Transkript
UEG-Week
Chronisch entzündliche Darmerkrankung im Alter
Was bei der Therapie anders ist
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Ältere Menschen mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung können ganz unterschiedliche Verläufe aufweisen. Ein Grund dafür ist der Zeitpunkt des Krankheitsbeginns. Besteht die Erkrankung bereits seit jungen Jahren, verläuft sie anders als bei Beginn in höherem Alter. Prof. Guillaume Savoye, HépatoGastroentérologie, Centre Hospitalier Universitaire Rouen (F), legte an der UEG-Week dar, worauf hierbei zu achten ist und was bei älteren Patienten wichtig ist.
Prof. Guillaume Savoye
In Anbetracht der demografischen Entwicklung wird der Anteil älterer Personen mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung (CED) in den nächsten Jahren zunehmen. Bei älteren Patienten sind die Herausforderungen anders als bei jungen: Aufgrund von unterschiedlichen Krankheitsverläufen je nach Krankheitsbeginn besteht die Gefahr von Falschdiagnosen. Ausserdem sind Komorbiditäten und eventuell eine erhöhtes Risiko für Therapienebenwirkungen zu berücksichtigen.
Später Krankheitsbeginn
Treten CED-Symptome erst in höherem Alter auf, sollten vor der Diagnosestellung erst andere häufige Erkrankungen wie beispielsweise NSAID-assoziierte Kolitis, strahleninduzierte Proktitis, Neoplasien, ischämische oder infektiöse Kolitis oder Divertikulitis ausgeschlossen werden, so die Empfehlung von Savoye. Häufigster Ort für eine CED-Manifestation bei Patienten über 60 Jahre ist im Kolon (1). Patienten über 80 Jahre haben ein erhöhtes Mortalitätsrisiko im ersten Jahr nach der Diagnose verglichen mit gleichaltrigen ohne CED (2). Dies obwohl die Erkrankung selbst nicht tödlich ist. Auch die Krankheitsprogression unterscheidet sich. Während sich die Krankheit bei Patienten mit frühem Beginn in der Kindheit über einen Zeitverlauf von sechs Jahren bei
KURZ & BÜNDIG
Früh und spät einsetzender Krankheitsbeginn führt zu unterschiedlichen Krankheitsverläufen.
Kortikosteroid- und Thiopurintherapie bei über 65-Jährigen zeitlich limitieren.
CED-Patienten gegen Pneumokokken, Influenza- und Varizella-zoster-Viren impfen.
31 Prozent der Patienten gemäss Untersuchungen ausgedehnt hat – dies hauptsächlich im Ileocolon –, war das bei CED-Patienten mit Beginn in höherem Alter viel seltener (8%) und hauptsächlich im Kolon der Fall (1, 3). In Bezug auf das biologische Verhalten bleibt die Erkrankung bei Spätbeginn über die Jahre vorwiegend entzündlich (nicht strikturierend und nicht penetrierend), während die Erkrankung mit frühem Beginn im Alter aggressiver verlaufen kann und sich das biologische Verhalten häufiger ändert (1).
Komorbiditäten beachten
CED-Patienten in höherem Alter leiden häufig noch an anderen Erkrankungen. In einer Untersuchung bei 72-jährigen CED-Patienten (n = 393) litten unter anderem 34 Prozent der Patienten an koronarer Herzkrankheit, 23 Prozent an chronisch obstruktiver Lungenkrankheit, 19 Prozent an Diabetes mellitus, 11 Prozent an chronischer Nierenerkrankung, 10 Prozent an rheumatologischer Erkrankung, und 12 Prozent hatten bereits einen Hirnschlag (4). Die oft nebeneinander einhergehenden Erkrankungen führen zu einer erhöhten Krankheitslast, einer höheren Mortalität sowie auch zu Nebenwirkungen der Therapien. Durchschnittlich haben über 65-jährige CED-Patienten etwa neun Medikamente, was auch die Arzneimittelinteraktionen in die Höhe schnellen lässt, so Savoye. Ältere CED-Patienten über 65 Jahre haben ausserdem ein erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien (5), für die Entwicklung von Hautkrebs sowie an einer Clostridium-difficileInfektion zu erkranken, dies mit hoher Spitalmortalität (6).
