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EAACI
Atopische Dermatitis
Innovative pathophysiologisch orientierte Therapien
Bereits seit 40 Jahren wird darüber debattiert, ob eine allergische Störung der Immunbalance bei der Pathogenese der atopischen Dermatitis das initiale Ereignis darstellt oder ob eine genetisch bedingte Funktionsstörung der Hautbarriere am Anfang steht. Experten stellten am EAACI-Kongress 2019 das aktuelle pathophysiologische Konzept der atopischen Dermatitis und innovative, darauf basierende Therapien vor.
Die erfolgreiche Frühintervention mit Emollienzien weist darauf hin, dass wahrscheinlich zuerst die Barrieredysfunktion für die atopische Dermatitis kleiner Kinder verantwortlich ist. Mehrere Studien konnten zeigen, dass die Anwendung von Emollienzien ab Geburt den Beginn der atopischen Dermatitis bei vielen Neugeborenen mit hohem Erkrankungsrisiko erheblich verzögern kann, berichtete Prof. Dr. Thomas Bieber, Bonn.
ist die Haut bei Patienten mit atopischer Dermatitis nicht normal. Deshalb stellte der Referent die Frage zur Diskussion, ob bei leichter bis mittelschwerer Erkrankung eine systemische Therapie angebracht wäre, statt nur die befallenen Hautareale topisch zu behandeln und die restliche Haut nicht zu berücksichtigen. Bei moderater bis schwerer Erkrankung steht mit Dupilumab eine systemische Behandlung mit gezielter Immunmodulation zur Verfügung.
Aktuelles pathophysiologisches Konzept
Zusammen mit äusseren Einflüssen kommt es bei genetisch bedingter Dysfunktion zu Veränderungen der Hautbarriere, die in Keratinozyten die Produktion und Ausschüttung von Alarminen (hauptsächlich TSLP und IL-33) und als Reaktion des angeborenen Immunsystems eine unspezifische Entzündung auslösen. Allergene und andere Provokationfaktoren aus der Umgebung veranlassen danach lokale dendritische Zellen (Langerhans-Zellen) zur Migration in Lymphknoten, wo eine adaptive Typ-2-Immunantwort mit den Typ-2-Zytokinen IL-13, IL-31 und IL-4 ausgelöst wird. Anschliessend migrieren T-Zellen in die Haut und bewirken eine spezifische Typ-2-Entzündung. Zudem beginnen Plasmazellen mit der Produktion von IgE-Antikörpern, die sich im ganzen Körper verteilen. Die atopische Dermatitis sei eine typische, durch Typ-2-Zytokine bedingte Erkrankung, so der Referent. Das wichtigste Zytokin für die Hautentzündung sei IL-13, während IL-4 nicht für die periphere, sondern für die zentrale Typ-2-Antwort (z.B. IgE-Produktion) verantwortlich sei. Bei chronischer atopischer Dermatitis kann auch eine autoimmunologische Komponente eine Rolle spielen. Intensives Kratzen schädigt die Keratinozyten, wobei intrazelluläre Proteine freigesetzt werden. Diese können als Selbstallergene die Bildung allergenspezifischer IgE-Antikörper auslösen. So lässt sich erklären, weshalb vor allem bei Erwachsenen die empfohlene Allergenvermeidungsstrategie manchmal wirkungslos bleibt. Neuerdings wird die atopische Dermatitis als systemische Erkrankung betrachtet, welche die gesamte Haut erfasst, die Zytokinspiegel im Blut erhöht und mit systemischen Komorbiditäten (z.B. kardiovaskulären Erkrankungen) gekoppelt ist. Auch in normal aussehenden Arealen
Innovative systemische Therapien
