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Titel
Therapieregime ausreizen und Komorbiditäten behandeln
Untertitel
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Rubrik
Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) - 25.-29. August 2108 in München
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38464
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Herzinsuffizienztherapie
Therapieregime ausreizen und Komorbiditäten behandeln

ESC

Fotos: vh

Die Behandlung der Herzinsuffizienz ist mehrstufig. Wichtig dabei sei die maximale Austitrierung der ACE-Hemmer beziehungsweise der Sartane, bevor die nächste Stufe einsetze, hiess es am ESC-Kongress in einer State-of-the-Art-Session zur Herzinsuffizienz. Ebenso wichtig sei die Behandlung von Komorbiditäten, die die Herzinsuffizienz verschlechtern könnten.

Prof. Theresa McDonagh Prof. Frank Ruschitzka

Da eine Herzinsuffizienz ein klinisches Syndrom ist, kann sie sich auf verschiedene Arten bemerkbar machen. Dyspnoe, Knöchelödeme und Müdigkeit können solche Symptome sein, begleitet von Zeichen wie beispielsweise einem erhöhten Jugularvenendruck, gestauchten Halsvenen, Rasselgeräuschen über der Lunge oder peripheren Ödemen (Tabelle 1). Bei Verdacht auf eine Herzinsuffizienz könne als Erstes ein Elektrokardiogramm (EKG) weiteren Aufschluss geben, skizzierte Prof. Theresa McDonagh, King’s College Hospital, London (UK), das Vorgehen. Dieses sei nur etwa bei 10 Prozent der Herzinsuffizienzpatienten normal, bei allen anderen seien beispielsweise Rhythmus, Q-Wellen oder die QRS-Zeit auffällig. Als zweite Massnahme zum Ausschluss ist ein Thoraxröntgenbild sicher nicht verkehrt, hier können Zeichen sichtbar sein, die kardiale Silhouette kann aber auch hier häufig normal sein. Um eine Lungenpathologie auszuschliessen, die die Kurzatmigkeit erklären könnte, sei das Röntgenbild jedoch von Nutzen, so McDo-

Prof. Andrew Coats

KURZ & BÜNDIG
 Typische Symptome und hohe BNP-Werte liefern Diagnosehinweise.
 Therapie mit Betablockern und ACE-Hemmern beginnen, ACE-Hemmer so hoch dosieren wie verträglich.
 Bei Austausch von ACE-Hemmern mit Valsartan/Sacubitril 36 Stunden nach ACE-Hemmerstopp warten.
 Komorbiditäten mit Einfluss auf die Herzinsuffizienz behandeln.

nagh. Ein BNP-Test kann weitere Hinweise liefern. Ist der Wert tief, ist das Vorliegen einer Herzinsuffizienz sehr unwahrscheinlich, bei Werten ≥ 35 pg/ ml (NT-pro-BNP ≥ 125 pg/ml) dagegen sehr wahrscheinlich. Eine Echokardiografie bestätigt die Diagnose und lässt die Art der strukturellen Funktionsstörung erkennen: Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion (< 40%) (HFrEF), mit mittelgradig reduzierter Auswurffraktion (45–49%) (HFmEF) oder mit erhaltener Auswurffraktion (≥ 50%) (HFpEF). Die Symptomstärke bei Belastung findet in der Einteilung in NYHA-Klassen I–IV Niederschlag, wobei Klasse I die geringste Einschränkung kennzeichnet. Acht Möglichkeiten zur Behandlung Bei HFrEF besteht die Therapie in der Gabe von ACE-Hemmern und Betablockern, Symptome sowie Stauungsymptome können zusätzlich mit Diuretika reduziert werden. Werden ACE-Hemmer nicht toleriert, können Sartane an deren Stelle treten. Bleibe der Patient dennoch symptomatisch und seine LVEF ≤ 35 Prozent, solle ein Aldosteronantagonist hinzugefügt werden, erklärte Prof. Frank Ruschitzka, Kardiologie, Universitätsspital Zürich, das Vorgehen bei der medikamentösen Behandlung. Bessern sich die Symptomatik und die LVEF noch immer nicht, empfehlen die Guidelines als erste Möglichkeit den Austausch des ACE-Hemmers durch den Angiotensinrezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) Sacubitril/Valsartan, vorausgesetzt der ACE-Hemmer wurde gut vertragen. Als zweite Möglichkeit soll die Indikation zur Implantation eines Herzschrittmachers bei Patienten im Sinusrhythmus und mit einem QRS-Intervall ≥ 130 ms evaluiert werden. Eine dritte Option besteht bei Patienten im Sinusrhythmus und mit einer Ruhefrequenz von > 70 bpm in der Gabe des if-Kanalblockers Ivabradin (1). Die Dosierungen der ACE-Hemmer und der Sartane müssen individuell bis zur maximal verträglichen Dosis auftitriert werden (Tabelle 2). Um eine Hypotonie nach der ersten Dosis zu umgehen, empfehle sich eine abendliche Dosierung, so der Tipp von Ruschitzka. Die Nierenfunktion sei ebenfalls zu überwachen. Das Serumkreatinin kann als Zeichen der

