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Cardiology Update
Komorbiditäten bei der Herzinsuffizienz
Zu wenig Eisen, zu viel Kalium
Fotos: vh
Bei der Herzinsuffizienz sind das Erkennen und Behandeln von Komorbiditäten wichtig, denn sie beeinflussen in nicht zu unterschätzendem Ausmass die Krankheitslast und die Prognose der Herzinsuffizienz. Welchen Einfluss Eisenmangel und Hyperkaliämie haben und wie sie behandelt werden können, war an einem Satellitensymposium von Vifor Pharma anlässlich des Cardiology Updates in Davos zu erfahren.
87 Prozent der herzinsuffizienten Patienten
haben mehr als drei Komorbiditäten, die mitt-
lere Anzahl stieg von 2002 bis 2014 von drei
auf fünf Komorbiditäten. Das ging aus einer
bevölkerungsbasierten Untersuchung in Gross-
britannien bei 4 Millionen Personen hervor (1).
In der Schweiz ist sie eine der häufigsten Ursa-
chen für Spitaleinweisungen bei Personen über
65 Jahre (2).
Prof. Otmar Pfister
Eine häufige Komorbidität ist der Eisenmangel, 30 bis 50 Prozent der Patienten mit einer
stabilen chronischen Herzinsuffizienz mit re-
duzierter Auswurffraktion (HFrEF) leiden
daran, bei dekompensierten Patienten ist der
Anteil noch höher (3). Weibliches Geschlecht,
eine sich verschlechternde Herzinsuffizienz
sowie eine Anämie können bei Herzinsuffi-
zienzpatienten Prädiktoren für einen Eisen-
mangel sein (4), erklärte Prof. Otmar Pfister,
Leiter Ambulante Kardiologie, Universitäts-
Prof. Piotr Ponikowski
spital Basel, anhand von Daten aus dem RAID-HF-Register, an deren Analysen er
selbst mitgearbeitet hat. Aus diesen geht auch hervor, dass
die Lebensqualität mit Eisenmangel schlechter ist als ohne,
die Rehospitalisationsrate jedoch nicht höher war. Die Ein-
jahresmortalität bei Patienten mit Eisenmangel und ohne
Anämie war ausserdem höher, bei Patienten mit Anämie war
die Mortalität durch den Eisenmangel dagegen unbeein-
flusst (5).
Einfluss durch Eisensupplementierung
Der Eisenmangel sollte gemäss Guidelines der European Society of Cardiology (ESC) bei Patienten mit HFrEF behandelt werden, um die Symptome der Herzinsuffizienz zu lindern, die Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität zu erhöhen. Ab einem Serumferritin < 100 µg/l oder Ferritin 100 bis 299 µg/l und einer Transferrinsättigung < 20 Prozent ist eine Therapie mit Ferrocarboxymaltose empfohlen (Empfehlungsklasse IIa/A) (6). Die Evidenz dazu lieferte unter anderem die 24 Wochen dauernde FAIR-HF-Studie, die zeigen konnte, dass die Lebensqualität nach einer intravenösen Eisensupplementierung mit
200 mg Eisencarboxymaltose gegenüber Plazebo signifikant anstieg. Die Leistungsfähigkeit, die mit dem 6-Minuten-Gehtest gemessen wurde, schlug sich in einer um 30 Meter weiteren Gehdistanz nieder (7). In der CONFIRM-HF-Studie, die ein Jahr dauerte, wurden diese Ergebnisse mit fast gleichen Resultaten bestätigt (8). Eine Eiseninfusion wirkt sich auch auf die maximale Sauerstoffkapazität (VO2max), einem gemäss Pfister sehr starken prognostischen Faktor bei Herzinsuffizienz, aus. Eine Untersuchung zeigte, dass Herzinsuffizienzpatienten ihre maximale Sauerstoffkapazität während der nächsten 24 Wochen bewahren konnten, wohingegen diese bei der Plazebogruppe abfiel (9). Auch auf die Rehospitalisationsrate wirkt sich eine Eiseninfusion positiv aus: In der CONFIRM-HF-Studie sank diese gegenüber Plazebo schon früh und war nach einem Jahr signifikant um etwa einen Drittel tiefer (8). Die Herzinsuffizenzpatienten auf einen möglichen Eisenmangel hin zu screenen und zu behandeln, mache daher Sinn, so Pfister.
