Transkript
UEG-Week
Chronisch entzündliche Darmerkrankung
Therapiemassnahmen bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa haben zwar prominente Leitsymptome. Dennoch vergehen Jahre bis zu einer definitiven Diagnose. Woran zu denken ist und wie die Krankheiten behandelt werden können, erklärten Experten am UEGW-Kongress in Wien.
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa verlaufen in Schüben. Die beiden Erkrankungen unterscheiden sich im Verteilungsmuster der Entzündungen sowie im makroskopischen und histologischen Bild. Während der Morbus Crohn transmural alle Wandschichten segmental vom Ösophagus bis zum Rektum befallen kann, beginnt die Colitis ulcerosa im Rektum, kann sich oralwärts im ganzen Kolon ausdehnen und befällt zirkulär nur die Mukosa. Beide Erkrankungen machen sich bei Erstmanifestation klinisch unter anderem meist durch blutige Durchfälle, krampfartige Bauchschmerzen und Gewichtsverlust bemerkbar. Bei Auftreten des Leitsymptoms Diarrhö können jedoch stärker ausgeprägte extraintestinale Manifestationen an Augen, Gelenken oder Haut die Diagnosestellung erschweren (Kasten).
Extraintestinale Manifestationen
Etwa 30 Prozent der Patienten mit CED haben auch extraintestinale Manifestationen, davon sind zirka die Hälfte mit Arthritis, Athralgien, ankylosierender Spondylitis und entzündlichen Rückenschmerzen rheumatischer Natur verbunden, wie Dr. Britta Sigmund, Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Berlin (D), berichtet. Periphere Arthropathien sind jedoch bei weiblichen und bei Morbus-CrohnPatienten häufiger zu finden. Liegt eine Arthritis vor, kann diese kurzzeitig mit nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) oder mit einer Steroidinjektion ins betroffene Gelenk zusätzlich zur CED-Therapie behandelt werden. Persistiert die Arthritis jedoch, kommen Sul-
Kasten:
Extraintestinale Manifestationen
Haut: Gelenke: Augen: Lunge: Herz: Leber: Blut:
Gewebe:
Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum Arthritis, Sakroileitis Iridozyklitis, Uveitis Alveolitis, Lungenfibrose Perimyokarditis primär sklerosierende Cholangitis Thromboembolien, autoimmunhämolytische Anämie Amyloidose
fasalazin, Methotrexat und bei deren Versagen TNF-Hemmer zum Einsatz (2). Beim Einsatz von TNF-Hemmern sei zu beachten, dass es als Nebenwirkung beispielsweise an Handflächen und Fusssohlen zu pustulöser Psoriasis kommen kann, so Sigmund. Die Anti-TNF-Therapie müsse deswegen aber nicht abgesetzt werden, sofern der Patient dermatologisch betreut ist. Als Alternative biete sich jedoch der IL-12/23-Hemmer Ustekinumab an, der auch bei Psoriasis bereits erfolgreich eingesetzt werde, so Sigmund weiter. Bei Patienten mit Colitis ulcerosa, die unter TNF-Hemmer eine Psoriasis entwickeln, ist der Wechsel auf den Januskinasehemmer Tofacitinib eine valable Option, zumal dieses Präparat ja auch schon erfolgreich bei rheumatoider Arthritis angewendet wird.
Crohn: Wenn nichts mehr hilft
Bei einer 27 Jahre alten Patientin mit Morbus-Crohn-Erkrankung seit 8 Jahren sind schon sehr viele Massnahmen eingeleitet worden. Sie wies eine Krankheitsbeteiligung von Magen, Dünn- und Dickdarm auf und habe bereits Resektionen im Ileozökalbereich und im Jejunum infolge Strikturen hinter sich, berichtet Prof. Axel Dignass, Agaplesion Markus Krankenhaus, Goethe-Universität, Frankfurt (D). Die Liste medikamentöser Massnahmen ist entsprechend lang. Initial erhielt sie Mesalazin, Budesonid und Azathioprin. Wegen einer Azathioprin-bedingten Pankreatitis musste dieses gestoppt werden. Methotrexat half nicht weiter. Infliximab wirkte zu Beginn gut, verlor aber mit der Zeit an Wirkung, ebenso Adalimumab, das an dessen Stelle trat. Die Patientin befand sich in einer aktiven Krankheitsphase und erhielt die letzten 9 Monate 20–40 mg Prednisolon. Sie hatte zwischen ein bis vier Darmbewegungen, keine Abdominalschmerzen und auch keine extraintestinalen Manifestationen (EIM). Gemäss den ECCO-Guidelines (1) (Tabelle) soll eine aktive Crohn-Erkrankung im Dickdarm mit einer Kortikosteroidtherapie mit Budesonid 9 mg/Tag oder Prednisolon behandelt werden. Als Alternative bei ungenügender Wirkung oder Steroidintoleranz ist eine Strategie mit TNF-Hemmern angezeigt. Bringt das nicht den erhofften Effekt, empfehlen die Guidelines den Einsatz des Integrinhemmers Vedolizumab (5B–E). Bei einer Dünndarmbeteiligung sollen TNF-Hemmer schon früh gegeben werden, um Steroide einsparen zu können (5F), ebenso bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität und Anzeichen einer schlechten Prognose (5G). Leider gebe es auch
