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Hepatitis B
Der schwierige Weg zur funktionellen Heilung
Ist es einmal zur Chronifizierung einer HBV-Infektion gekommen, kann das Virus heute zwar wirksam und über lange Zeit unterdrückt werden, die Chancen auf Heilung im Sinne von Virusfreiheit ohne Dauertherapie stehen allerdings schlecht. Strategien zur Verbesserung dieser Situation setzen einerseits auf Optimierung der bekannten Therapien, andererseits aber zunehmend auch auf Medikamente mit innovativem Wirkmechanismus.
Während anhaltendes virologisches Ansprechen (sustained virological response – SVR) bei Hepatitis C ein für die grosse Mehrheit der Patienten erreichbares Ziel geworden ist, stehen die Chancen auf Heilung im Falle der chronischen Hepatitis B schlecht. Es ist nicht einmal klar, was «Heilung» im Kontext dieser Infektion überhaupt bedeuten soll. SVR sei, so Prof. Anna Lok aus Ann Arbor (Michigan/USA) kein geeigneter Terminus für Hepatitis B, da selbst bei anhaltendem Ansprechen noch Bruchstücke des Virus im Körper nachweisbar blieben, deren pathologische Bedeutung unklar sei. In der Regel spricht man also von «funktioneller Heilung» (functional cure). Dennoch ist Hepatitis B heute gut behandelbar. Das realistische Ziel für den Patienten ist heute ein inaktiver CarrierStatus bei nicht nachweisbarer HBV-DNA, HBeAg-negativ, aber HbsAg-positiv. Der nächste Schritt in Richtung Heilung wäre erreicht, wenn dieser Status auch nach Absetzen der Therapie gehalten werden könnte. Das folgende Ziel wäre dann die funktionelle Heilung, die sich noch zusätzlich durch den Verlust des Oberflächenantigens HBsAg (mit/ohne AntiHBs-Serokonversion) auszeichnet. Auch in diesem Zustand sind sowohl integrierte HBV-DNA als auch cccDNA (covalently closed circular DNA) vorhanden, es findet jedoch keine Transkription statt. Der ultimative Schritt in Richtung Heilung wäre schliesslich die «Sterilizing cure», bei der auch die cccDNA verschwindet. Lok: «Ich bin nicht sicher, ob wir dieses Ziel erreichen werden. Zumindest wird es noch viele Jahre dauern, bis wir dorthin kommen.»
Klinische Vorteile durch Verlust von HBsAg
Dementsprechend sind auch Endpunkte für Studien, die auf die Heilung der HBV-Infektion abzielen, nicht leicht zu definieren. Viele Fragen bleiben offen – so zum Beispiel jene nach der Bedeutung von HBsAg. Lok verwies auf Studiendaten, die zeigten, dass der Verlust des Oberflächenantigens einen deutlicheren Effekt auf die Inzidenz von Leberzellkarzinomen hat als der Verlust von HBeAg oder eine Unterdrückung der Viruslast (1). Bei Patienten unter Therapie mit Nukleosid-/Nukleotidanaloga (NUCs) führt der Verlust von HBsAg zu einer weiteren Reduktion des Karzinomrisikos (2). Lok:
«Die Patienten haben einen eindeutigen klinischen Vorteil, wenn sie HBsAg verlieren.» Nicht zuletzt zeigen beispielsweise Kohortendaten aus Hongkong, dass der HBsAg-Verlust in der Regel stabil ist und bei mehr als 90 Prozent der Betroffenen erhalten bleibt – unabhängig davon, ob die Patienten unter Therapie stehen oder nicht (3). HBsAg-Clearance ist also in der Regel ein permanenter Erfolg. Einschränkend wies Lok auf einige methodische Schwächen dieser Arbeit hin. In neueren Studien sei der Verlust von HBsAg bei etwas weniger Patienten stabil geblieben. Der Verlust von HBsAg ist mit einem Abfall der Virus-DNA unter die Nachweisgrenze assoziiert (4). Allerdings stellt sich die Frage nach der Validität der verfügbaren beziehungsweise im klinischen Alltag eingesetzten Tests. Lok: «Die heute verfügbaren HBsAg-Assays sind nicht