Transkript
UEG-Week
Erst Eradikation, dann Elimination
Hepatitis-C-Behandlung beim Hausarzt
Foto: vh
Die Hepatitis-C-Erkrankung ist heilbar geworden und deren Therapie einfach. Nicht komplizierte Fälle können somit durch den Hausarzt behandelt werden. Nur so kann die WHO das ehrgeizige Ziel erreichen, die Erkrankung bis im Jahr 2030 weitgehend eliminiert zu haben. Worauf bei der antiviralen Behandlung zu achten ist, erklärte Prof. Vincent Leroy, Gastroenterologie, Centre Hospitalier Universitaire Grenoble Alpes (F), an der UEG-Week in Wien.
Während die Zahlen auf amerikanischen War-
telisten für Lebertransplantationen aufgrund
von alkohol- und NASH-bedingten Zirrhosen
oder Leberversagen kontinuierlich im Steigen
begriffen sind, sind sie bei den chronischen
Hepatitis-C-Erkrankungen in den letzten fünf
Jahren rückläufig (1). Das soll aber nicht darü-
ber hinwegtäuschen, dass die Infektionsraten
immer noch ansteigend sind. Gemäss WHO
Prof. Vincent Leroy
(World Health Organization) waren im Jahr 2017 70 Millionen Personen infiziert, jährlich
sterben 400 000 Personen daran. Daher hat sich die WHO
ein Eliminationsziel gesetzt: Bis ins Jahr 2030 sollen die Hepa-
titis-C-Diagnoseraten von momentan 9 auf 90 Prozent erhöht
und die Behandlungsraten der Diagnostizierten von zurzeit
7 auf 80 Prozent gesteigert werden (2). Elimination bedeute
hier, dass die Erkrankung kein Problem mehr für die öffent-
liche Gesundheit sein soll, erläuterte Leroy.
Um diesem Ziel näher zu kommen, ist ein Screening von
Hochrisikopopulationen nötig. Das betrifft unter anderem
Gefängnisinsassen, Junkies, Migranten sowie Männer, die
Sex mit Männern haben.
Gemäss den EASL-Guidelines sollen alle Patienten mit einer
Hepatitis-C-Virus-(HCV-)Infektion eine Behandlung erhal-
ten, sowohl therapienaive als auch solche, die auf eine erste
Behandlung kein anhaltendes virologisches Ansprechen (SVR;
sustained virologic response) erreicht haben (3). Auch
Europa ist von den WHO-Zielen noch weit entfernt: Von
den momentan geschätzten 3,2 Millionen Infizierten ist ein
Drittel gescreent, 4,6 Prozent haben daraufhin eine Therapie
erhalten und 4,1 Prozent sind geheilt (4). Diese Patienten mit
den heutigen Möglichkeiten zu therapieren lohne sich, so
Leroy.
KURZ & BÜNDIG
L Bei HCV-Patienten ohne schwere Leberfibrose und Komorbiditäten ist keine Genotypisierung notwendig.
L Eine vereinfachte, pangenotypische HCV-Therapie kann durch den Hausarzt durchgeführt werden.
L 24 Wochen nach Behandlungsende SVR überprüfen.
Soll ein Patient behandelt werden, sei es wichtig, vor Behandlungsstart, die klinische Situation bezüglich eventuell vorangegangener Hepatitis-C-Therapien und Komorbiditäten zu erfassen, Komedikationen hinsichtlich möglicher Interaktionen zu erfragen, den HCV-Genotyp und eventuelle Koinfektionen mit HIV, HBV zu finden und den Zustand der Leber zu erfassen. Letzterer soll gemäss Guidelines nicht invasiv mittels Biomarkern und Lebersteifigkeitsgrad bestimmt werden. Ein Test allein habe aber keine ausreichende Spezifität für eine Fibrosediagnose, das Risiko für eine falschpositive Diagnose sei relativ hoch, so Leroy. Stimmen die Resultate beider Tests überein, könne von einer Fibrose beziehungsweise Fibrosefreiheit ausgegangen werden. Sind die Resultate dagegen widersprüchlich, muss nach Wiederholung der Tests eine Leberbiopsie durchgeführt werden (3).
