Transkript
Cardiology Update
Herzinsuffizienztherapie
Therapeutische Optionen weiter fassen
Fotos: vh
Herzinsuffizienz ist vermutlich die kardiologische Summe einzelner oder mehrerer Erkrankungen, die jeweils für sich die Herzfunktion beeinträchtigen. Daher sollte in der Therapie nicht nur die Herzinsuffizienz behandelt werden, sondern auch die bestehenden Komorbiditäten. Denn diese verschwinden nicht und beeinflussen weiterhin sowohl das Risiko der Entwicklung einer Herzinsuffizienz als auch jenes der Verschlechterung.
Prof. Marc Pfeffer
Mit der Primärprävention der koronaren Herzerkrankung (KHK), der häufigsten «Vorstufe» der Herzinsuffizienz, seien die beeinflussbaren Risikofaktoren im Auge zu behalten, erinnerte Prof. Marc Pfeffer, Brigham & Women’s Hospital, Boston (USA), am Cardiology Update in Davos: Hypertonie, Dyslipidämie, Rauchen, Diabetes, Nierenerkrankung, Albuminurie. Nach einem kardiovaskulären Ereignis geht es in der Sekundärprävention darum, die Progression zu bremsen, das heisst, die linksventrikuläre Funktion zu erhalten und weitere Ereignisse zu vermeiden.
Komorbiditäten addieren das Risiko
Sind Komorbiditäten vorhanden, ist das Risiko
für einen weiteres kardiovaskuläres Ereignis
höher. Beispielsweise mit einer vorbestehenden
Hypertonie sinkt das Risiko bei Herzinfarktpa-
tienten mit eingeschränkter linksventrikulärer
Prof. Karl Swedberg
Funktion unter einer Captopriltherapie wie auch in der Plazebogruppe nicht so stark wie
ohne vorbestehende Hypertonie (1). Das glei-
che Phänomen gilt auch für Diabetes (2). Ein später Rauch-
stopp nach einem Herzinfarkt lohnt sich dennoch. Die Ge-
samtmortalität nach Infarkt steigt bei Patienten, die mit dem
Rauchen aufgehört haben, mit den Jahren weniger steil an als
bei jenen, die den Ausstieg nicht geschafft haben, so Pfeffer
anhand eigener Untersuchungen (3).
KURZ & BÜNDIG
Bei Herzinsuffizienzpatienten auch Komorbiditäten behandeln.
Komorbiditäten verschlechtern den Herzinsuffizienzverlauf. Therapeutische Möglichkeiten ausschöpfen.
Ein prognostischer Faktor nach Myokardinfarkt ist auch die Nierenfunktion beziehungsweise die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR). Laut einer grossen Untersuchung steigt das Risiko für erneute Ereignisse mit sinkender eGFR. Ein zusätzlicher Diabetes wirkt betreffend Risikosteigerung additiv (4, 5), so Pfeffer. Aus der Studie HOPE (Heart Outcome Prevention Evaluation) ging unter anderem hervor, dass die KHK das grösste Risiko für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz birgt, gefolgt von Mikroalbuminurie, Diuretikagebrauch, linksventrikulärer Hypertrophie und Diabetes. Zudem steigert jede zusätzliche Komorbidität dieses Risiko um 37 Prozent (6). In einer europäischen Beobachtungsstudie mit 3226 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz hatten 74 Prozent mindestens eine Komorbidität (Diabetes, Hyper- oder Hypothyreoidismus, Hirnschlag, COPD, Schlafapnoe, chronische Nierenerkrankung [CKD] oder Anämie). Je mehr Komorbiditäten vorlagen, desto kürzer war die Zeitspanne ohne herzinsuffizienzbedingte Hospitalisiation. Die häufigsten Komorbiditäten waren CKD (41%), Anämie (29%) und Diabetes (29%). Diese drei waren auch unabhängige Treiber für ein erhöhtes Risiko für Tod oder Hospitalisierung infolge Verschlechterung der Herzinsuffizienz (7).
