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News vom EAU-Kongress
Blasenkrebsrisiko bei früher Menopause und Rauchen erhöht
Frauen, die bereits vor ihrem 45. Altersjahr in die Wechsel-
jahre kommen, haben ein um 45 Prozent höheres Risiko für
Blasenkrebs als Frauen, die erst ab dem 50. Altersjahr die
Menopause erreichen. Das zeigte eine Studie im Rahmen der
Nurses-Health-Studie I und II, die seit 1976 die Entwicklung
der Gesundheit von über 220 000 amerikanischen Kranken-
schwestern verfolgte. Das höhere Blasenkrebsrisiko akzentu-
ierte sich insbesondere bei Frauen, die rauchten. Ihr Risiko
war um 53 Prozent höher (1).
Die Untersuchungsresultate legen nahe, dass eine früh eintre-
tende Menopause das Blasenkrebsrisiko erhöht. Ein treiben-
der Faktor könnte neben genetischen und epigenetischen
Faktoren auch das Rauchen sein, das bekanntermassen die
reproduktive Phase verkürze und damit das Blasenkrebs-
risiko noch weiter erhöhe, mutmasst der Studienleiter Dr.
Mohammad Abufaraj, Medizinische Universität Wien.
Etwa 1 von 20 Frauen erreicht vor ihrem 45. Altersjahr die
Menopause, das Durchschnittsalter liegt bei 51 Jahren in den
entwickelten Ländern. Blasenkrebs ist die sechsthäufigste di-
agnostizierte Krebserkrankung in Europa (2). Etwa 27 000
Frauen in Europa und 19 000 Frauen in den USA erkranken
jedes Jahr daran. Bei Männern tritt Blasenkrebs zwar etwa
dreimal häufiger auf, doch sind die Mortalitätsraten bei
Frauen um zirka 40 Prozent höher (3).
vh
Quelle: 34. Jahreskongress der European Association of Urology (EAU), 16. bis 19. März 2019 in Barcelona.
Referenzen: 1. Abufaraj M et al.: The impact of hormones and reproductive
factors on the risk of bladder cancer in women: Results from nurses’ health study and nurses’ health study II. Presented at 34. EAU 2019, Barcelona. Poster PT 13. 2. Leal J et al.: Economic burden of bladder cancer across the European union. Eur Urol 2016; 69: 438–447.
3. Wang SC et al.: The gender difference and mortality-to-incidence ratio relate to health care disparities in bladder cancer: National estimates from 33 countries. Scientific Reports 2917; 7: 4360.
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Psyche beeinflusst Operationsergebnis nach Prostatektomie
Neurotische Patienten, die sich einer Prostatakarzinom-
operation unterziehen, leiden nach der Operation häufiger
an erektiler Dysfunktion und Harninkontinenz. Das zeigte
eine 3 Jahre dauernde Untersuchung bei 982 Männern mit
radikaler Prostatektomie in einem norwegischen Universi-
tätsspital in Oslo. 761 Männer beantworteten Fragen zu Ne-
benwirkungen beziehungsweise Lebensqualität nach der
Operation und zu Neurotizismus anhand des Eysenck-Perso-
nality-Fragebogens.
22 Prozent der befragten Männer erreichten hohe Neuroti-
zismuswerte, was etwa der Prävalenz von hoch neurotischer
Persönlichkeit in Norwegen wie auch in den Niederlanden
entspricht. Diese Männer erreichten um 20 Prozent schlech-
tere Werte aufgrund von Nebenwirkungen wie erektiler Dys-
funktion, Harninkontinenz und Darmproblemen. Das zeige,
dass das Operationsresultat nicht nur von der Operations-
technik und der Situation in der Prostata abhänge, sondern
auch von der Persönlichkeit, kommentiert Studienleiter Dr.
Karol Axcrona, Akershus University Hospital, Oslo (N).
Neurotizismus ist keine Erkrankung, sondern ein Persönlich-
keitsmerkmal, das je nach Patient unterschiedlich stark aus-
geprägt sein kann. Bei Patienten mit diesem Persönlichkeits-
merkmal könnte eine spezialisierte Vor- und/oder Nachbe-
treuung das Operationsresultat auf lange Sicht verbessern, so
das Fazit von Axcrona aus dieser Untersuchung.
vh
Quelle: Axcrona EJK et al.: Conference abstract: Adverse effects after radical prostatectomy are strongly associated with the personality trait of neuroticism. Presented at 34. EAU 2019, Barcelona. Abstract #1172.
