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Allergo Update 2019
Atopische Dermatitis
Systemische Immuntherapie für AD etabliert sich
Bei vielen chronischen Entzündungserkrankungen wie der Psoriasis zählt die systemische Therapie mit entzündungshemmenden Biologika längst zum Therapiestandard. Seit etwa einem Jahr steht mit Dupilumab auch für Patienten mit atopischer Dermatitis ein Biologikum zur Verfügung. Und es sind noch weitere Substanzen für die Ekzempatienten in der Pipeline, die von Prof. Thomas Werfel aus Hannover beim Allergo Update in Berlin vorgestellt wurden.
Für Patienten mit einer sehr schweren Ausprägung der atopischen Dermatitis (AD) standen bis vor Kurzem nur wenige, unspezifische Systemtherapeutika zur Verfügung. In der europäischen Leitlinie wird als systemisches immunmodulierendes Therapeutikum Ciclosporin genannt. Darüber hinaus werden orale Glukokortikosteroide für die Kurzzeitanwendung empfohlen. Wenn Ciclosporin nicht wirksam oder kontraindiziert ist beziehungsweise nicht toleriert wird, können eventuell andere systemisch wirksame Immunsuppressiva eingesetzt werden; die europäische Leitlinie nennt Azathioprin, Mycophenolatmofetil und Methotrexat. Diese drei Wirkstoffe sind jedoch in vielen europäischen Ländern nicht für die Therapie von AD zugelassen und werden daher offlabel angewandt (1, 2).
Auch für AD: Antikörper gegen Zytokine
Die Wirkung dieser klassischen, eher unspezifischen Immunsuppressiva blieb aber meist hinter den Erwartungen zurück. Das hat die Forscher dazu angeregt, nach spezifischeren Möglichkeiten der Entzündungshemmung zu suchen. Fündig wurden sie bei den Antikörpern gegen proinflammatorische Zytokine. Mit zunehmendem Verständnis der molekularen Zusammenhänge der AD konnten Typ-2-Interleukine als Schlüsselmoleküle bei der AD identifiziert werden. Hemmt man diese Zytokine mittels spezifischer Antikörper, lassen sich die Entzündungskaskade modulieren, die Inflammation reduzieren und so die Symptomatik und die Lebensqualität der AD-Patienten bessern.
Antiinflammatorischer Antikörper in der Entwicklung
Bisher stehen bei AD vor allem die Interleukine IL-4 und IL13 im Fokus. Beide Interleukine gehören zu den Typ-2-Zytokinen, so genannt, da sie hauptsächlich von TH2-Zellen ausgeschüttet werden. Werden die Rezeptoren für IL-4/IL-13 gehemmt, wird auch die Entzündung heruntergefahren. Und dies lässt sich mit Dupilumab, einem gegen die IL-4/IL-13Rezeptoren gerichteten Antikörper, klinisch nutzen. Darüber hinaus untersuchen Dermatologen auch weitere Interleukine, die für die entzündlichen Reaktionen bei der AD bedeutsam sind. Hier sind derzeit die direkt gegen IL-13 ge-
richteten Antikörper Lebrikizumab und Tralokinumab, der IL-31-Rezeptor-Antikörper Nemolizumab sowie der gegen IL-22 gerichtete Antikörper Fezakinumab Gegenstand der Forschung. Aber auch andere Strukturen sind bei den Wissenschaftlern im Fokus – beispielsweise der Histamin-4-Rezeptor (ZPL389), der sich mit «small molecules» hemmen lässt, oder die Januskinasen, für die es mit Baricitinib einen Hemmstoff gibt (3).
Direkte IL-13-Hemmung mit Tralokinumab Quasi als Weiterentwicklung lässt sich IL-13 nicht nur am Rezeptor, sondern auch direkt hemmen. Der humane AntiIL-13-Antikörper Tralokinumab hat sich bereits in einer klinischen Phase-II-Studie an 204 AD-Patienten als wirksam erwiesen – die AD-Symptome gemessen in den Scores EASI und SCORAD verbesserten sich, und auch der Juckreiz, der für die Patienten oft sehr belastend ist, besserte sich laut VASSkala. Entsprechend stieg auch die Lebensqualität (Disease Life Quality Index = DLQI) (4).
IL-31-Inhibitor Nemolizumab Neben IL-4 und IL-13 konnte ein weiteres Zytokin, IL-31, als wichtiger Botenstoff bei der AD identifiziert werden. Über mehrere Zwischenstufen aktiviert es verschiedene Signalmoleküle, die wiederum die Immunreaktion verstärken. Vor allem verstärkt es den Juckreiz (Induktion von deutlichem Kratzverhalten bei Nagern) und vermindert die Filaggrinproduktion in den Keratinozyten. Aktuelle Forschungen erproben derzeit mit Nemolizumab einen Hemmstoff für den IL31-Rezeptor. In einer plazebokontrollierten Phase-II-Studie mit 216 AD-Patienten ergab sich eine deutliche Juckreizreduktion, allerdings verminderte sich die Hautsymptomatik im EASI-Score nur mässig. Nach Zwischenergebnissen einer noch laufenden Langzeitstudie über ein Jahr war in Woche 12 der Juckreiz noch weiter gesunken, und auch die Hautsymptomatik hatte sich weiter verbessert (5).