Therapeutische Möglichkeiten ausschöpfen
Die Therapie kann manchmal schwierig sein, vor allem wenn bestimmte Komorbiditäten die Gabe einer für die Herzinsuffizienz benötigten Medikation verhindern. Beispielsweise die Hyperkaliämie, die eine volle Dosierung von Hemmern des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) limitiert. Eine Lösung dafür bietet seit Kurzem der Kaliumbinder Patiromer, der einen Kaliumanstieg, wie in der PEARL-HF-Studie gezeigt, nachhaltig unterbindet (8). Sind die klassischen RAAS-Hemmer und Betablocker auf die maximal verträgliche Dosis titriert und bleibt die linksventrikuläre Auswurffraktion trotz zusätzlichem Spironolacton unter 35 Prozent, sollen gemäss ESC-Guidelines (9) folgende Optionen erwogen werden: Wenn die Herzfrequenz über 70 liegt, bietet sich der If-Kanalblocker Ivabradin an. Bei diesen Patienten (≥ 75 bpm) senkt Ivabradin die herzinsuffizienzbe-
28 CongressSelection Kardiologie | Mai 2019
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dingte Hospitalisationsrate, die kardiovaskuläre wie auch die Gesamtmortalität im Vergleich zu Plazebo signifikant, wie die SHIFT-Studie gezeigt hat (10). Bei Patienten, die zuvor die RAAS-Hemmer gut vertragen haben, kann der ACE-Hemmer durch den Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) Valsartan/Sacubitril ersetzt werden. Die Wirkung ist das Resultat beider Komponenten: eine RAAS-Hemmung einerseits und eine Anreicherung von natriuretischen Peptiden durch Abbauhemmung andererseits. Die zusätzlichen natriuretischen Peptide führen unter anderem zu einer Vasodilatation, einer Natriurese und einer Diurese, erhöhen die eGFR und die renale Durchblutung, senken die Sympathikusaktivität und wirken antihypertroph und antifibrotisch. Zusammen mit dem RAAS-Hemmer Valsartan wirke die duale Strategie synergistisch, erklärt Prof. Karl Swedberg, Mitautor der PARADIGM-HF-Studie (11) und Senior Professor, Universitiy of Gothenburg, Göteborg (S). In dieser Studie schnitt Valsartan/Sacubitril bei Patienten mit Herzinsuffizienz im Vergleich zu Enalapril in Bezug auf das Risiko für Tod und herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung signifikant besser ab, die Gesamtinzidenz der Nebenwirkungen waren mit jenen von Enalapril vergleichbar (11). Wie spätere Analysen der Studiendaten zeigten, stieg im Valsartan/Sacubitril-Arm die Lebensqualität der Patienten durch Verbesserung der Symptomlast und durch Verbesserung der physischen und sozialen Aktivitäten (12, 13). Ausserdem scheint gemäss neueren Studiendaten unter Valsartan/Sacubitril auch eine Dosisreduktion des Schleifendiuretikums möglich zu sein, wie eine aktuelle Analyse nahelegt (14).
Guter Nutzen aller gängigen Therapeutika
Als Gesamtschau hat eine Netzwerkmetaanalyse über 58
randomisierte, kontrollierte Studien den Nutzen aller verfüg-
baren Medikamente bei Herzinsuffizienz mit reduzierter
linksventrikulärer Auswurffraktion zusammengetragen.
Demzufolge haben die gängigen Therapeutika einen guten
krankheitsmodifizierenden Effekt, wobei die Kombinationen
ARNI/Betablocker/Spironolacton und ACE-Hemmer/Beta-
blocker/Spironolacton/Ivabradin den höchsten Einfluss auf
die Gesamtmortalität (Hazard Ratio [HR]: 0,38 bzw. 0,41)
wie auch auf die herzinsuffizienzbedingten Hospitalisationen
(HR: 0,25 bzw. 0,26) haben (15).
L
Referenzen: 1. Kenchaiah S et al.: Antecedent hypertension and the effect of
captopril on the risk of adverse cardiovascular outcomes after acute myocardial infarction with left ventricular systolic dysfunction: insights from the survival and ventricular enlargement trial. Am Heart J 2004; 148: 356–364. 2. Murcia AM et al.: Impact of diabetes on mortality in patients with myocardial infarction and left ventricular dysfunction. Arch Intern Med 2004; 164: 2273–2279. 3. Shah AM et al.: Risk of all-cause mortality, recurrent myocardial infarction, and heart failure hospitalization associated with smoking status following myocardial infarction with left ventricular dysfunction. Am J Cardiol 2010; 106: 911–916. 4. Anavekar NS et al.: Relation between renal dysfunction and cardiovascular outcomes after myocardial infarction. N Engl J Med 2004; 351: 1285–1295. 5. Anavekar NS et al.: Comparison of renal function and cardiovascular risk following acute myocardial infarction in patients with and without diabetes mellitus. Am J Cardiol 2008; 101: 925–929. 6. Arnold JM et al.: Prevention of heart failure in patients in the heart outcomes prevention evaluation (HOPE) study. Circulation 2003; 107: 1284–1290. 7. Van Deursen VM et al.: Co-morbidities in patients with heart failure: an analysis of the European Heart Failure Pilot Survey. Eur J Heart Fail 2014; 16: 103–111. 8. Pitt B et al.: Evaluation of the efficacy and safety of RLY5016, a polymeric potassium binder, in a double-blind, placebo-controlled study in patients with chronic heart failure (the PEARLHF) trial. Eur Heart J 2011; 32: 820–828. 9. Ponikowski P et al.: 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC). Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J 2016; 37: 2129-2200. 10. Böhm M et al.: Heart rate at baseline influences the effect of ivabradine on cardiovascular outcomes in chronic heart failure: analysis from the SHIFT study. Clin Res Cardiol 2013: 102: 11–22. 11. McMurray JJ et al.: Angiotensin-neprilysin inhibition versus enalapril in heart failure. N Engl J Med 2014; 371: 993–1004. 12. Lewis EF et al.: Health-related quality of life outcomes in PARADIGM-HF. Circ Heart Fail 2017 Aug 10; pii: e003430. 13. Chandra A et al.: Effects of sacubitril/valsartan on physical and social activity limitations in patients with heart failure: a secondary analysis of the PARADIGM-HF Trial. JAMA Cardiol 2018; 3: 498–505. 14. Vardeny O et al.: Reduced loop diuretic use in patients taking sacubitril/valsartan compared with enalapril: the PARADIGM-HF trial. Eur Jj Heart Fail 2019 Feb 11; Epub ahead of print. 15. Komajda M et al.: Incremental benefit of drug therapies for chronic heart failure with reduced ejection fraction: a network meta-analysis. Eur Heart Fail 2018; 20: 1315–1322.
Valérie Herzog
Quelle: «Drugs in Heart Failure», Cardiology Update, 16. bis 20. Februar 2019 in Davos.
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