perfekt, aber sie sind standardisiert, leicht verfügbar und günstig. Vor allem werden sie seit mehr als zehn Jahren verwendet, um Daten über den HBsAg-Verlust unter Therapie zu generieren und um die Prognose von Patienten zu vergleichen. Im Gegensatz dazu ist die klinische Bedeutung extrem niedriger HBsAg-Spiegel derzeit nicht bekannt.» Lok wies auch auf die psychologische Bedeutung des Verlustes von HBsAg für die Patienten hin, da dieses als Zeichen der Infektion und damit als Stigma verstanden werde. Weniger klar ist die Bedeutung der Kinetik von HBsAg. Bekannt ist, so Lok, dass einem HBsAg-Verlust zunächst eine Abnahme von HBsAg vorausgeht und in Studien die HBsAgTiter bei Einschluss prädiktiv für spontanen HBsAg-Verlust sind. Die Kinetik der HBsAg-Abnahme ist auch abhängig von HBeAg-Status, HBV-Genotyp und Therapie. Beispielsweise erwiesen sich in einer Studie mit mehr als zehn Jahren Follow-up bei HBeAg-negativen Patienten HBsAg-Werte und HBV-DNA als Prädiktoren für den spontanen Verlust des Oberflächenantigens (5). Nach dem Absetzen einer Therapie mit NUC erwiesen sich die HBsAg-Titer vor dem Absetzen als prädiktiv für eine spätere spontane HBsAg-Clearance. Insgesamt kam es in dieser Studie über sechs Jahre bei 13 Prozent der Patienten zum Verlust von HBsAg (6). Lok wies allerdings darauf hin, dass die HBsAg-Kinetik zwar einen guten negativen Prädiktionswert
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habe, dabei aber lediglich einen schwachen positiven: «Wenn wir eine Therapie beginnen und das HBsAg bleibt stabil hoch, dann ist das kein gutes Zeichen. Umgekehrt sagt ein leichter Abfall von HBsAg wenig darüber aus, ob der Patient stabil ansprechen wird.» Selbst wenn keine Clearance, sondern nur eine Reduktion von HBsAg erreicht wird, profitieren die Patienten. So zeigt eine Studie aus Taiwan, dass bei Patienten mit niedriger HBVDNA der HBsAg-Titer einen Prädiktor für das klinische Outcome darstellt (7).
Neue Biomarker für Therapieansprechen werden gesucht
Darüber hinaus besteht jedoch auch Bedarf nach neuen Biomarkern als Surrogatmarker für intrahepatische cccDNA und Transkriptionsaktivität. Hier bietet sich, so Lok, die prägenomische HBV-RNA als direktester Indikator für Transkriptionsaktivität von cccDNA an. Allerdings seien die heute verfügbaren Assays nicht standardisiert und fehleranfällig. Die HBV-RNA-Kinetik unter Therapie ist mit einem möglichen Verlust von HBeAg assoziiert, zum HBsAg sind nur unzureichende Daten verfügbar. Im Falle einer Therapie mit einem NUC könnte sich das Verschwinden von HBVRNA als Prädiktor für ein dauerhaftes Ansprechen nach Absetzen der Therapie eignen. Als neuer Biomarker kommt gegenwärtig zunehmend das Core-Related-Antigen (HBCrAg) ins Spiel, das ebenfalls einen Marker für intrahepatische cccDNA darstellt und bei HBeAG-negativer Hepatitis B aussagekräftiger sein dürfte als bei Vorhandensein von HBeAg. Dies liegt daran, dass HBCrAg ein Gemisch aus Core-Protein (HBcAg), HBeAg und nicht komplettem Core-Protein ist. Antikörper gegen das Core-Protein (anti-HBc) signalisieren eine wirksame Immunantwort gegen das Virus und können dementsprechend als sehr günstiger prädiktiver Marker gewertet werden. So sind hohe Anti-HBc-Titer assoziiert mit niedrigen Transaminasen und weniger Entzündungszeichen in der Biopsie. Bei höheren Anti-HBc-Spiegeln steigt unter Therapie auch die Chance auf Verlust von HBeAg (8), und nach dem Absetzen einer NUCTherapie ist ein hoher Anti-HBc-Titer (ebenso wie niedriges HBsAg) prädiktiv für langfristiges klinisches Ansprechen (9).