Hyperkaliämie auch durch RAAS-Hemmer
Negativen Einfluss auf die Prognose der Herzinsuffizienz hat auch ein zu hoher Kaliumspiegel. Die Kaliumhomöostase läuft hauptsächlich über die renale Exkretion, hauptsächlich durch Aldosteron gesteuert. Der optimale Spiegel liegt bei 3,5 bis 5,0 mmol/l. Bei Werten über 5,5 mmol/l soll auf eine kaliumarme Kost sowie auf die Vermeidung von kaliumsparenden oder -erhöhenden Medikamente geachtet werden. Ab 6,5 mmol/l ist eine Notfalltherapie indiziert, da lebensbedrohliche Arrhythmien eintreten können, erklärt Prof. Piotr Ponikowski, Medical University, Centre for Heart Disease, Military Hospital Wroclaw (PL). Erhöhte Kaliumwerte können durch eine exzessive Supplementierung entstehen. Störungen in der Umverteilung oder Ausscheidung, wie beispielsweise bei Herzinsuffizienzpatienten mit schlechter Nierenfunktion, sind jedoch auch möglich. Eine Hyperkaliämie kann aber auch durch Medikamente wie Hemmer des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS), die bei vielen Herzinsuffizienzpatienten Bestandteil ihrer Therapie sind, entstehen. Die Hyperkaliämieraten lagen in den entsprechenden Studien mit Sartanen, ACE-Hemmern
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und Aldosteronantagonisten denn auch zwischen 11 und 16 Prozent, so Ponikowski. Hypo- wie Hyperkaliämien sind bei Herzinsuffizienzpatienten mit einer erhöhten Mortalität verbunden (10). Bei etwa einem Drittel der Patienten unter einer Therapie mit RAASHemmern muss das Medikament abgesetzt oder die Dosis reduziert werden (11). Das Phänomen, dass RAAS-Hemmer aufgrund gestiegener Kaliumwerte gar nie auf die maximal empfohlene und verträgliche Dosis auftitriert werden können und diese die Mortalitätsrate nicht mehr in dem Ausmass senken können, wie sie könnten, ist demnach häufig, so Ponikowski. In diesen Fällen ist eine kaliumsenkende Therapie eine Option. Sinkt der Kaliumspiegel unter 5,0 mmol/l kann der RAAS-Hemmer vorsichtig auftitriert werden. Das ermöglicht eine Optimierung der RAAS-Therapie. Zurzeit gibt es zwei Kaliumbinder: Natrium-Zirkonium-Zyklosilikat (ZS-9) und Patiromer. ZS-9 bindet Kalium im Austausch gegen Wasserstoff und Natriumkationen im gesamten Magen-Darm-Trakt und reduziert die Konzentration von freiem Kalium, was den Serumkaliumspiegel senkt und die Exkretion erhöht. Nebenwirkungen sind Verstopfung, Ödeme und eine Verstärkung der Hypertonie (12). ZS-9 ist in der EU zugelassen, in der Schweiz noch nicht. Patiromer, in der Schweiz zugelassen, ist ein nicht resorbierbares Polymer, das Kalium im distalen Kolon im Austausch gegen Kalzium bindet (13). In der OPAL-HK-Studie bewirkte Patiromer bei hyperkaliämien Patienten mit chronischer Nierenerkrankung und RAAS-Hemmer-Therapie im Vergleich zu Plazebo eine gute und anhaltende Reduktion der Hyperkaliämie. In der ersten, vier Wochen dauernden Phase erhielten die Patienten je nach Kaliumspiegel 4,2 beziehungsweise 8,4 g Patiromer zweimal täglich, in der zweiten Phase, nach Erreichen von Kaliumwerten von ≤ 5,5 mmol/l, erhielten die Patienten zum RAAS-Blocker Patiromer versus RAAS-Blocker allein während acht Wochen. Dabei zeigte sich, dass die initial erreichte Kaliumabsenkung mit der Erhaltungstherapie aufrechterhalten wurde, in der Gruppe mit RAAS-Hemmer ohne Patiromer der Kaliumspiegel jedoch wieder signifikant anstieg. Gastrointestinale Nebenwirkungen waren auch bei diesem Kaliumbinder mit 11 Prozent am häufigsten, eine Hypokaliämie trat bei 3 Prozent der Patienten auf (13). In der AMETHYST-DN-Studie mit Patienten mit diabetischer Nephropathie (15) dauerte die Erhaltungsphase 52 Wochen. Auch hier blieb der initial erreichte Kaliumspiegel auf dem erzielten Niveau (14), auch bei Patienten mit zusätzlich milder Herzinsuffizienz (15).
