Transkript
UEG-Week
Funktionelle Dyspepsie
Update der Therapie zur Symptomlinderung
Symptome der funktionellen Dyspepsie sind schwierig zu behandeln. Nicht immer spricht der Patient auf die Therapie an. Wie vorgegangen werden kann und welche neuen Daten es zu bestehenden Therapien gibt, darüber berichtete Prof. Guillaume Gourcerol, Centre Hospitalier Universitaire C. Nicolle, Rouen (F), an der UEG-Week in Wien.
Als dyspeptische Symptome gelten postprandiales Völlegefühl, frühes Sättigungsgefühl, epigastrische Schmerzen oder Brennen, Nausea und Erbrechen. Halten die Symptome länger als sechs Monate an, ist die Rede von einer Chronifizierung. Bei normaler Endoskopie handelt es sich dabei um eine funktionelle Dyspepsie, die in zwei Untergruppen eingeteilt wird: das «postprandial distress syndrome» (PDS) wird durch unangenehmes Völlegefühl nach normalen Mahlzeiten und/oder frühe Sättigung mit vorzeitiger Beendigung der Mahlzeit charakterisiert und das «epigastric pain syndrome» (EPS) manifestiert sich mit mahlzeitenunabhängigem epigastrischem Schmerz, der nicht in anderen thorakalen oder abdominellen Regionen zu spüren ist und sich auch durch Defäkation oder Windabgang nicht bessert. Klassische Massnahmen gegen diese Symptomkomplexe umfassen die Eradikation von Helicobacter pylori, Säurehemmung und Antidepressiva bei EPS, Prokinetika bei PDS (1). Ob eine Helicobacter-pylori-Eradikation bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie durchgeführt werden soll, muss individuell abgeklärt werden. Eine Metaanalyse über 25 randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) bescheinige der Eradi-
KURZ & BÜNDIG
Bei funktioneller Dyspepsie eine Helicobacter-pylori-Eradikation als ersten Schritt erwägen.
Bei PDS Prokinetika anwenden, bei EPS eher PPI und Antidepressiva.
Bei persistierenden Symptomen (EPS/PDS) können der Pflanzenextrakt STW5, Psychotherapie oder Akupunktur helfen.
Bei schweren Symptomen mit Gewichtsverlust ist Mirtazapin eine Option.
Essverhalten und Nahrungszusammensetzung können die Dyspepsie beeinflussen.
kation jedenfalls einen positiven Effekt auf die Symptomatik mit einer Number needed to treat (NNT) von 14 (2), berichtet Gourcerol. Nicht alle Patienten werden nach dieser Therapie symptomfrei, doch sei sie einen Versuch wert.
Säurehemmung und Prokinetika
Eine weitere Massnahme besteht in der Säurehemmung mit Protonenpumpenhemmern (PPI). Diese führen zuverlässig zu einer Symptomlinderung, wie eine aktualisierte Metaanalyse über 18 RCT zeigen konnte (3). Erstaunlich dabei sei, dass der Effekt dosisunabhängig zustande kommt. Man könnte demnach auch gut die halbe Dosis verordnen, kommentierte der Gastroenterologe. Patienten mit Reflux oder epigastrischen Schmerzen profitieren jedoch mehr von PPI als solche mit Motilitätsstörungen, wie eine ältere Metaanalyse zeigte (4). Anstelle von PPI können auch H2-Blocker verwendet werden. Bezüglich Wirkung seien sie vergleichbar (4), so Gourcerol. Auch Prokinetika lindern im Vergleich zu Plazebo die Beschwerden bei allen Typen der funktionellen Dyspepsie, aber in grösserem Ausmass bei PDS. Untereinander unterscheiden sie sich hinsichtlich Wirkung gemäss einer aktuellen Metaanalyse jedoch wenig (5), mit leichtem Vorteil für Metoclopramid, Domperidon und Trimebutin (6). Prokinetika mit PPI zwecks Synergieeffekt zu kombinieren, bringt dagegen keinen zusätzlichen Nutzen (3).
Antidepressiva und Pflanzenextrakte
Was bringen Antidepressiva? Bei der Mehrheit der 1241 Patienten aus einer Metaanalyse mit dem Vergleich zu Plazebo bewirkten Antidepressiva eine Symptomlinderung mit einer NNT von 6 (7). Für diesen Zweck scheint sich das Trizyklikum Amitriptylin besser zu eignen als der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Escitalopram, und dies eher bei Patienten mit EPS (8), so Gourcerol. Auch das tetrazyklische Mirtazapin lindert Dyspepsiesymptome. Die Gewichtszunahme als Nebenwirkung kann in dieser Situation sogar ein Vorteil sein, denn durch das vorzeitige Sättigungsgefühl bei EPS-Patienten kann ein ungewollter Gewichtsverlust zum Problem werden (9).
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Pflanzliche Arzneimittel wie beispielsweise das Kombinationsprodukt aus neun verschiedenen Pflanzenextrakten STW5 (Iberogast®) werden schon lange verbreitet eingesetzt. In einer älteren Studie zeigte die Extraktmischung gegenüber Plazebo eine signifikante Symptomlinderung (10), und in einer Metaanalyse über 5 randomisierte, kontrollierte Studien war STW5 Plazebo überlegen und gleich gut wie Cisaprid, bei Nebenwirkungen auf Plazeboniveau (11). In einer am Kongress vorgestellten Analyse von gepoolten Daten aus 6 RCT verbesserte STW5 die gastrointestinalen Symptome in grösserem Ausmass als Plazebo (12). Damit scheint die Pflanzenextraktmischung gemäss Referent eine valable Option bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie zu sein, die gerne auf eine pflanzliche Therapie zurückgreifen möchten.