Optimierung der heute eingesetzten Therapien
Für wirksame Strategien zum Erreichen funktioneller Heilung einer HBV-Infektion werden einerseits neue Medikamente erforderlich sein, andererseits könnte aber auch eine Verbesserung der Therapieresultate durch optimierte Anwendung der bereits verfügbaren Substanzen gelingen. Ein wichtiger Faktor dürfte dabei das Timing der Therapie sein, so Prof. Thomas Berg aus Leipzig (D). Je mehr Zeit nämlich zwischen der Infektion und der Therapie vergeht, desto schlechter werden die Chancen nicht nur auf die Verhinderung von Leberschäden, sondern auch auf den Verlust von HBeAg und HBsAg sowie auf dauerhafte Unterdrückung des Virus. Berg wies auf eine randomisierte Studie hin, die in einem Kollektiv von Kindern mit einem durchschnittlichen Alter von sieben Jahren und immuntoleranter chronischer Hepatitis B eine Interferontherapie mit der Kombination von Interferon und Lamivudin sowie Beobachtung ohne Therapie verglich. Ergebnis war nach 96 Wochen unter Therapie
bei 32,61 Prozent der jungen Patienten ein HBeAg-Verlust und bei 21,74 Prozent ein HBsAg-Verlust. Im Gegensatz dazu kam es nur bei einem Patienten in der Kontrollgruppe zur HBeAg-Serokonversion, und den Verlust von HBsAg erreichte kein einziger Kontrollpatient (10). Berg wies allerdings darauf hin, dass unterschiedliche Studien zum HBsAgVerlust bei Kindern sehr unterschiedliche Ergebnisse erbracht hätten und die Datenlage daher unklar sei. Die Phase der HBV-Infektion, in der die Therapie begonnen wird, hat auch deutlichen Einfluss auf die Wirksamkeit der verschiedenen medikamentösen Optionen. Während mit pegyliertem Interferon innerhalb von drei bis vier Jahren bei 11 Prozent sowohl der HBeAg-negativen als auch -positiven Patienten ein HBsAg-Verlust erreicht wird, gelingt dies mit den NUC bei HBeAg-negativen Patienten so gut wie nie. Bei HBeAg-positiven Patienten stehen die Chancen auf den Verlust von HBsAg ähnlich gut wie mit Interferon (11). Über acht Jahre lag in einer Studie der Anteil der HBeAg-positiven Patienten, die einen HBsAg-Verlust erreichten, in der ITTAnalyse bei 12,9 Prozent. Im Gegensatz dazu wurde dieses Ziel nur bei rund 1 Prozent der HBeAg-negativen Patienten erreicht (12).
NUC und Interferon kombiniert: Mehr Wirkung, mehr Nebenwirkungen
Da Interferontherapien auch die cccDNA unterdrücken, während NUC die Virusreplikation unterdrücken, kann spekuliert werden, dass Kombinationen von NUC und Interferon zu einem deutlichen Rückgang sowohl von HBeAg als auch HBsAg führen. Diese Kombinationen könnten de novo, als Add-on oder als Switch (PegInterferon nach Absetzen des NUC) gegeben werden. In einer Studie wurde mit TDF/PEGInterferon de novo über 48 Wochen eine deutlichere Reduktion des HBsAg-Serumspiegels erreicht als mit einer Interferon- oder TDF-Monotherapie (13). Nach Absetzen der Therapie kann es allerdings zu einem Anstieg sowohl der Virus-DNA als auch der Transaminasen kommen, was eine dauerhafte NUC-Therapie erforderlich machen kann. Auch Add-on-Strategien, bei denen PEG-Interferon vor dem Hintergrund einer bereits länger bestehenden NUC-Therapie begonnen wird, wurden bereits in Studien untersucht. Auch diese Strategie erwies sich im Hinblick auf die Reduktion von HBsAg im Vergleich zur NUC-Monotherapie über 144 Wochen (also auch nach dem Absetzen von Peg-Interferon) als überlegen. Im Hinblick auf den langfristigen Verlust von HBsAg war der Vorteil allerdings nicht mehr signifikant. Schwere Nebenwirkungen waren häufig und führten bei 20 Prozent der Patienten zum Abbruch der Therapie (14). Berg betonte, dass nur Patienten mit niedrigem HBsAg-Spiegel bei Einschluss von der Kombinationstherapie profitierten. Für den Switch von NUC zu PEG-Interferon zeigt die chinesische New Switch Study lediglich numerische Vorteile für den Switch, die Signifikanz wurde jedoch verfehlt (15). Berg wies ergänzend darauf hin, dass die sehr unterschiedlichen Populationen der verschiedenen Studien Vergleiche schwierig machten. Eine weitere Option stellt die «Stop-to-relapse»-Strategie dar, die versucht, den zu erwartenden Flare nach Absetzen einer NUC-Therapie auszunützen, da die aufflammende Hepatitis die HBs-Serokonversion begünstigen kann, wenn nicht so-
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fort die NUC-Therapie wiederaufgenommen wird. In einer randomisierten Studie profitierten manche Patienten von dieser Strategie (16). Berg: «Bemerkenswert ist, dass ein leichter Anstieg der Virämie nach dem Absetzen mit HBsAg-Verlust assoziiert ist, ein deutlicher Anstieg jedoch nicht. Gegenwärtig verstehen wir also nicht vollständig, was nach dem Absetzen in der Leber geschieht.»
