechtzeitige Intervention sowie die Behandlung depressiver Symptome helfen, die Entwick- lung von Asthma zu verhindern. L SK Quelle: Jahreskongress der American Thoracic Society, 17.–22. Mai 2019 in Dallas. Referenzen: 1. Distler O et al.: Nintedanib for systemic sclerosis-associated interstitial lung disease. N Eng J Med 2019 May 20; DOI: 10.1056/NEJMoa1903076. 2. Lazarus SC et al.: Mometasone or tiotropium in mild asthma with a low sputum eosinophil level. N Engl J Med 2019; 380: 2009–2019. 3. Rosas-Salazar CH et al.: Session SS110: the bugs that shape us: under- standing evidence on the early-life respiratory microbiome. 4. Wiseman DJ et al.: Respiratory syncytial virus (RSV) detection is associa- ted with an Increased inflammatory response in stable (non-exacerbating) chronic obstructive pulmonary disease (COPD) patients. Presented at American Thoracic Society 2019, 17.–22. 5. 2019, Dallas. Abstract Nr. A1129. 5. Lambert A et al.: Women with COPD Experience Increased Symptom Burden, Frequent and Severe Exacerbation, and Impaired Functional Capacity as compared to Men in SPIROMICS. Presented at American Thoracic Society 2019, 17.–22. 5. 2019, Dallas. Abstract A5941/202. 6. Forno E et al.: Violence exposure, Health risk behaviors, and current asthma among US adolescent. Presented at American Thoracic Society 2019, 17.–22. 5. 2019, Dallas. Abstract Nr. A5859. CongressSelection Pneumologie/Allergologie | August 2019 3