Therapie bei älteren Patienten
Gemäss ECCO-(European Crohn's and Colitis Organisation-)Positionspapier zur CED-Therapie bei älteren Personen unterscheidet sich deren Behandlung in Bezug auf die Wirksamkeit nicht von jener für jüngere Erwachsene (7). Dennoch sollte in der Stufentherapie mit 5-Aminosalicylsäure begonnen werden, das gemäss Savoye bei Älteren, bis auf jene mit Nierenerkrankungen, unproblematisch ist. Das ist bei Kortikosteroiden nicht der Fall. Bei deren Verabreichung soll auf
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jeden Fall eine Osteoporoseprävention betrieben werden, auch wenn dieses Risiko bei Budesonid kleiner zu sein scheint, so Savoye. Wegen des erhöhten Risikos für Infektionen und andere schwere Nebenwirkungen bei älteren Patienten (7) soll der Kortikosteroideinsatz zeitlich auf maximal 12 Wochen limitiert werden. Thiopurine als nächste Stufe können grundsätzlich verordnet werden, doch ist hier auf das altersabhängige Nebenwirkungsrisiko zu achten. Untersuchungen zeigten, dass unter Thiopurinen mit steigendem Alter das Risiko für Harntrakttumoren (8) wie auch jenes für Lymphome zunahm (9). Biologika wie TNF-Hemmer sind bei älteren CED-Patienten ebenfalls wirksam, wenn auch mit einer anfänglich schlechteren klinischen Response (10), so Savoye. Bei dieser Patientengruppe muss jedoch mit einer höheren Rate an schweren Infekten gerechnet werden, allen voran mit Pneumonie. Ältere Patienten sollten daher vor Beginn einer TNF-Hemmertherapie wie auch einer Therapie mit Thiopurinen eine Impfung gegen Pneumokokken sowie andere Erreger wie Influenza- oder Varizella-zoster-Viren erhalten. Unter den neuen Biologika scheint der monoklonale Antikörper Vedolizumab bei älteren Patienten in Bezug auf Response und Remission gemäss vorläufigen Daten gleich wirksam zu sein wie bei jüngeren Patienten, dies mit günstigem Nebenwirkungsprofil (11), so Savoye. Auch beim Interleukinhemmer (IL-12/23) Ustekinumab sei aus dermatologischer Erfahrung bei der Verabreichung an ältere Psoriasispatienten keine «rote Flagge» bekannt geworden, was allerdings in Studien mit CED-Dosierungen bestätigt werden muss. Der Januskinasehemmer Tofacitinib, in Verwendung als Therapeutikum bei rheumatoider Arthritis und bald auch bei CED, zeigte für ältere Patienten eine ähnliche Therapieresponse wie bei jüngeren, jedoch auch ein höheres Risiko für schwere Infektionen (12). Biologika sind demnach für die ältere Population eine gute Option, doch brauche es noch mehr spezifische Sicherheitsdaten, so Savoye. Chirurgische Eingriffe sind auch möglich, doch ziehen sie bei älteren Patienten häufig frühe postoperative Komplika-
tionen nach sich, wie eine Analyse von CED-Notfallopera-
tionen zeigte. Über die Hälfte der Komplikationen in den
ersten 30 Tagen waren schwer, die häufigsten waren Infek-
tionen (13).
L
Valérie Herzog
Quelle: «IBD Management of the Elderly», United European Gastroenterology
Week (UEGW) 2018, 21. bis 24. Oktober in Wien.
Referenzen: 1. Charpentier C et al.: Natural history of elderly-onset inflamma-
tory bowel disease: a population-based cohort study. Gut 2014; 63: 423–432. 2. Jess T et al.: Trends in overall and cause-specific mortality among patients with inflammatory bowel disease from 1982 to 2010. Clin Gastroenterol Hepatol 2013; 11: 43–48. 3. Vernier-Massouille G et al.: Natural history of pediatric Crohn's disease: a population-based cohort study. Gastroenterology 2008; 135: 1106–1113. 4. Juneja M et al.: Geriatric inflammatory bowel disease: phenotypic presentation, treatment patterns, nutritional status, outcomes, and comorbidity. Dig Dis Sci 2012; 57: 2408–2415. 5. Ngyuen GC et al.: Rising prevalence of venous thromboembolism and its impact on mortality among hospitalized inflammatory bowel disease patients. Am J Gastroenterol 2008; 103: 2272–2280. 6. Ananthakrishnan AN et al.: Excess hospitalisation burden associated with Clostridium difficile in patients with inflammatory bowel disease. Gut 2008; 57: 205–210. 7. Sturm A et al.: European Crohn’s and Colitis Organisation Topical Review on IBD in the Elderly. J Crohn’s Colitis 2017; 263–273. 8. Bourrier A et al.: Excess risk of urinary tract cancers in patients receiving thiopurines for inflammatory bowel disease: a prospective observational cohort study. Aliment Pharmacol Therapy 2016; 43: 252–261. 9. Beaugerie L et al.: Lymphoproliferative disorders in patients receiving thiopurines for inflammatory bowel disease: A prospective observational cohort study. Lancet 2009; 374: 1617–1625. 10. Lobaton T et al.: Efficacy and safety of anti-TNF therapy in elderly patients with inflammatory bowel disease. Aliment Pharmacol Therapy 2015; 42: 441–451. 11. Navaneethan U et al.: Vedolizumab Is Safe and Effective in Elderly Patients with Inflammatory Bowel Disease. Inflamm Bowel Dis 2017; 23: E17. 12. Curtis JR et al.: Efficacy and safety of tofacitinib in older and younger patients with rheumatoid arthritis. Clin Experiment Rheumatol 2017; 35: 390–400.
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