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ESC

Tabelle 1:
Typische Symptome und Zeichen der Herzinsuffizienz

Symptome Typisch
Kurzatmigkeit Orthopnoe paroxysmale nächtliche Atemnot verminderte Belastungsintoleranz Erschöpfung Müdigkeit verlängerte Erholungszeit nach Belastung Knöchelschwellung

Zeichen Höhere Spezifität
erhöhter Jugularvenendruck hepatojugulärer Reflux 3. Herzton (Gallop-Rhythmus) Verlagerung des Herzspitzenstosses

Weniger typisch nächtliches Husten Pfeifen/Giemen Völlegefühl Appetitverlust Verwirrtheit (insbesondere bei Älteren) Depression Palpitationen Benommenheit Synkope Bendopnoe (Dyspnoe beim Bücken)
(Quelle: mod. nach [1])

Geringe Spezifität
Gewichtszunahme > 2 kg pro Woche Gewichtsverlust (bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz) Kachexie Herzgeräusche periphere Ödeme (Knöchel, Sakrum, Skrotum) Rasselgeräusche über der Lunge Klopfschalldämpfung über der Lungenbasis (Pleuraerguss) Tachykardie unregelmässiger Puls Tachypnoe Cheyne-Stokes-Atmung Hepatomegalie Aszites kalte Extremitäten Oligurie geringe Pulsamplitude

Wirksamkeit um 30 bis 50 Prozent ansteigen, Husten, Hyperkaliämie und Angioödeme können als Nebenwirkung von ACE-Hemmern auftreten. Wird von einem Aldosteronantagonisten Gebrauch gemacht, empfiehlt Ruschitzka, bei Patienten ohne Schleifendiuretika am ersten Tag 25 mg Spironolacton zu verabreichen und das Kalium sowie den Kreatininspiegel am dritten Tag zu kontrollieren. Je nach Höhe soll eine Halbierung der Dosis erwogen werden. Am achten Tag soll das Prozedere samt eventuell erneuter Dosishalbierung wiederholt werden. Mit diesen Massnahmen im Rahmen der neurohumoralen Blockade ist eine markante Lebensverlängerung möglich. Gemäss den grossen Studien sinkt die jährliche Todesrate von 15 Prozent unbehandelt mit ACE-Hemmern auf 12 Prozent, mit ACE-Hemmern plus Betablockern auf 8 Prozent und durch Zugabe eines Aldosteronantagonisten auf 6 Prozent (2). Durch Zugabe von Valsartan/Sacubitril konnte in der PARADIGM-HF-Studie im Vergleich zur Standardtherapie mit Enalapril ebenfalls eine kardiovaskuläre Mortalitätsreduktion von 20 Prozent erreicht werden, das Risiko für Hospitalisation sank um 21 Prozent (3). Weil die Gefahr für Angioödeme bei gleichzeitiger Gabe mit ACE-Hemmern erhöht sei, dürfe die Umstellung auf Valsartan/Sacubitril erst 36 Stunden nach Absetzen des ACEHemmers erfolgen, so Ruschitzka. Auch eine Zugabe von Ivabradin reduziert die herzinsuffizienzbedingte Hospitalisationsrate um 26 Prozent, wie die SHIFT-Studie gezeigt hatte (4). Der Effekt kommt durch eine Herzfrequenzreduktion zustande. «Eine wichtige Substanz, wir brauchen sie oft», so Ruschitzka.