6 CongressSelection Gastroenterologie | Januar 2019
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delt werden. Chirurgische Möglichkeiten
Tabelle:
Therapiekonzept
Morbus Crohn Schub mit leichter bis mässiger Aktivität
Schub mit hoher Aktivität
Remissionserhaltung
Mesalazin oder Sulfasalazin
Kortikosteroide (topisch: Budesonid; systemisch: Prednisolon) Kortikosteroide (systemisch: Prednisolon) Azathioprin Infliximab, Adalimumab, Ustekinumab, Vedolizumab chirurgische Intervention Mesalazin (nach Operation) Azathioprin Methotrexat Infliximab Adalimumab
sollten überdies in Erwägung gezogen werden (6D). Falls das Ansprechen auf den gewählten TNF-Hemmer nachlässt, kann mit Dosiserhöhung oder Intervallverkürzung versucht werden, sie zu verbessern. Bei fehlendem Erfolg soll ein anderer TNF-Hemmer ausprobiert werden (6I). Eine Bestimmung der Serumspiegel wie auch der Antikörper gegen TNF-Hemmer kann bei der Optimierungsstrategie hilfreich sein. Ist die Therapie mit TNF-Hemmern nicht mehr erfolgreich, empfehlen die Guidelines von 2016 den Einsatz von Vedolizumab. Inzwischen wurden überzeugende Daten zu Ustekinumab publiziert, die Anfang 2018 zu dessen Zulas-
Vedolizumab
sung geführt haben, so der Mitautor der
Ustekinumab
ECCO-Guideline (1) Dignass. Das bedeu-
chronisch aktiver Verlauf, Steroidabhängigkeit und Fisteln
Azathioprin Infliximab Methotrexat Ustekinumab
tet, dass die Therapie mit Vedolizumab oder Ustekinumab durchgeführt werden kann, so Dignass weiter.
Vedolizumab
Vorgehen bei Colitis ulcerosa
Colitis ulcerosa Schub mit geringer bis mässiger Aktivität
Mesalazin Kortikosteroide: Budesonid oder Prednisolon
In der Therapie der Colitis ulcerosa ist das Vorgehen anders. Bei einem Schub mit leichter bis mässiger Aktivität wird die Therapie mit Mesalazin begonnen, plus
Schub mit hoher Aktivität
Kortikosteroide (Prednisolon)
Steroidzusatz (Budesonid oder Predniso-
Remissionserhaltung
chronisch aktiver Verlauf, Steroidabhängigkeit und Remissionserhaltung nach Ciclosporin- oder Tacrolimusinduzierter Remission
Quelle: adaptiert nach (1 und 2)
Mesalazin oder Sulfasalazin Cyclosporin A Biologika Mesalazin E. coli Nissle Azathioprin Infliximab Adalimumab Golimumab Vedolizumab chirurgische Intervention Azathioprin/Mercaptopurin Infliximab Adalimumab Golimumab Vedolizumab
lon), falls eine Remission ausbleibt. Bei Rezidiven oder Intoleranz wie auch bei steroidrefraktärem oder steroidabhängigem Verlauf kommt Azathioprin zum Einsatz, bei dessen Unverträglichkeit E. coli Nissle. Ist diese Therapie nicht erfolgreich, sind TNF-Hemmer wie Infliximab, Adalimumab oder Golimumab eine Option, oder aber Vedolizumab (2). Wenn damit eine Remission erreicht werden kann, ist es das Ziel, eine steroidfreie Remission zu erreichen, klinisch wie auch endoskopisch. Das kann durch stufenweise Eskalation der Erhaltungstherapie mit Aminosalicylaten, Thiopurinen, TNF-Hemmern oder Vedolizumab erfolgen. Auf die Frage nach der notwendigen Erhaltungstherapiedauer lie-
ferten die Guidelines mangels Evidenz
Referenzen: 1. Gomollon F et al.: 3rd Euro-
pean Evidence-based Consensus on the Diagnosis and Management of Crohn’s Disease 2016: Part 1: Diagnosis and Medical Management. J Crohn’s and Colitis 2017; 11: 2–25. 2. Harbord M et al.: Third European Evidence-based Consensus on Diagnosis and Management of Ulcerative Colitis. Part 2: Current Management. J Crohn’s and Colitis 2017; 11: 769–784.
im 21. Jahrhundert keine verlässlichen prognostischen Marker, beklagt Axel Dignass, sodass klinische Prädiktoren weiterhin für eine komplikative CrohnErkrankung hinweisend seien: L junges Alter bei Diagnose L ausgedehnte Dünndarmbeteiligung L Strikturen oder Fisteln L Steroidbehandlung zum Diagnosezeitpunkt L Gewichtsverlust von mehr als 5 kg L tiefe Dickdarmulzera. Steroidabhängige Patienten, die noch nicht immunsuppressiv behandelt wurden, sollten mit Thiopurinen, Methotrexat oder mit TNF-Hemmern behan-
keine Daten, erklärt Dignass abschliessend.
L
Valérie Herzog
Quelle: «Crohn’s Disease», United European Gastroenterology Week (UEGW) 2018, 21. bis 24. Oktober in Wien.
ECCO-Guidelines
www.rosenfluh.ch/qr/ecco-ibd.eu
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