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Psyche beeinflusst Krebsüberleben
Schon vor der Krebsdiagnose psychisch angeschlagene Patienten haben ein höheres Risiko, an ihrem Blasen-, Nierenoder Prostatakrebs zu sterben. Das zeigen kanadische Daten von 191 068 Patienten mit urogenitalen Tumoren. Die Forscher unterteilten die Patienten in eine Gruppe, die in den 5 Jahren vor der Krebsdiagnose eine psychiatrische Behandlung erfahren hatten (42,9%), und in einer Gruppe ohne vorherige psychiatrische Behandlung (57,1%). Die Patienten wurden mit Patienten ohne Krebs (n = 528 387) gematcht.
2 CongressSelection Urologie | Juni 2019
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Vorgängig psychiatrisch behandelte Patienten hatten im Ver-
gleich zu nicht psychiatrisch behandelten ein grösseres tu-
morbezogenes Mortalitätsrisiko. Dieses Risiko stieg mit der
Intensität der psychiatrischen Behandlung an: Eine Hospita-
lisierung zwecks psychiatrischer Behandlung erhöhte das
Krebsmortalitätsrisiko um das 1,78-Fache (HR: 1,78), bei
ambulanter Behandlung um das 1,14-Fache im Vergleich zu
den Kontrollen.
Eine weitere Analyse zeigte eine erhöhte Suizidrate. Diese
stieg nach einer Diagnose oder Behandlung von Blasen-, Nie-
ren- oder Prostatakrebs auch bei Patienten ohne vorgängige
psychiatrische Behandlung um etwa 16 Prozent. Das zeige
die einschneidende Wirkung einer solchen Diagnose auf das
Leben der Patienten, so die Autoren. Das solle bei der Be-
handlung des Tumors mitberücksichtigt werden.
vh
4464 krebsfreien Männern das Langzeitrisiko für Prostata-
karzinom, die aufgrund ihres Alters (über 70 Jahre) aus der
«Göteborg-bevölkerungsbasierten Prostatakarzinom-Scree-
ning»-Studie ausscheiden mussten.
Nach einem medianen Follow-up von 8,6 Jahren wurde bei
186 Männern ein Prostatakarzinom gefunden, 21 Männer
starben daran. Es sei somit zu früh, das PSA-Screening ab 70
Jahren nicht mehr zu empfehlen, folgerten die Autoren. Eine
fortgesetzte Testung aller gesunden Männer mit PSA > 1,5
ng/ml könnte weitere prostatakarzinombedingte Todesfälle
verhindern.
vh
Franlund M et al.: Prostate cancer risk after stop-age in men participating in a longterm screening program: Results from the Göteborg randomized populationbased prostate-cancer screening trial. Presented at 34. EAU 2019, Barcelona. Abstract #1125.
Klaassen Z et al.: Utilization of psychiatric resources prior to genitourinary (GU) cancer diagnosis: Implications for survival outcomes. Presented at 34. EAU 2019, Barcelona. Abstract #1168.
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Nachtarbeit schlägt auf die Blase
Personen, die in der Nacht arbeiten, haben eine höhere Miktionsfrequenz und eine tiefere Lebensqualität als Personen, die tagsüber arbeiten. Das ging aus einer internen Studie des Sant’Andrea-Spitals in Rom mit 68 Krankenpflegerinnen und 68 Krankenpflegern im Alter von etwa 45 Jahren, mit normalem BMI und ohne chronische Erkrankungen oder Pharmakotherapie hervor. Von ihnen arbeiteten 66 in der Nacht, mit einer Schichtdauer von etwa 11 Stunden. 70 Teilnehmer arbeiteten tagsüber 9 Stunden pro Tag. Alle Teilnehmer füllten Fragebogen zur überaktiven Blase (OABq) und zur Lebensqualität (EORTC OLO-C30) aus. Die Scores fielen bei den Nachtarbeitern signifikant schlechter gegenüber den Tagarbeitern (31 vs. 19 und 41 vs. 31). In der Nachtschichtgruppe litten 7 Teilnehmer an Nykturie, dies gegenüber 1 Teilnehmer aus der Tagschichtgruppe. Normalerweise sind Symptome des unteren Harntrakts wie überaktive Blase bei Personen höheren Alters zu erwarten. In dieser Untersuchung waren die Teilnehmer jedoch noch keine 50 Jahre alt. Der körperliche Stress von Nachtarbeit hat auch bei jüngeren Personen zu Blasenproblemen und zu einer verringerten Lebensqualität geführt, fasste Studienleiter Dr. Cosimo de Nunzio das Resultat zusammen. Worauf der Unterschied bei Nachtarbeitern zurückzuführen ist – veränderte Trinkgewohnheiten, erhöhter Kaffeekonsum oder veränderte Urinproduktion –, muss nun untersucht werden. vh
De Nunzio C et al.: Night shift workers have a higher overactive bladder score with an impairment of quality of life: A prospective cohort study. Presented at 34. EAU 2019, Barcelona. Abstract #659.