Tabelle 2
Evidenzbasierte Dosierungen von ACE-Hemmern und Angiotensin-2-Rezeptor-Antagonisten (ARB) bei HFrEF

Komborbiditäten behandeln
Dank der erfolgreichen Behandlung der Herzinsuf-
fizienz können die davon betroffenen Patienten ein
höheres Alter erreichen. Kehrseite der Medaille ist

ACE-Hemmer
Captopril Enalapril Lisinopril Ramipril Trandolapril ARB
Candesartan Valsartan Losartan
(Quelle: mod. nach [1])

Startdosis
6,25 mg, 3 × täglich 2,5 mg, 2 × täglich 2,5–5 mg, 1 × täglich 2,5 mg, 1 × täglich 0,5 mg, 1 × täglich
4–8 mg, 1 × täglich 40 mg, 2 × täglich 50 mg, 1 × täglich

Zieldosis
50 mg, 3 × täglich 20 mg, 2 × täglich 20–35 mg, 1 × täglich 10 mg, 1 × täglich 4 mg, 1 × täglich
32 mg, 1 × täglich 160 mg, 2 × täglich 150 mg, 1 × täglich

jedoch die mit zunehmendem Alter steigende Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung von Komorbiditäten, die Herzinsuffizienzsymptome verstärken, Rehospitalisationen und Mortalität erhöhen oder die Herzinsuffizienztherapie beeinflussen können. Medikationen für Komorbiditäten können die Herzinsuffizienz verstärken, wie beispielsweise NSAR bei Arthrose oder viele Onkologika. An mögliche Interaktionen sei ebenfalls zu denken, wie Prof. Andrew Coats, University of Warwick (UK), die Problematik skizziert. Eine dieser Komorbiditäten, die die Herzinsuffi-

zienz verstärkt, ist die Eisenmangelanämie. Ein Ei-

senmangel lasse sich einfach beheben, so Coats. Die

ESC-Guideline Herzinsuffizienz

ESC-Guidelines empfehlen zur Verbesserung der Symptome,

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der Lebensqualität und der Belastungskapazität die intrave-

