Transkript
Allergo Update 2019
Biologische Therapie bei atopischer Dermatitis
Dupilumab senkt den Juckreiz und hebt die Lebensqualität
Dupilumab (Dupixent®) blockiert den Interleukin-(IL-)4-Rezeptor und verhindert dadurch die Weitergabe der Entzündungssignale von IL-4 und IL-3. Klinisch bedeutet dies für Neurodermitispatienten vor allem weniger Juckreiz und dadurch eine wesentlich bessere Lebensqualität.
Bei vielen chronischen Entzündungserkrankungen wie der Psoriasis ist die Therapie mit entzündungshemmenden Biologika längst etabliert. Auch für die Patienten mit atopischer Dermatitis gibt es inzwischen eine Behandlungsmöglichkeit, die spezifisch in die Entzündungskaskade eingreift: Dupilumab ist der erste und bis anhin einzige zugelassene, vollständig humane monoklonale Antikörper zur Behandlung der mittelschweren bis schweren atopischen Dermatitis (AD) bei Erwachsenen, die für eine systemische Therapie in Betracht kommen (1). Die Wirkung beruht auf einer Blockade der IL-4-Rezeptor-Untereinheit und verhindert dadurch die Weitergabe der Signale von IL-4 und IL-13 (2).
Zwei Drittel haben ein deutlich besseres Hautbild
Professor Thomas Werfel aus Hannover berichtete von der Langzeitstudie CHRONOS, bei der 740 Patienten mit mittelschwerer oder schwerer AD entweder Dupilumab in Kombination mit topischen Kortikosteroiden (TCS) oder Plazebo plus TCS erhalten hatten (3). Ergebnis: Ein Grossteil der Patienten erreichte eine mindestens 75-prozentige Verbesserung der Ekzemschwere und -ausdehnung (EASI-[Eczema Area and Severity Index-]75) gegenüber dem Ausgangswert. Nach Woche 16 erreichten dies in der Verumgruppe 69 Prozent, in der Plazebogruppe nur 23 Prozent der Patienten (siehe Abbildung).
Wichtig: Juckreizreduktion
Viel wichtiger als die Ekzemreduktion ist den Patienten aber die Linderung des Juckreizes, wie Werfel aus dem eigenen Klinikalltag weiss. Auch hier konnte Dupilumab helfen: Gemessen anhand der Pruritus-NRS-Reduktion sank der Juckreiz um mindestens 4 NRS-Punkte nach Woche 16 bei 59 Prozent unter Dupilum ab, aber nur bei 20 Prozent der mit Plazebo behandelten AD-Patienten (3). Das machte sich auch bei der Lebensqualität bemerkbar. Signifikant mehr Patienten erreichten eine klinisch relevante Verbesserung (≥ 4 Punkte) des Patient-Oriented Eczema Measure (POEM): nach 16 Wochen Dupilumabbehandlung 69,4 Prozent versus 25,4 Prozent unter Plazebo. Im Daily Life Quality Index (DLQI) erreichten in der Dupilumabgruppe 68,8 Prozent einen verbesserten Zielwert, jedoch nur 29 Prozent in der Plazebogruppe. (3) Diese guten Ergebnisse führten zur Zulassung von Dupilumab zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer AD bei erwachsenen Patienten, die für eine systemische Therapie in Betracht kommen. Die Dosierung beträgt 600 mg initial mit zwei Subkutaninjektionen à 300 mg, gefolgt von 300 mg s.c. alle zwei Wochen. (1) Als topische Begleitbehandlung zu Dupilumab können durchaus Kortikosteroide angewendet werden. Bei topischen Calcineurininhibitoren sollte sich jedoch die Behandlung auf Problemzonen wie Gesicht, Hals oder Intertrigines beschränken.