Wenn alles nichts hilft
Bringen alle diese Massnahmen keine Symptomlinderung, sollten funktionale Tests zur Ursachenforschung eingesetzt werden. Möglicherweise ist eine verzögerte Magenentleerung der Grund für die Symptome. Massnahmen zur Beschleunigung umfassen die Gabe von oralem Prucaloprid (13), intrapylorisch appliziertem Botox oder eine gastrische perorale endoskopische Myotomie (G-POEM), so Gourcerol. Eine weitere Option ist die Hypnotherapie. Diese zeigte in einer Langzeitstudie über 60 Wochen bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie bessere Resultate als die Standardtherapie hinsichtlich der Symptomlinderung und Lebensqualität wie auch einen sinkenden Medikamentenverbrauch (14). Psychotherapie oder Akupunktur können des Weiteren ebenfalls zur Symptomlinderung beitragen, so Gourcerol.
Funktionelles Nausea- und Vomitingsyndrom
Manche Patienten mit funktioneller Dyspepsie leiden auch am «functional nausea and vomiting syndrome». Als Therapie sollten hier erst Antiemetika wie Metoclopramid zur Anwendung kommen, bevor Prokinetika wie Domperidon und Prucaloprid zum Einsatz kommen. Bei diesen Patienten scheint auch die gastrische elektrische Stimulation eine Option zu sein, wie eine noch laufende Cross-over-Studie unter Mitarbeit des Referenten zeigt. In der On-Phase erwies sich die Frequenz der Erbrechensepisoden als niedriger als in der Off-Phase, wie Goucerol abschliessend berichtete.
Mit der Nahrung die Symptome steuern?
Welche Nahrungsmittel zu bevorzugen sind oder welche Essgewohnheiten sich eignen, um Dyspepsiesymptome zu umschiffen, sind von Patienten häufig gestellte Fragen. Tatsächlich zeigte eine Kohortenstudie, dass unregelmässige Essensmuster sowie ein hastiges Essverhalten mit Dyspespie eher im Zusammenhang stehen. Der Abstand zwischen der letzten Mahlzeit und dem Zubettgehen wie auch die Flüssigkeitseinnahme während des Essens spiele dagegen keine Rolle (15), berichtete Prof. Benoit Coffin, Hôpital Louis Mourier, Paris (F). Nahrungsbestandteile können verschiedene Einflüsse ausüben: Im Gegensatz zu Kohlenhydraten und Proteinen verlangsamt Fett die Magenentleerung, fördert Blähungen, Völlegefühl und epigastrische Schmerzen. Welche Art Fette, ob tierische oder pflanzliche, die Symptome stärker hervorrufen, ist nicht bekannt, ebenso wenig die Fett-
menge. Interessanterweise ist es jedoch die eigene Perzeption
über die zugeführte Fettmenge, die einen Symptombeginn be-
einflussen kann (16), so Coffin. Den Fettgehalt in der Nah-
rung zu reduzieren, sei daher sicher ein guter Rat. Der Ein-
fluss von Alkohol auf die Dyspepsie ist dagegen kontrovers.
Es gibt Studien, die keinen Zusammenhang gefunden haben,
und andere, die bei einem Konsum von mehr als sieben
Drinks pro Woche Bier oder Wein eine Triggerfunktion zei-
gen, wie Coffin berichtete.
Eine glutenfreie Diät kann bei Patienten mit funktioneller
Dyspepsie zur Symptomlinderung führen, wie eine doppel-
blinde, randomisierte Cross-over-Studie zeigen konnte. Ab-
dominale Schmerzen, Blähungen, Völlegefühl, vorzeitiges
Sättigungsgefühl und epigastrische Schmerzen waren in die-
ser Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe nach drei Wo-
chen reduziert (17). Eine FODMAP-arme Diät reduziert
zwar die Symptome bei Patienten mit Reizdarmsyndrom.
Eine vorteilhafte Wirkung bei funktioneller Dyspepsie ist bis
heute jedoch nicht bekannt, obwohl viele Reizdarmpatienten
auch dyspeptische Beschwerden haben, so Coffin. Ein weite-
res Thema sind verarbeitete Nahrungsmittel aus dem Conve-
nience-Food-Bereich. Diese verdrängen zwar immer mehr die
frisch zubereiteten Nahrungsmittel vom Speiseplan, doch
haben sie auf die Dyspepsie keine Auswirkungen, auf das
Reizdarmsyndrom jedoch schon (18). Der Kaffee nach dem
Essen kann bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie dage-
gen dyspeptische Symptome auslösen, von der Schokolade
zum Kaffee ist jedoch nichts Derartiges bekannt (19). L
Valérie Herzog
Quelle: «Medical therapeutic options: Current and future perspectives», United European Gastroenterology Week (UEGW) 2018, 21. bis 24. Oktober in Wien.
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