nöse Verabreichung von Eisencarboxymaltose bei einem Se-

rumferritinwert von < 100 µg/l oder Ferritin zwischen 100 und 299 µg/l und einer Transferrinsättigung von < 20 Prozent. 10 CongressSelection Kardiologie | Pneumologie | Diabetologie | Dezember 2018 ESC Umgekehrt gibt es Behandlungen von Komborbiditäten, die gemäss Guidelines nicht empfohlen sind, weil sie die Herzinsuffizienz verschlechtern, wie beispielsweise die Verabreichung von Glitazonen als Antidiabetika, von nicht steroidalen Antirheumatika und von COX-2-Hemmern sowie die adaptive Servoventilation bei zentraler Schlafapnoe (1). Es gibt aber auch gute Nachrichten. Der SGLT-2-Hemmer Empagliflozin hat in der EMPA-REG-OUTCOME-Studie bei Typ-2-Diabetikern mit hohem kardiovaskulärem Risiko nicht nur die Gesamtmortalität markant gesenkt, sondern auch die Rate der Hospitalisationen infolge Verschlechterung der Herzinsuffizienz reduziert (5). Bei herzinsuffizienten Diabetikern demnach eine logische Wahl. Auch Vorhofflimmern kommt bei Herzinsuffizienzpatienten mit steigendem Alter häufiger vor. Ab dem Alter von 70 Jahren tritt Vofhofflimmern gemäss einer schwedischen Registerstudie (SWEDE HF) bei 60 bis 70 Prozent der Patienten auf. Vorhofflimmern lässt das Risiko für Tod, herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung, Hirnschlag oder transiente ischämische Attacke bei Herzinsuffizienten zwischen 11 und 22 Prozent ansteigen (6). Vorhofflimmern ist nach Meinung von Coats Teil des Herzinsuffizienzsyndroms und der Erkrankung der Vorhöfe geschuldet und nicht primär eine elektrophysiologische Störung bei diesen Patienten. Eine kleine Studie (n = 363) zeigte für die Katheterablation im Vergleich zur medikamentösen Therapie nach 37 Monaten eine Reduktion der Mortalität wie auch der Hospitalisation wegen Herzinsuffizienzverschlechterung (7). Für eine ab- schliessende Empfehlung diesbezüglich sei es noch zu früh, so Coats abschliessend. L Valérie Herzog Referenzen: 1. Ponikowski P et al.: 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC). Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J 2016; 37: 2129–2200. 2. McMurray JJ: CONSENSUS to EMPHASIS: the overwhelming evidence which makes blockade of the renin-angiotensin-aldosterone system the cornerstone of therapy for systolic heart failure. Eur J Heart Fail 2011; 13: 929–936. 3. McMurray JJ et al.: Angiotensin–Neprilysin inhibition versus Enalapril in heart failure. N Engl J Med 2014; 371: 993–1004. 4. Swedberg K et al.: Ivabradine and outcomes in chronic heart failure (SHIFT): a randomised placebo-controlled study. Lancet 2010; 376: 875–885. 5. Zinman B et al.: Empagliflozin, cardiovascular outcomes, and mortality in type 2 diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 2117–2128. 6. Sartipy U et al.: Atrial fibrillation in heart failure with preserved, mid-range, and reduced ejection fraction. JACC Heart Failure 2017; 5: 565–574. 7. Marrouche NF et al.: Catheter Ablation for Atrial Fibrillation with Heart Failure. N Engl J Med 2018; 417–427. Quellen: «Heart Failure, Review, Update and State of the Art», Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) 2018, 25. bis 29. August in München. Auch Ausdauertraining fördert Vorhoffibrose Das Risiko für Vorhofflimmern steigt bekanntlich mit zunehmendem Alter, einhergehend mit der Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen und struktureller Schädigungen, vor allem des linken Vorhofs. Aber auch bei gesunden Athleten von Ausdauersportarten wurde eine erhöhte Inzidenz von Vorhofflimmern beobachtet. Myokardiale Fibrosen sind bei dieser Personengruppe bekannt. Je nach Fibrosierungsgrad könnte das Risiko für Vorhofarrhythmien prognostiziert werden. Die Forschungsgruppe um Dr. David Peritz von der University of Utah, Salt Lake Cyity (USA), verglich bei 16 Ausdauerathleten und 20 gesunden Kontrollen mittels Late-Gadolinium-MRI das Ausmass der Fibrosierung. Athleten, die die letzten 10 Jahre Wettkämpfe bestritten und mindestens 10 Stunden pro Woche trainiert hatten, wiesen einen signifikant höheren Fibrosierungsgrad des linken Vorhofs auf als die weniger schlanken und älteren Kontrollen. Das erklärt möglicherweise die höhere Prävalenz von Vorhofarrhythmien bei dieser Gruppe, so das Fazit des Forschers. Ein Ausdauerathlet zu sein, habe einen stärkeren Einfluss auf die Fibrosierung als damit in Verbindung gebrachte Komorbiditäten wie Diabetes, Rauchen und Hypertonie. vh Zu viel oder zu wenig schlafen ist schlecht fürs Herz Erwachsene, die täglich weniger als 6 oder mehr als 8 Stun- den schlafen, haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, verglichen mit jenen mit einer Schlafdauer zwischen 6 und 8 Stunden. Das zeigte eine Metaanalyse über 11 prospektive Studien mit über 1 Million Teilnehmer ohne bekannte Herzerkrankung. Von beiden Übeln ist zu lange schlafen schlimmer als zu kurz, so der Erstautor Dr. Epa- meinondas Fountas, Onassis Cardiac Surgery Center, Athen (GR), am ESC-Kongress. Jene mit über 8 Stunden Schlaf hat- ten einen Risikozuwachs von 32 Prozent, unter 6 Stunden er- höhte sich das Risiko für Morbidität und Mortaliät dagegen «nur» um 11 Prozent. vh Quelle: Fountas E et al.: Relationship between sleep duration and cardiovascular disease: a meta-analysis. Poster P2540. Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) 2018, 25. bis 29. August in München. LLL Quelle: Peritz D et al.: Endurance training is associated with increased left atrial fibrosis. Poster P4692. Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) 2018, 25. bis 29. August in München. LLL CongressSelection Kardiologie | Pneumologie | Diabetologie | Dezember 2018 11