Eine kaliumbindende Therapie kann demnach bei Patienten
mit chronischer Nierenerkrankung und Herzinsuffizienz die
Kaliumwerte nachhaltig normalisieren, sodass eine optimal
dosierte RAAS-Hemmer-Therapie ihre volle Wirkung entfal-
ten kann, zog Ponikowski sein Fazit.
L
Valérie Herzog
Quelle: «Comorbidities in heart failure: the devil is in the details», Satellitensym-
posium von Vifor Pharma am Cardiology Update, 16. bis 20. Februar 2019 in Davos.
Referenzen: 1. Conrad N, Temporal trends and patterns in heart failure inci-
dence: a population-based study of 4 million individuals. Lancet 2018; 391: 572–580. 2. Perone N et al.: Clinical itinerary for heart failure: a program designed by primary care practitioners in Geneva. Rev Med Suidde 2012; 8: 1056–1060. 3. Rocha BML et al.: The burden of iron deficiency in heart failure: therapeutic approach. J Am Coll Cardiol 2018; 71: 782–793. 4. Wienbergen H et al.: Usefulness of iron deficiency correction in management of patients with heart failure (from the Registry Analysis of Iron Deficiency-Heart Failure (RAID-HF) Registry). Am J Cardiol 2016; 118–1880. 5. Wienbergen H et al.: Long-term effects of iron deficiency in patients with heart failure with or without anemia: the RAID-HF follow-up study. Clin Res Cardiol 2019; 93–100. 6. Ponikowski P et al.: 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: the task force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC), developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J 2016; 37: 2129–2200. 7. Anker S et al.: Ferric carboxymaltose in patients with heart failure and iron deficiency. N Engl J Med 2009; 361: 2436–2448. 8. Ponikowski P et al.: Beneficial effects of long-term intravenous iron therapy with ferric carboxymaltose in patients with symptomatic heart failure and iron deficiency. Eur Heart J 2015; 26: 657–668. 9. Van Veldhuisen DJ et al.: Effect of ferric carboxymaltose on exercise capacity in patients with chronic heart failure and iron deficiency. Circulation 2017; 136: 1374–1383. 10. Vardeny O et al.: Incidence, predictors, and outcomes related to hypo- and hyperkalemia in patients with severe heart failure treated with a mineralocorticoid receptor antagonist. Circ Heart Fail 2014; 7: 573–579. 11. Chang AR et al.: Antihypertensive Medications and the Prevalence of Hyperkalemia in a Large Health System. Hypertension 2016; 67: 1181–1188. 12. 3. Anker SD et al.: Long-term safety and efficacy study of ZS-9 (ZS-005). Poster presentation, ESC 2016. 13. Weir MR et al.: Patiromer in patients with kidney disease and hyperkalemia receiving RAAS inhibitors. N Engl J Med 2015; 372: 211–221. 14. Bakris G et al.: Effect of patiromer on serum potassium level in patients with hyperkalemia and diabetic kidney disease: The AMETHYST-DN randomized clinical trial. JAMA 2015; 314: 151– 161. 15. Pitt B et al.: Long‐term effects of patiromer for hyperkalaemia treatment in patients with mild heart failure and diabetic nephropathy on angiotensin‐converting enzymes/angiotensin receptor blockers: results from AMETHYST‐DN. ESC Heart Failure 2018; 5: 592–602.
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