Transkript
Fotos: vh
Antithrombotische Therapie
Sind gastrointestinale Blutungen mögliche Tumorvorboten?
ESC
Das Auftreten von Blutungen bei antithrombotischen Therapien ist eine häufige und lästige Nebenwirkung von Plättchenhemmern wie auch von Antikoagulanzien. Dass früh auftretende Blutungen einen Hinweis auf verborgene Tumoren liefern können, darauf weist eine Analyse der letztjährigen COMPASS-Studie hin, deren Teilnehmer mit Rivaroxaban und Acetylsalicylsäure behandelt wurden.
Bei Patienten mit stabiler koronarer Herzkrank-
heit oder peripherer arterieller Verschlusskrank-
heit konnte Rivaroxaban 2,5 mg 2-mal täglich
zusammen mit Acetylsalicylsäure (ASS) in der
im letzten Jahr publizierten COMPASS-Studie
das Risiko für kardiovaskulären Tod, Herzin-
farkt und Hirnschlag besser reduzieren als ASS
allein (Hazard Ratio: 0,76; 95%-Konfidenz-
intervall: 0,66–0,86; p < 0,001). Die Studie mit Prof. John Eikelboom 23 395 Teilnehmern wurde damals nach 23 Monaten wegen der Überlegenheit der Kombination über die Monotherapie vorzeitig gestoppt (1). Unter der Kombination war die Blutungsrate signifikant höher (3,1 vs. 1,9%), doch intrakranielle oder tödliche Blutungen kamen nicht signifikant häufiger vor. Am diesjährigen ESC-Kongress präsentierte COMPASS-Studienleiter Prof. John Eikel- boom eine weitere Analyse, die der Frage nach- ging, was diese Blutungen zu bedeuten haben. Prof. Lars Wallentin Gemäss Eikelboom ist von Beobachtungsstudien bekannt, dass gastrointestinale (GI) oder urogenitale (GU, genitourinary) Blutungen ein erstes Anzei- chen für eine Krebserkrankung sein können. Die Frage stellt sich also, ob GI- oder GU-Blutungen bei vaskulären Patien- ten mit langzeitantithrombotischer Therapie Tumoren im Gastrointestinal- oder Urogenitaltrakt entlarven. Dazu wur- den die Studiendaten auf neue Krebsdiagnosen hin unter- sucht. Von 1082 während der Studienzeit neu aufgetretenen Tumoren wurden 257 (23,8%) nach einer Blutung diagnos- tiziert, davon 70 gastrointestinaler und 62 urogenitaler Natur. Ein Grossteil der Tumoren wurde innerhalb von 6 Monaten nach der Blutung (77,1% GI; 88,7% GU) dia- gnostiziert. Damit scheinen GI- und GU-Blutungen Vorboten für Tumoren zu sein, so die Schlussfolgerung von Eikelboom. Eine früh auftretende Blutung könnte somit zu einer frühzei- tigen Diagnose führen. Patienten, die Blutungen unter einer antithrombotischen Therapie entwickeln, sollten daher auf mögliche Tumoren im gleichen Organsystem hin untersucht werden, um die Tumoren möglichst früh zu entdecken, rät der Kardiologe. Dieses Phänomen beschränke sich nicht auf Rivaroxaban oder ASS, man habe das schon aus früheren Fallberichten wie auch aus jüngeren Studienanalysen von antithrombotischen Therapien gekannt, kommentierte Prof. Lars Wallentin, Uppsala (SE), die Resultate. Vor dem Hintergrund, dass vas- kulär behandelte Patienten auch an anderen, nicht vaskulä- ren Erkrankungen leiden können, muss bei Auftreten von Blutungen, egal ob leichte oder schwere, ungeachtet ob unter Plättchenhemmern oder Antikoagulanzien, immer an einen Tumor gedacht werden, der sich auf diese Art bemerkbar ma- chen könnte. L Valérie Herzog Referenzen: 1. Eikelboom JW et al.: Rivaroxaban with or without aspirin in stable cardiovascular disease. N Engl J Med 2017; 377: 1319–1330. Quellen: «Clinical Trial Update», Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) 2018, 25. bis 29. August in München. CongressSelection Kardiologie | Pneumologie | Diabetologie | Dezember 2018 15