Transkript
Nierenzellkarzinom
Aktuelle Konzepte zur Therapie
EAU
Die meisten Nierentumoren betreffen Nierenzellkarzinome, diese machen insgesamt 3 Prozent an malignen Tumoren bei Erwachsenen aus. Die chirurgische Resektion ist Hauptpfeiler der Therapie, Medikamente können das Resultat zusätzlich unterstützen. Dr. Maria Carmen Mir Maresma, Urologische Onkologie, Fundación Instituto Valenciano de Oncologia, Valencia (E), erläuterte am EAU-Kongress zurzeit aktuelle Konzepte.
Viele Patienten, die sich einer Nephrektomie unterziehen, haben bereits eine Niereninsuffizienz oder entwickeln eine solche im Anschluss an die Resektion. Das ist ein Grund, um parenchymschonend zu operieren, was aber auch das Risiko für lokale Tumorrezidive mit systemischer Ausbreitung erhöht. Patienten könnten daher nach kompletter Resektion von einer adjuvanten beziehungsweise neoadjuvanten Therapie profitieren, mit dem Ziel, die progressionsfreie Zeit und letztlich das Gesamtüberleben zu erhöhen, schildert die Urologin die Ausgangslage.
Tumor von verschiedenen Seiten angreifen
Ein Mechanismus vieler Tumoren ist eine fehlgeleitete Angiogenese sowie eine Antitumor-Immunsuppression. Beim Nierenzellkarzinom entsteht die hyperangiogene Phase aufgrund einer Überproduktion des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF). Beim metastasierten Nierenzellkarzinom lag der Fokus in den letzten zehn Jahren auf dem VEGF-Signalweg mittels Tyrosinkinasehemmern wie Sunitinib oder VEGF-hemmende monoklonale Antikörper wie Bevacizumab. Die Strategie der VEGF-Unterdrückung ist bei vielen Patienten erfolgreich, kann aber auch zu Resistenzen führen, so Mir Maresma. Ein weiterer Ansatzpunkt ist der PD-L1 (immune checkpoint molecule programmed death-ligand) auf Tumorzellen. Dieser unterdrückt die Antitumor-Immunität, was beim metastasierten Nierenzellkarzinom mit einer schlechten Prognose einhergeht. Die Expression von PD-L1 oder PD-1 zu supprimieren, erscheint daher vielversprechend. Diverse monoklonale Antikörper wurden entwickelt, die diese Aufgabe übernehmen.
KURZ & BÜNDIG
Eine parenchymschonende Chirurgie kann zu Tumorrezidiven führen.
Eine zusätzliche VEGF-Suppression ist nützlich, Resistenzen sind jedoch möglich.
Die Kombination von VEGF-Hemmern mit Immuncheckpoint-Inhibitoren könnten die Resultate eventuell weiter verbessern.
Atezolizumab als PD-L1-Blocker hat bei Patienten mit metastasierendem Nierenzellkarzinom anhaltende Ansprechraten gezeigt, so Mir Maresma.
Vor- und Nachteile von neoadjuvanten Konzepten
Neoadjuvante Therapien haben sich als gutes Konzept erwie-
sen, das Resultat von komplexen Resektionen bei lokoregio-
när fortgeschrittener Erkrankung zu verbessern. Momentan
sind dazu gemäss Mir Maresma etliche Studien mit Bevacizu-
mab, Sorafenib, Pazopanib, Sunitinib und Axitinib im Gang.
Die eingesetzten monoklonalen Antikörper führten in Phase-
2-Studien zu einer Verringerung der Tumorgrösse um im Mit-
tel 1,5 cm, der Tyrosinkinasehemmer Axitinib gar zu einem
Schwund von 3 cm im Durchmesser. Eine Bestätigung dieser
Ergebnisse durch randomisiert kontrollierte Studien steht
noch aus.
Ob Kombinationen von PD-L1/PD-1-Inhibitoren mit VEGF-
Hemmern die Resultate noch weiter verbessern können, wird
zurzeit getestet. In einer Phase-1-Studie zeigte sich unter der
Kombination von Atezolizumab und Bevacizumab eine er-
mutigende Steigerung der Antitumor-Immunität bei guter
Verträglichkeit. Weitere Studien mit Kombinationen von
Pembrolizumab mit Axitinib sind im Gang, erste Resultate
zur Ansprechrate waren mit 60 bis 70 Prozent vielverspre-
chend, wie Mir Maresma erklärte.
Für eine neoadjuvante Therapie bei lokalisiertem Nierenzell-
karzinom spricht einerseits die Verringerung von Grösse und
Stadium, was eine verminderte Morbidität nach dem chirur-
gischen Eingriff und eine raschere Erholung nach dem opera-
tiven Eingriff ermöglicht. Andererseits kann bei metastasier-
ter Erkrankung frühzeitig therapiert werden.
Es gibt aber auch Gründe, die dagegensprechen könnten:
Durch eine neoadjuvante Therapie vergeht wertvolle Zeit.
Der chirurgische beziehungsweise kurative Eingriff wird
unter Inkaufnahme einer möglichen Progression bei Nicht-
ansprechen verzögert. Ausserdem können therapiebezogene
Nebenwirkungen auch zu einer erhöhten chirurgischen Mor-
bidität führen. Diese Tatsachen sind im Einzelfall individuell
abzuwägen, so Mir Maresma abschliessend.
L
Valérie Herzog
Quelle: «Renal Cell Carcinoma», 34. Jahreskongress der European Association of Urology (EAU), 16. bis 19. März 2019 in Barcelona.
CongressSelection Urologie | Juni 2019
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