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Auch über 70-jährige Männer auf PSA screenen
Die meisten Guidelines empfehlen bei Männern ab dem 70. Altersjahr kein PSA-Screening mehr. Ob das Risiko für ein Prostatakarzinom nach dieser Altersgrenze gebannt ist, wollten schwedische Forscher wissen. Sie untersuchten bei
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Robotergestützte Zystektomie oder offene Chirugie?
In den letzten 15 Jahren wurde die robotergestützte Chirur-
gie zur führenden Methode in der Behandlung von Prostata-
und Nierentumoren. Seit Kurzem wird diese Methode auch
bei Blasenkrebs eingesetzt. Eine retrospektive Studie verglich
nun die perioperativen Ergebnisse von 2676 Patienten mit of-
fener (n = 971) oder robotergestützter (n = 1705) Zystekto-
mie in 16 US-amerikanischen und europäischen Zentren. Die
Patienten mit robotergestützter Chirurgie waren jünger und
litten an einem weniger fortgeschrittenen Tumor. Die Opera-
tionszeiten beider Methoden unterschieden sich nicht (me-
dian 360 min), der Blutverlust war mit der Robotertechnik
jedoch geringer (400 vs. 800 ml), und die Hospitalisation
dauerte weniger lang (9 vs. 19 Tage). Die Reoperations- und
Mortalitätsraten waren etwa gleich hoch, doch wurden die
robotergestützt operierten Patienten häufiger aufgrund von
Komplikationen rehospitalisiert (19 vs. 11%).
vh
Zamboni S et al.: Comparative effectiveness of robotic assisted and open radical cystectomy in contemporary cohorts of bladder cancer patients: An international multicenter collaboration. Presented at 34. EAU 2019, Barcelona. Abstract #843.
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Bilaterale SNM nicht besser als unilaterale
Um den Effekt der sakralen Neuromodulation (SNM) bei
idiopathischer überaktiver Blase weiter verbessern zu kön-
nen, wurde in der Annahme, die beiden Blasenhälften verfüg-
ten über einen eigenen Nervenschaltkreis, eine bilaterale ver-
sus eine unilaterale Nervenstimulation getestet. Die prospek-
tive, randomisierte Studie dauerte 1 Monat und umfasste
55 Teilnehmer. Dabei interessierten Wirkung, Einfluss auf die
Symptomstärke und Lebensqualität. Zwischen den beiden
Methoden zeigte sich kein Unterschied, ausser bei der Kom-
plikationsrate, die unter der bilateralen SNM signifikant
höher war.
vh
Wagner L et al.: Randomized prospective trial comparing uni- and bilateral sacral neuromodulation tests in the treatment of refractory idiopathic overactive bladder. Presented at 34. EAU 2019, Barcelona. Abstract #129.
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Tadalafil kurbelt Detrusor an
Bei Patienten mit benigner Prostatahyperplasie (BPH) kön-
nen eine Hypoaktivität des Detrusors wie auch eine Blasen-
auslassobstruktion häufig Beschwerden der unteren Harn-
wege (LUTS) verusachen. Obwohl bei bis zur Hälfte der
Männer, die aufgrund von neurogenen LUTS urodynamisch
vermessen wurden, eine Detrusorhypoaktivität besteht, gibt
es dafür keine etablierte Therapie. PDE-5-Hemmer könnten
in dieser Hinsicht etwas bewirken, da sie den Blutfluss im
Beckenbereich erhöhen. Anhand von Tadalafil wurde die
Hypothese im Hinblick darauf überprüft, ob sich infolge De-
trusoraktivierung die Speicher- und Entleerungsfunktionen
verbessern. 50 Patienten mit BPH-induzierter Detrusorhypo-
aktivität erhielten dazu prospektiv 5 mg Tadalafil täglich
während 12 Monaten. Nach Studienende hatten sich die sub-
jektiven Symptomparameter der überaktiven Blase beim
OABSS (overactive bladder symptom score) und IPSS (inter-
national prostate symptom score) signifikant gebessert,
ebenso objektive Parameter wie Speicher- und Entleerungs-
funktion.
vh
Matsukawa Y et al.: Long-term effects of tadalafil on storage and voiding function for male patients with detrusor underactivity induced by benign prostatic hyperplasia. Presented at 34. EAU 2019, Barcelona. Abstract #187.