Therapiestart beim Hausarzt ohne Genotypisierung
Um den Zugang zur Therapie zu vereinfachen, muss gemäss den EASL-Guidelines vor Einsatz einer pangenotypischen Therapie der HCV-Genotyp und Subtyp nicht bestimmt werden. Der Hausarzt kann also bei therapienaiven HCV-positiven Patienten ohne Komorbiditäten und ohne schwere Leberfibrose eine pangenotypische Therapie mit den Kombinationen Sofosbuvir/Velpatasvir oder Glecaprevir/Pibrentasvir (Tabelle) ohne Nachweis des Genotyps durchführen, erläutert Leroy. Denn die SVR nach 12 Wochen beträgt bei Sofosbuvir/Velpatasvir für alle Genotypen zwischen 97 und 100 Prozent (5), diese ist bei Glecaprevir/Pibrentasvir nach 8 beziehungsweise 12 Wochen ähnlich hoch (6). Die Genotypisierung ist demnach bei nicht zirrhotischen Patienten nicht obligat, denn die Therapie bleibe gleich, so Leroy. Für Patienten mit kompensierter Zirrhose kann Glecaprevir/ Pibrentasvir während 16 Wochen verabreicht werden, für eine kürzere Therapie und alle anderen Präparate ist eine Genotypisierung empfohlen (3). Ist die Zirrhose dekompensiert, sind Proteaseinhibitoren kontraindiziert und die Therapie mit Sofosbuvir/Velpatasvir für 24 Wochen die beste Option (6), so Leroy. Je nach Schwere der Zirrhose ist auch eine Transplantation angezeigt.
Komborbiditäten und Interaktionen
Bei kardiovaskulären Komorbiditäten lohnt es sich, in den EASL-Guidelines die Interaktionenliste genau anzuschauen. Bei Verwendung der direkten Antiviralia (DAA) können je
CongressSelection Gastroenterologie | Januar 2019
27
UEG-Week
Tabelle:
Therapieschema Hepatitis C ohne Zirrhose gemäss EASL-Guidelines 2018
Genotyp
Therapieerfahrung
1a naiv
nicht naiv
1b naiv
nicht naiv 2 naiv
nicht naiv 3 naiv
nicht naiv 4 naiv
nicht naiv 5 naiv
nicht naiv 6 naiv
nicht naiv
SOF/VEL (Epclusa®)
12 Wochen
12 Wochen
12 Wochen
12 Wochen 12 Wochen 12 Wochen 12 Wochen 12 Wochen 12 Wochen
12 Wochen 12 Wochen 12 Wochen 12 Wochen 12 Wochen
GLE/PIB (Maviret®)
8 Wochen
8 Wochen
8 Wochen
8 Wochen 8 Wochen 8 Wochen 8 Wochen 12 Wochen 8 Wochen
8 Wochen 8 Wochen 8 Wochen 8 Wochen 8 Wochen
SOF/VEL/VOX (Vosevi®)
nein
nein
nein
nein nein nein nein nein nein
nein nein nein nein nein
SOF/LDV (Harvoni®)
GZR/EBR (Zepatier®)
8–12 Wochen
nein
8–12 Wochen
12 Wochen nein nein nein nein 12 Wochen
nein 12 Wochen nein 12 Wochen nein
12 Wochen (HCV RNA ≤ 800 000 IU/ml)
12 Wochen (HCV RNA ≤ 800 000 IU/ml)
8 Wochen (F0–F2) 12 Wochen (F3)
12 Wochen
nein
nein
nein
nein
12 Wochen (HCV RNA ≤ 800 000 IU/ml)
nein
nein
nein
nein
nein
OBV/PTV/r + DSV (Viekirax® und Exviera®) nein
nein
8 Wochen (F0–F2) 12 Wochen (F3) 12 Wochen nein nein nein nein nein
nein nein nein nein nein
Abkürzungen: DSV = Dasabuvir; EBR = Elbasvir; GLE = Glecaprevir; GZR = Grazoprevir; HCV = Hepatitis-C-Virus; LDV = Ledipasvir; OBV = Ombitasvir; PIB = Pibrentasvir; PTV = Paritaprevir; r = Ritonavir; SOF = Sofosbuvir; VEL = Velpatasvir; VOX = Voxilaprevir