Neue Therapien in klinischen Studien
Im Rahmen des ILC 2019 wurden auch mehrere Arbeiten zu neuen Therapiestrategien präsentiert, die das Erreichen ehrgeizigerer Therapieziele wie das Verschwinden des Oberflächenantigens HBsAg, vorzugsweise in Kombination mit dem Auftreten von Antikörpern gegen HBsAg, möglich machen sollen. Neue Daten gibt es beispielsweise zum in Entwicklung befindlichen Dinukleotid-RIG-I-Agonisten Inarigivir. Die oral einzunehmende Substanz übt als NNRTI (Non Nucleotide Reverse Transcriptase Inhibitor) einen direkt antiviralen Effekt aus. Darüber hinaus aktiviert Inarigivir auch den intrazellulären Rezeptor RIG-I (Retinoic Acid Inducible Gene I), der eine wichtige Rolle im Rahmen der Immunabwehr gegen Viren spielt. RIG-I ist an der Erkennung von Virus-RNA beteiligt und initiiert bei intakter Immunantwort die Interferonproduktion. Im Rahmen einer chronischen HBV-Infektion wird RIG-I inaktiviert, was zur Entwicklung von Immuntoleranz gegenüber HBV beiträgt. Inarigivir reaktiviert den Rezeptor – und das aufgrund seiner hohen Leberaffinität vor allem in der Leber, so Prof. Man-Fung Yuen aus Hongkong. Im Rahmen der ILC 2019 wurden nun die Ergebnisse der Phase-II-Studie ACHIEVE präsentiert, die Inarigivir in der Indikation chronische Hepatitis B (HBeAg-positiv oder -negativ) untersuchte (17). In die Studie eingeschlossen waren 80 Patienten mit chronischer HBV-Infektion ohne Zirrhose, die über 12 Wochen mit unterschiedlichen Dosierungen von Inarigivir behandelt wurden. Unter dieser
KURZ & BÜNDIG
Das realistische Ziel in der Therapie der chronischen Hepatitis B ist heute ein inaktiver Carrier-Status bei nicht nachweisbarer HBV-DNA, HBeAg-negativ, aber HbsAg-positiv.
Ein Verlust des Oberflächenantigens HBsAg wird auch unter Therapie nur von einer Minderheit der Patienten erreicht.
Eine «Sterilizing cure», also ein Verlust aller Viruspartikel inklusive der cccDNA (covalently closed circular DNA), ist nach wie vor ein fernes Zukunftsziel.
Niedrige HBsAg-Titer oder – noch besser – ein HBsAgVerlust bringen klinische Vorteile.
Kombinationen von Interferon und NUC erhöhen die Chancen auf HBsAg-Verlust geringfügig – um den Preis vermehrter Nebenwirkungen.
Neue Therapien gegen HBV befinden sich in klinischen Studien. Die Phase-II-Daten zu mehreren Substanzen sind vielversprechend.