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Portabler Sensor hört Männern beim Pinkeln zu
Um eine Entleerungsstörung zu objektivieren, braucht es die
Uroflowmetrie. Ein Nachteil ist aber die einmalige Harn-
strahlvolumenmessung anlässlich der Untersuchung, die nur
eine einzige Miktion abbildet, und die Durchführung in der
Klinik. Der neu entwickelte Sensor PeePal® bietet hier Ab-
hilfe. Der nicht invasive, dorsal am Penis befestigte Sensor
überwacht vibroakustisch und ortsunabhängig – also auch
zu Hause – die Harnröhre beim Urinieren. 48 Patienten wur-
den damit ausgerüstet, und ihre Werte wurden mit der Stan-
darduroflowmetrie simultan verglichen. Zwischen den Re-
sultaten der beiden Messmethoden wurde kein signifikanter
Unterschied gefunden. Qmax und Miktionsvolumen zeigten
eine ausgezeichnete Korrelation. Das PeePal-Messsystem
wurde von den Trägern für einfach in der Handhabung be-
funden und verursache weder Unannehmlichkeiten noch
Störungen beim Urinieren. Die Tests werden jetzt auf ob-
struktive versus nicht obstruktive Harnflussmuster ausge-
weitet. Je nachdem könnte diese Methode eines Tages die
Standarduroflowmetrie ablösen.
vh
Gruenwald I et al.: New uroflowmetry sensor for home-monitoring of male voiding dysfunction. Presented at 34. EAU 2019, Barcelona. Abstract #660.
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Retrograde Ejakulation stört Patienten nicht
Eine Mehrheit der Patienten mit benigner Prostatahyper-
plasie hat als Folge der Resektion mittels Holmium-Laser-
Enukleation (HoLEP) fortan eine retrograde Ejakulation.
Inwiefern dies das Sexualleben der Betroffenen stört, wurde
retrospektiv bei 354 Patienten median 4 Jahre nach dem
HoLEP-Eingriff mit den Fragebogen IIEF (international
index of erectile function) und MSHQ-EjD-SF (male sexual
health questionnaire ejaculatory function short form) unter-
sucht. Das mittlere resezierte Prostatavolumen betrug 80 g.
86,2 Prozent der Männer berichteten von retrograder Ejaku-
lation. Die Männer mit retrograder Ejakulation waren signi-
fikant jünger (67,2 vs. 70,7 Jahre) und hatten einen höheren
PDE-5-Hemmer-Verbrauch nach der Operation. Über un-
befriedigendes Sexualleben klagten 13,4 Prozent mit und
8,1 Prozent ohne retrograde Ejakulation. Von den Männern
mit retrograder Ejakulation berichteten 61,3 Prozent von
«viel weniger» oder «sehr viel weniger» Samenflüssigkeit im
Vergleich zu vorher. Trotzdem gaben 77,6 Prozent der Män-
ner an, sich durch die retrograde Ejakulation nur «moderat»,
«ein wenig» oder «gar nicht» gestört zu fühlen. Die retro-
grade Ejakulation stand ausserdem in keinem Zusammen-
hang mit einem gestörten Sexualleben.
vh
Gild P et al.: Retrograde ejaculation after holmium laser enucleation of the prostate (HoLEP) – evaluation of patient bother and impact on sexual function using validated questionnaires. Presented at 34. EAU 2019, Barcelona. Abstract #1106.
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Depression von Antihormontherapie bei prostatektomierten Männern?
Männer, deren Prostata entfernt worden ist und die im An-
schluss eine Androgendeprivationstherapie erhalten, leiden
1,8-mal (Hazard Ratio [HR]: 1,8; p < 0,001) häufiger unter einer Depression als jene ohne Antihormontherapie (HR: 1,3). Das zeigte eine Studie mit Daten eines dänischen Pros- tatakrebsregisters. Von 5570 Männern wurden 773 nach dem chirurgischen Eingriff gegen Depression behandelt. Eine Bestrahlung nach dem chirurgischen Eingriff erhöhte das De- pressionsrisiko nicht im gleichen Ausmass wie die Antihor- montherapie. Die antiandrogene Therapie unterdrückt die Testosteronpro- duktion. Von anderen Studien ist bekannt, dass niedrige Tes- tosteronkonzentrationen das männliche Wohlbefinden be- einträchtigen können. Möglicherweise fördert das die De- pression, besonders nach einer grossen Belastung wie einer Krebstherapie. Eine frühzeitige Behandlung gegen Depres- sion könnte diesen Männern demnach helfen, so die Schluss- folgerung der Autoren. vh Friberg AS et al.: The hazard of depression after radical prostatectomy – a nationwide registry-based study. Presented at 34. EAU 2019, Barcelona. Abstract #1171. LLL 4 CongressSelection Urologie | Juni 2019