Mit der Zulassung von Dupilumab begann sich die prall gefüllte Pipeline neuer Therapien der atopischen Dermatitis zu öffnen. Künftig seien fast im Jahresrhythmus Neuzulassungen innovativer Behandlungen zu erwarten, berichtete Prof. Kilian Eyerich, München. Auf Dupilumab sprächen fast alle Patienten an, viele sehr gut, doch selten komme es vor, dass Patienten vollständig von den Zeichen und Symptomen der Erkrankung befreit würden. Der monoklonale Antikörper Dupilumab hemmt spezifisch die Signalübertragung der inflammatorischen Typ-2-Zytokine IL-4 und IL-13. Im Rahmen der 52-wöchigen Phase-3-Studie LIBERTY AD CHRONOS erreichte Dupilumab (300 mg alle zwei Wochen subkutan) bei 79 Prozent der Patienten ein EASI-50-Ansprechen (mindestens 50%-ige Besserung gegenüber Studienbeginn, gemessen mit dem Eczema Area and Severity Index Score = EASI) (1). Ein EASI-75- beziehungsweise EASI-90Ansprechen resultierte bei 65 beziehungsweise 51 Prozent. An dieser Langzeitstudie beteiligten sich Patienten mit moderater bis schwerer atopischer Dermatitis, die alle ungenügend auf topische Kortikosteroide angesprochen hatten. Während der Dupilumabtherapie konnten zusätzlich topische Steroide verwendet und je nach Krankheitsaktivität reduziert, gestoppt oder wieder eingesetzt werden. Zu akuten Krankheitsschüben kam es im Verlauf der einjährigen Studie bei 41 Prozent der Patienten der Kontrollgruppe, die mit Plazebo und topischen Kortikosteroiden behandelt wurden, aber nur bei 14 Prozent der Patienten der Dupilumabbehandlungsgruppe (1). Konjunktivitis stellt die häufigste Nebenwirkung von Dupilumab dar. Der Referent wies darauf hin, dass Konjunktivitiden bei Patienten mit atopischer Dermatitis auch ohne Dupilumab-
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behandlung recht häufig vorkommen (bei etwa 10 bis 15%) (2). Er stützte sich dabei auf eine Umfrage, die kürzlich bei Experten des International Eczema Council durchgeführt wurde (2). Wenn es während der Dupilumabtherapie zur Konjunktivitis kommt, soll die Behandlung nach Möglichkeit fortgesetzt und ein Ophthalmologe zur Beurteilung und Therapie beigezogen werden (2). Weil IL-13 wahrscheinlich das für die periphere Typ-2-Entzündungsreaktion relevanteste Zytokin ist, werden spezifische IL-13-Antikörper (z.B. Tralokinumab in Phase 3) für die systemische Therapie der atopischen Dermatitis entwickelt. Perorale JAK-Inhibitoren der zweiten Generation (z.B. der JAK1/2-Inhibitor Baricitinib und der JAK1-Inhibitor Upadacitinib) befinden sich auch bereits in der Entwicklungsphase III. Die Wirksamkeit von Baricitinib und Upadacitinib sei
wahrscheinlich vergleichbar mit der Wirksamkeit des Biolo-
gikums Dupilumab, so der Referent.
L
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Blauvelt A et al.: Long-term management of moderate-to-severe atopic
dermatitis with dupilumab and concomitant topical corticosteroids (LIBERTY AD CHRONOS): a 1-year, randomised, double-blinded, placebocontrolled, phase 3 trial. Lancet 2017; 389: 2287–2303. 2. Thyssen JP et al.: Conjunctivitis in atopic dermatitis patients with and without dupilumab therapy – an international eczema council survey and opinion. J Eur Acad Dermatol Venereol 2019 (ePub ahead of print).
Quelle: Vortrag «Pathophysiology: Epidermal barrier and immune imbalance» von Thomas Bieber und Vortrag «New treatments in the pipeline» von Kilian Eyerich am Plenary Symposium PL2 «New insights in skin hypersensitivity», EAACI-Kongress 2019, 2. Juni 2019 in Lissabon.
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