Anbeil Patienten mit EASI-75 vs. Baseline
80
69% Dupilumab
EASI-75
70 65%
60
50
40 p < 0,0001 30 Plazebo 20 23% p < 0,0001 22% 10 0 04 8 12 16 20 24 28 32 36 40 44 48 52 Wochen Anhaltende Ekzemreduktion unter Dupilumab Quelle: modifiziert nach Blauvelt et al. (3) Impfen unter Dupilumab Beim Einsatz von Immunologika wird häufig befürchtet, dass aufgrund des iatrogen eingeschränkten Immunsystems Impfungen nicht oder nicht ausreichend wirken. Dem ist bei Anwendung von Dupilumab aber offenbar nicht so, wie Werfel anhand einer plazebokontrollierten Studie mit 178 AD-Patienten belegte. Darin wurde die Impfantwort auf Tetanustoxoid und Meningokokkenpolysaccharid von AD-Patienten und Kontrollpersonen verglichen. Dabei ergab sich eine gute serologische Impfantwort von über 80 Prozent in beiden Gruppen (4). Gemäss der Fachinformation können mit Dupilumab behandelte Patienten gleichzeitig inaktivierte oder Totimpfstoffe erhalten (1), so Werfel weiter. 16 CongressSelection Allergologie/Immunologie | Juni 2019 Allergo Update 2019 Wieder voller Schopf bei Alopecia totalis Die immunologische Therapie mit Dupilumab kann offenbar auch überraschende angenehme Nebeneffekte hervorbringen. Professor Dr. Thomas Werfel (Hannover) berichtete über zwei Patienten, die an atopischer Dermatitis und einer Alopecia areata totalis litten. Sie erhielten Dupilumab in der Standarddosierung von 600 mg initial mit zwei subkutanen Injektionen à 300 mg, gefolgt von 300 mg s.c. alle zwei Wochen. Schon kurz nach Beginn der Dupilumabtherapie verschwanden die Hautläsionen, und die Haare wuchsen wieder. Nach einigen Monaten hatten beide Patienten wieder einen vollen, lockigen Haarschopf. Angelika Ramm-Fischer Referenzen: Smogorzewski J et al.: Remission of alopecia universalis in a patient with atopic dermatitis treated with dupilumab. JAAD Case Reports 2019; 5(2): 116–117. Alniemi DT et al.: Dupilumab treatment for atopic dermatitis leading to unexpected treatment for alopecia universalis. JAAD Case Reports 2019; 5(2): 111–112. Quelle: Vortrag «Atopische Dermatitis» von Professor Thomas Werfel beim Allergo Update, 8. bis 9. März 2019 in Berlin. Nebenwirkung Konjunktivitis Auch wenn Dupilumab gut vertragen wird, kann sich unter der Therapie mit Dupilumab eine Konjunktivitis entwickeln. Diese Form der Bindehautentzündung mit Hyperämie, Teleangiektasie und limbaler Akzentuierung ist nicht mit der typischerweise bei atopischer Dermatitis oder bei Allergien auftretenden Konjunktivitis gleichzusetzen (5). Der Pathomechanismus der Dupilumabkonjunktivitis ist noch nicht geklärt. In der Analyse einer Fallserie mit AD-Patienten, die unter Dupilumab eine Konjunktivitis entwickelt hatten, stellte sich heraus, dass diese Konjunktivitis vor allem bei Patienten auftrat, die zu Beginn der Dupilumabtherapie eine besonders schwere AD (EASI > 35) beziehungsweise einen langen Krankheitsverlauf über Jahrzehnte hatten oder schon älter als 40 Jahre waren (6). Aber gegen diese Konjunktivitis lässt sich durchaus etwas tun. Wie Werfel erläuterte, sollte das Auge feucht und der Lidrand sauber gehalten werden. Kurzfristig können nach Ausschluss infektiöser Ursachen (Augenarzt-Konsil) topische, kortikoidhaltige Augentropfen verwendet werden (7).
Kein erhöhtes Risiko für Eczema herpeticatum
Ausser der Konjunktivitis zählt Werfel auch die Lokalreak-
tionen an der Einstichstelle zu den relevanten Nebenwirkun-
gen. Ein oraler Herpes gilt laut Fachinformation als häufige
Nebenwirkung, jedoch weisen Studiendaten darauf hin, dass
unter Dupilumab kein erhöhtes Risiko für Eczema herpetica-
tum besteht. Im Gegenteil: Unter Dupilumab kommt es bei
den AD-Patienten seltener zu Hautinfektionen und Herpes-
ekzem. Eine Metaanalyse aus acht Studien mit 2706 AD-Pa-
tienten ergab ein nur etwa halb so grosses Risiko für Hautin-
fektionen wie sonst bei AD-Patienten üblich (Odds Ratio
[OR]: 0,54; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,42–0,70). Bei
den gefürchteten durch Herpes-simplex-Viren ausgelösten
Ekzemen war die Risikoreduktion mit mehr als 60 Prozent
noch ausgeprägter (OR: 0,34; 95%-KI: 0,14–0,84) (8). L
Angelika Ramm-Fischer
Referenzen: 1. Sanofi-Aventis Deutschland GmbH: Dupixent® (Dupilumab) Fach-
information, Stand September 2018. 2. Simpson EL et al.: Two phase 3 trials of dupilumab versus placebo
in atopic dermatitis. N Engl J Med 2016; 375(24): 2335–2348. 3. Blauvelt A et al.: Long-term management of moderate-to-severe
atopic dermatitis with dupilumab and concomitant topical corticosteroids (LIBERTY AD CHRONOS): a 1-year, randomised, double-blinded, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2017; 389: 2287–2303. 4. Blauvelt A et al.: Dupilumab does not affect correlates of vaccine-induced immunity: a randomized, placebo-controlled trial in adults with moderate-to-severe atopic dermatitis. J Am Acad Dermatol 2019; 80(1): 158–167.e1. 5. Wollenberg A et al.: Conjunctivitis occurring in atopic dermatitis patients treated with dupilumab – clinical characteristics and treatment. J Allergy Clin Immunol Pract: In Practice 2018; 6(5): 1778–1780. 6. Treister AD et al.: Risk factors for dupilumab-associated conjunctivitis in patients with atopic dermatitis. JAMA Dermatol 2018; 154(10): 1208–1211. 7. Wohlrab J et al.: Interdisziplinäre Handlungsempfehlung bei Dupilumab-assoziierten entzündlichen Augenerkrankungen. Hautarzt 2019; 70(1): 64–67. 8. Fleming P et al.: Risk of infection in patients with atopic dermatitis treated with dupilumab: a meta-analysis of randomized controlled trials. J Am Acad Dermatol 2018; 78(1): 62–69.
Quelle: Vortrag «Atopische Dermatitis» von Professor Thomas Werfel beim Allergo Update, 8. bis 9. März 2019 in Berlin.
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