Quelle: modifiziert nach (3)
nach Präparat Dosisanpassungen bei Antiarrhythmika, Betablockern, Kalziumkanalblockern, Antihypertonika wie auch Lipidsenkern nötig werden (3). Eine HCV-Therapie kann zwar einfach sein, sollte aber gemäss Leroy immer individuell angepasst sein. Beispielsweise bei: L einer 32-jährigen Frau mit Fibrosestadium 1 und oraler
Kontrazeption, ohne Genotypisierung: Sofosbuvir/Velpatasvir für 12 Wochen, L einem 72-jährigen Mann, Genotyp 1b, Fibrosestadium 3, mit Amlodipin und Atorvastatin wegen kardialer Komorbidität: Grazoprevir/Elbasvir für 12 Wochen, L einem 52-jährigen Mann, Genotyp 1a, Fibrosestadium 1, glomeruläre Filtrationsrate < 30 ml/min/1,73 m2: Glecaprevir/Pibrentasvir für 8 Wochen.
Schlagen die DAA-Therapien trotz allem nicht an, ist vor einer
erneuten Behandlung ein Resistenztest empfehlenswert (3).
Wo dies nicht möglich ist, ist ein Versuch mit der Drei-
fachkombination Sofosbuvir/Velpatasvir/Voxilaprevir 12 bis
24 Wochen eine Option, so Leroy.
Nach erfolgter HCV-Therapie sei es jedoch wichtig, 24 Wo-
chen später die SVR zu überprüfen, empfahl Leroy, denn es
wurden in diesem Zeitraum schon vereinzelt Rückfälle beob-
achtet. Patienten mit fortgeschrittener Fibrose (F3) und mit
Zirrhose sollten zusätzlich nach der Behandlung hinsichtlich
Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms alle 6 Mo-
nate kontrolliert werden.
L
Valérie Herzog
EASL-Guidelines 2018 Hepatitis C
www.rosenfluh.ch/qr/hep_c_2018
Quelle: «Hepatitis C», United European Gastroenterology Week (UEGW) 2018, 21. bis 24. Oktober in Wien
28 CongressSelection Gastroenterologie | Januar 2019
Referenzen: 1. Goldberg D et al.: Changes in the Prevalence of Hepatitis C Virus
Infection, Nonalcoholic Steatohepatitis, and Alcoholic Liver Disease Among Patients With Cirrhosis or Liver Failure on the Waitlist for Liver Transplantation. Gastroenterology 2017; 152: 1090–1099. 2. World Health Organization: Global hepatitis report 2017. http://www.who.int/hepatitis/publications/global-hepatitisreport2017/en/ 3. Pawlotsky JM et al.: EASL Recommendations on Treatment of Hepatitis C 2018. J Hepatol 2018; 69: 461–511. 4. Razavi H et al.: Hepatitis C virus prevalence and level of intervention required to achieve the WHO targets for elimination in the European Union by 2030: a modelling study. Lancet Gastroenterol Hepatol 2017; 2: 325–336. Feld JJ et al.: Sofosbuvir and Velpatasvir for HCV Genotype 1, 2, 4, 5, and 6 Infection. N Engl J Med 2015; 373: 2599–2607. 5. Puoti M: High SVR rates with eight and twelve weeks of pangenotypic glecaprevir/pibrentasvir: Integrated efficacy and safety analysis of genotype 1-6 patients without cirrhosis. EASL 2017; Abstract SAT-233. 6. Curry MP et al.: Sofosbuvir and Velpatasvir for HCV in Patients with Decompensated Cirrhosis. N Engl J Med 2015; 373: 2618– 2628.
UEG-Week
CongressSelection Gastroenterologie | Januar 2019
29