Therapie kam es zu einer dosisabhängigen Reduktion der HBV-DNA unter Inarigivir, die für die Maximaldosis von 200 mg/Tag mit 3,26 log10 angegeben wird. Unter den höheren Dosierungen fiel bei allen Patienten innerhalb von 12 Wochen die HBV-DNA unter die Nachweisgrenze. Darüber hinaus wurde auch eine nicht dosisabhängige Reduktion von HBsAg erreicht. Die Verträglichkeit war so gut, dass nun in weiteren Studien eine Dosis von 400 mg pro Tag untersucht werden soll. Lediglich bei einem Patienten musste die Therapie wegen einer ALT-Erhöhung auf über 400 IE abgebrochen werden. Aktuelle Studiendaten gibt es auch zur Inhibition des für mehrere Schritte des Viruslebenszyklus wichtigen HBVCore-Proteins, konkret zum experimentellen Core-Inhibitor ABI-H0731 in Kombination mit zugelassenen NUC. Der Core-Inhibitor soll in diesem Regime das Ansprechen auf das NUC verbessern. In Phase I hatte das Small Molecule ABI-H0731 eine gute Verträglichkeit und über 28 Tage dosisabhängige Aktivität gegen HBV gezeigt (18). In den beiden Phase-II-Studien ABIH0731-201 und ABI-H0731-202 wurde ABI-H0731 in Kollektiven von HBV-Patienten mit Fibrosegrad F0 bis F2 untersucht. Die Studien unterschieden sich hinsichtlich der Einschlusskriterien: Während in Studie 201 vorbehandelte, HBeAg-positive und 26 HBeAg-negative Patienten eingeschlossen wurden, die unter NUC-Therapie bereits eine Virussuppression erreicht hatten, wurden in Studie 202 therapienaive, HBeAg-positive, virämische Patienten behandelt. Vergleichssubstanz in Studie 201 war Plazebo, wobei die NUC-Hintergrundtherapie weitergeführt wurde. In Studie 202 erhielten die Patienten Entecavir und ABI-H0731 oder Entecavir und Plazebo. Primärer Wirksamkeitsendpunkt war in Studie 201 die Abnahme von HBsAg/HBeAg um log10 nach 24 Wochen und in Studie 202 die Reduktion der HBV-DNA um log10 zu den Wochen 12/24. Bislang wurden Interimsanalysen der beiden Studien nach 12 Wochen präsentiert. In beiden Studien wurde ein deutlicher Abfall der HBV-DNA festgestellt. Bei den virämischen Patienten erwies sich ABI-H0731 im Vergleich zu Plazebo als überlegen. Im Kombinationsarm kam es auch zu einer schnelleren Normalisierung der Transaminasen. In Studie 201 wurde der primäre Endpunkt jedoch bislang nicht erreicht. Sechs Patienten hatten zum Zeitpunkt der Auswertung bereits 24 Therapiewochen abgeschlossen. Von ihnen hatte nur einer einen Abfall von HBeAg im geforderten Ausmass erreicht, bei keinem Patienten kam es zum Verlust von HBsAg. Allerdings zeigten Auswertungen mit einem speziellen Assay, dass es bei den mit ABI-H0731 behandelten Patienten unter der Nachweisgrenze herkömmlicher Assays zu einem weiteren Abfall der residuellen Virämie in Richtung 2 bis 5 IE/ml kam. Die Autoren äusserten die Erwartung, dass es nach der weiteren Reduktion der Virustiter über längere Zeit auch zu einem Verlust der Antigene kommen werde (19).
Internationale Koalition für die Heilung der Hepatitis B
Um dem Ziel einer Heilbarkeit von Hepatitis B näher zu kommen, wurde die International Coalition to Eliminate HBV (ICE-HBV) ins Leben gerufen und im Rahmen der ILC 2019 der Öffentlichkeit präsentiert. Die Initiative, an der sich
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mehr als 50 Experten sowie Patientenorganisationen und an-
dere Stakeholder beteiligen, soll die Entwicklung wirksamer
Therapien gegen die HBV-Infektion beschleunigen. Dazu sol-
len zunächst Methoden und Protokolle standardisiert und
für Forscher weltweit verfügbar gemacht werden. Zeitgleich
mit der Präsentation der Initiative wurde ein Positionspapier
im «Lancet Gastroenterology & Hepatology» publiziert und
online kostenlos zur Verfügung gestellt (20). Die Experten
betonen angesichts der Präsentation, dass die heute verfügba-
ren Therapien und Impfstoffe zwar die Ausbreitung des Virus
aufhalten könnten, den geschätzten 257 Millionen bereits
Infizierten jedoch nicht unmittelbar helfen würden. Diese be-
nötigten Medikamente, die in vielen Regionen nur einge-
schränkt verfügbar seien, weshalb weltweit die grosse Mehr-
heit der Betroffenen unbehandelt bleibe. Darüber hinaus
seien die Behandlungsergebnisse oft suboptimal. Es gelte
nun, Strategien zu finden, um beispielsweise die cccDNA per-
manent zu eliminieren sowie eine wirksame Immunantwort
gegen HBV wiederherzustellen. In diesem Sinne wurde auch
eine bessere finanzielle Ausstattung der HBV-Forschung
gefordert.
L
Reno Barth
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20. Revill PA et al.: A global scientific strategy to cure hepatitis B. The Lancet Gastroenerology & Hepatology 2019; doi: 10.1016/S2468-1253(19)301190 (online first)
Quellen: ILC 2019: General session II and award ceremony I am 12. April, Late Breaker Session am 13. April und «A Global Scientific Strategy to Cure Hepatitis B», Pressekonferenz der International Coalition to Eliminate HBV (ICE-HBV) am 10. April, und Workshop «Research Think Tank – Hepatitis B cure» am 10. April 2019 in Wien.
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