Histamin-4-Rezeptor-Antagonist ZPL-389 Immunologen suchen aber auch nach Substanzen, die noch andere Zielmoleküle als die Interleukine innerhalb der Entzündungskaskade hemmen, beispielsweise den Rezeptor für
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Histamin 4. Der Histamin-4-Rezeptor (H4R) wird auf afferenten Nervenfasern und vielen Entzündungszellen exprimiert (6). Entsprechend erwartet man von der Blockade des H4R eine direkte Reduktion des Juckreizes und auch eine Minderung der Entzündungsaktivität. Mit dem «small molecule» ZPL389 scheint dies zu funktionieren. Nach Erfolg versprechenden Ergebnissen im Tiermodell wurde der H4R-Antagonist ZPL-389 in einer plazebokontrollierten Studie mit 98 ADPatienten erprobt. Die Teilnehmer erhielten entweder 30 mg ZPL-389 oral einmal täglich über 8 Wochen oder Plazebo (Randomisierung 2:1). Ergebnis: Die Ekzemherde waren in der Verumgruppe nach 8 Wochen signifikant gebessert, der EASI reduzierte sich um 50 Prozent im Vergleich zum Ausgangswert. Auch der besonders quälende Juckreiz (gemessen am Exkoriationsscore) und die oft daraus resultierenden Schlafstörungen gingen unter ZPL-389 deutlich zurück (7).
Januskinasenblocker Baricitinib Noch eine weitere Zielstruktur wird derzeit bei den Immunologen beforscht: die Januskinasen. Auch durch ihre Hemmung lassen sich Immunreaktionen herunterregulieren. Schon in der klinischen Erprobung bei AD befindet sich Baricitinib, ein Inhibitor der Januskinasen 1 und 2 (JAK1/JAK2). Auch mit Baricitinib ging in einer Phase-II-Studie innerhalb von 16 Wochen der EASI um mehr als 60 Prozent zurück (8). L
Referenzen: 1. Wollenberg A et al.: Consensus-based European guidelines for
treatment of atopic eczema (atopic dermatitis) in adults and children: part I. J Eur Acad Dermatol Venereol 2018; 32(5): 657–682. 2. Wollenberg A et al.: Consensus-based European guidelines for treatment of atopic eczema (atopic dermatitis) in adults and children: part II. J Eur Acad Dermatol Venereol 2018; 32(6): 850–878. 3. Werfel T: Novel systemic drugs in treatment of atopic dermatitis results from phase II and phase III studies published in 2017/2018. Curr Opin Allergy Clin Immunol 2018; 18(5): 432–437. 4. Kabashima K et al.: Nemolizumab in patients with moderate-tosevere atopic dermatitis: randomized, phase II, long-term extension study. J Allergy Clin Immunol 2018; 142(4): 1121–1130. 5. Wollenberg A et al.: Treatment of atopic dermatitis with tralokinumab, an anti-IL-13 mAb. J Allergy Clin Immunol 2019; 143(1): 135–141. 6. Schaper-Gerhardt K et al.: The role of the histamine H4 receptor in atopic dermatitis and psoriasis. Br J Pharmacol 2018; doi: 10.1111/bph.14550. 7. Werfel T et al.: Efficacy and safety of the histamine H4 receptor antagonist ZPL-3893787 in patients with atopic dermatitis. J Allergy Clin Immunol 2018; doi: 10.1016/j.jaci.2018.07.047. 8. Guttman-Yassky E et al.: Baricitinib in adult patients with moderate-to-severe atopic dermatitis: a phase 2 parallel, doubleblinded, randomized placebo-controlled multiple-dose study. J Am Acad Dermatol 2019; 80(4): 913–921.e9.
Quelle: Vortrag «Atopische Dermatitis» von Professor Thomas Werfel beim
Allergo Update, 8. bis 9. März 2019 in Berlin.
Angelika Ramm-Fischer
Kurzmeldungen
AD-Patienten mit Birkenpollenallergie: Äpfel verschlechtern Ekzeme
Eine aktuelle Studie belegt den Zusammenhang zwischen atopischer Dermatitis (AD) und Nahrungsmittelallergie: AD-Patienten, die zusätzlich auf Birkenpollen sensibilisiert waren, entwickelten eine Ekzemverschlechterung nach oraler Provokation.
Seit Längerem gibt es Hinweise darauf, dass Patienten, die sowohl an einer atopischen Dermatitis als auch an einer Birkenpollenallergie leiden, eine Verschlechterung ihrer Ekzeme entwickeln, wenn sie Nahrungsmittel essen, von denen bekannt ist, dass eine Kreuzallergie auf die Birkenpollen besteht. Doch welche Relevanz hat dieser Umstand für die Betroffenen? Dieser Frage ist das Team um Dr. Anja Wassmann von der Medizinischen Hochschule Hannover (Deutschland) nachgegangen. Sie setzten 182 AD-Patienten mit Birkenpollenallergie einem oralen Provokationstest (double blind placebo control-
led food challenges = DBPCFC) mit birkenpollenbezogenen
Lebensmitteln wie Äpfeln aus.
Von den insgesamt 261 DBPCFC-Tests fielen 103 positiv
aus: 65 waren Soforttypreaktionen, 21 Kombinationen aus
Soforttyp und ekzematösem Spättyp sowie 17 isolierte Spät-
typreaktionen. Bei 32 Teilnehmenden verschlechterten sich
die Ekzeme (37%) − und das deutlich: Der AD-Score (SCO-
RAD) stieg im Median um 15,4 Punkte. Die Patienten mit
positiven DBPCFC-Tests (Responder) zeigten auch signifi-
kant höhere Serum-IgE-Level betreffend Birkenpollen und
Äpfel, darüber hinaus war bei diesen Patienten auch die
Prävalenz von Rhinokonjunktivitis höher im Vergleich zu
Non-Respondern (p = < 0,05). ARF L Referenz: Wassmann-Otto A et al.: Birch pollen-related foods can cause late eczematous reactions in patients with atopic dermatitis. Allergy 2018; 73(10): 2046–2054. CongressSelection Allergologie/Immunologie | Juni 2019 15