Transkript
UEG-Week
Foto: vh
Therapie der Zöliakie
Silberstreifen am Horizont
Lange galt Zöliakie als eine Erkrankung, die sich nur durch strikte glutenfreie Diät einigermassen im Zaum halten lässt. Momentan gibt es zwar noch keine verfügbare Pharmakotherapie, doch die Forschung läuft auf Hochtouren, und es sind einige vielversprechende Substanzen unterwegs. Prof. Roberto de Giorgio, Azienda Ospidaliero, Università degli Studi di Ferrara, gab an der UEG-Week in Wien einen Überblick über das Kommende.
Zöliakie ist die häufigste chronische Entzün-
dung des Dünndarms. Hervorgerufen wird die
Autoimmunerkrankung durch Nahrungsglu-
ten bei rund 1 Prozent der westlichen Bevölke-
rung. Bereits 50 mg Gluten, was einem Dreis-
sigstel einer Scheibe Brot entspricht, können
eine markante Entzündung der Dünndarmmu-
kosa auslösen. Bei Zöliakiepatienten ist die
glutenfreie Diät die einzige bisher etablierte
Prof. Roberto de Giorgio
Therapie und zentral in der Bekämpfung der erhöhten Tumor- und Mortalitätsrisiken. Doch
eine glutenfreie Diät konsequent durchzuführen, stellt für
viele Patienten ein Problem dar. Tatsächlich weisen nur etwa
50 bis 60 Prozent der Patienten eine gute Compliance auf.
Denn die Diät ist nicht nur sehr einschränkend, sondern auch
teuer und aus der Sicht der Patienten belastend und wenig be-
friedigend (2), daher sind alternative Therapiemöglichkeiten
dringend erwünscht, so de Giorgio.
Zurzeit in Entwicklung stehende Substanzen haben das Ziel,
die Antigenmenge zu reduzieren, beispielsweise durch Ver-
besserung der intestinalen epithelialen Barriere, durch Glu-
tenasen, Glutenbinder oder modifiziertes Gluten. Ein weite-
rer Ansatz sind immunmodulierende Strategien. Hier sind
Substanzen gefragt, die das Immunsystem dämpfen, eine
Glutentoleranz induzieren können oder mittels gezielter
Immuntherapie die Zytokinfreisetzung blockieren.
Einiges in der Pipeline
Im Phase-II/III-Stadium befindet sich Larazotid, ein ZonulinRezeptorantagonist. Larazotid reguliert die bei Zöliakiepatienten gelockerten Tight Junctions im Darm. Die Durchlässigkeit der Membran wird durch das körpereigene Protein Zonulin erhöht. Larazotid antagonisiert dies und reduziert die transzelluläre Glutenpassage. In einer 4-wöchigen doppelblind randomisierten Studie zeigte sich unter der 0,5-mg-Dosierung ab der 2. Behandlungswoche eine signifikante Verbesserung im gastrointestinalen Symptom-Score. Extratestinale Symptome wie Kopfschmerzen und Müdigkeit besserten sich ebenfalls signifikant (3). Gemäss de Giorgio ist Larazotid zur Zulassung eingereicht und könnte zur Symptomlinderung hilfreich sein. Weitere Substanzen in klinischer Entwicklung sind die Glutenasen ALV003 und AN-PEP, die Gluten aufspalten. Sie befinden sich in Phase II. In einer klinischen Studie zeigte sich bei Zöliakiepatienten unter ALV003 im Vergleich zu Plazebo
eine verminderte gluteninduzierte Mukosaschädigung bei Patienten unter strikter glutenfreier Diät plus täglich bis zu 2 g Gluten. Die Symptome blieben jedoch unbeeinflusst (4). Eine weiteres Enzym, Kuma003, ist ebenfalls in Entwicklung. Es ist 100 Mal aktiver als ALV003 und bewirkt eine komplette Suppression der gliadininduzierten T-Zellaktivierung (5). Ein weiterer Ansatz besteht in der Blockierung der Gewebetransglutaminase. Denn ein wesentlicher Schritt in der Pathogenese der Zöliakie besteht in der Deamidierung und der immunogenen Potenzierung bestimmter Glutenpeptide durch die Gewebstransglutaminase im Darm. ZED1227 ist ein «small molecule» und hemmt die Überaktivität der Transglutaminase in der Dünndarmschleimhaut mit dem Ziel, die gluteninduzierte Entzündung zu unterbinden. Momentan läuft eine Phase-II-Studie mit Zöliakiepatienten in Remission, die während 6 Wochen täglich 3 g Gluten plus ZED1227 oder Plazebo erhalten .
Hoffnungsträger Impfung
Grosse Hoffnungen weckt die Glutenimpfung Nexvax2, die
sich ebenfalls in Phase II befindet. Ziel ist es, die Immuntole-
ranz gegen Gluten wiederherzustellen. Die meisten Zöliakie-
patienten sind Träger des HLA-DQ2.5-Immunerkennungs-
gens, das bei Verzehr von Gluten die T-Zell-vermittelte
Entzündungsreaktionskaskade auslöst. Die subkutan appli-
zierte Impfung soll die an der Entzündungsantwort beteilig-
ten T-Zellen umprogrammieren und damit die Entzündung
supprimieren. Die Sicherheit und Verträglichkeit wurde in
Phase-I-Studien positiv bestätigt (6), sodass jetzt in einer dop-
pelblinden, randomisierten und plazebokontrollierten Phase-
II-Studie die anvisierte Wirkung überprüft werden kann. An
der Studie nehmen 146 Zöliakiepatienten teil, die während
mindestens 12 Monaten eine strikt glutenfreie Diät eingehal-
ten haben. Sie erhalten während 16 Wochen zweimal wö-
chentlich eine subkutane Injektion mit Nexvax2 oder Pla-
zebo (7). Er hoffe, dass es hierbei gute Nachrichten geben
werde, so de Giorgio abschliessend.
L
Valérie Herzog
Quelle: «Therapy besides gluten-free diet», United European Gastroenterology Week (UEGW) 2018, 21. bis 24. Oktober in Wien.
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Referenzen: 1. Roma E et al.: Dietary compliance and life style of children with
coeliac disease. J Hum Nutr Diet 2010; 23: 176–182. 2. Aziz I et al.: Are patients with coeliac disease seeking alternative
therapies to a gluten-free diet? J Gastrointestinal Liver Dis 2011, 20: 27–31. 3. Leffler DA et al.: Larazotide Acetate for Persistent Symptoms of Celiac Disease Despite a Gluten-Free Diet: A Randomized Controlled Trial. Gastroenterology. 2015; 148: 1311–1319. 4. Lähdeaho ML et al.: Glutenase ALV003 attenuates gluten-induced mucosal injury in patients with celiac disease. Gastroenterology 2014; 146: 1649–1658. 5. Wolf C et al.: Engineering of Kuma030: A Gliadin Peptidase That Rapidly Degrades Immunogenic Gliadin Peptides in Gastric Conditions. J Am Chem Soc 2015; 137: 13106–13113. 6. Goel G et al.: Epitope-specific immunotherapy targeting CD4positive T cells in coeliac disease: two randomised, doubleblind, placebo-controlled phase 1 studies. Lancet Gastroenterol Hepatol 2017; 2: 479–493. 7. www.cliniclatrials.gov. NCT03644069. Letzter Zugriff: 11.12.2018.
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