Transkript
ERS
Idiopathische Lungenfibrose
Neue Diagnose-Empfehlungen
Eine aktualisierte Leitlinie zur Diagnostik der idiopathischen Lungenfibrose wurde im Rahmen des diesjährigen Kongresses der European Respiratory Society (ERS) präsentiert. Sie bringt im Vergleich zu ihrem Vorgängerdokument eine Erweiterung der Diagnosekriterien.
Die Verfügbarkeit zugelassener Therapien hat offenbar zu einem deutlich angestiegenen Interesse an der idiopathischen Lungenfibrose im Speziellen und den interstitiellen Lungenerkrankungen im Allgemeinen geführt. Fanden Sitzungen zur IPF im Rahmen pneumologischer Kongresse noch vor wenigen Jahren vor sehr überschaubarer Zuhörerschaft statt, so präsentierte Ganesh Raghu die gemeinsame IPF-Diagnoseleitlinie der ERS und weiterer pneumologischer Fachgesellschaften vor überfüllter Halle. Dabei unterscheidet sich das Dokument von seiner Vorgängerversion aus dem Jahr 2011 vor allem in Details – die jedoch entscheidenden Einfluss darauf haben können, bei welchen Patienten die Indikation zur medikamentösen Therapie gestellt werden kann. Nach wie vor gilt: Eine IPF-Diagnose kann gestellt werden, wenn die Lunge (bei entsprechender Klinik) das Bild einer «Usual Interstitial Pneumonia» (UIP) zeigt und keine alternativen Erklärungen für den Zustand der Lunge vorhanden sind. Die UIP wiederum kann anhand der hochauflösenden Computertomografie und/oder der Histopathologie befundet werden. Dies ist in der Praxis keineswegs immer trivial. Insbesondere stellt sich die Frage, wie bei Patienten vorgegangen werden soll, bei denen die Hinweise auf eine UIP nicht eindeutig sind. Die neue Leitlinie kennt in der Frage nach dem Vorhandensein einer UIP nun vier dia-
KURZ & BÜNDIG
Eine idiopathische Lungenfibrose liegt vor, wenn bei passender Klinik das Bild einer Usual Interstital Pneumonia (UIP) vorliegt und keine alternativen Erklärungen für die Erkrankung der Lunge gefunden werden.
In eindeutigen Fällen kann die UIP allein anhand der Bildgebung diagnostiziert werden.
Ist die Bildgebung nicht eindeutig, empfiehlt die neue Leitlinie eine chirurgische Lungenbiopsie. Diese Empfehlung ist angesichts der mit einer offenen Biopsie verbundenen Risiken teilweise umstritten.
gnostische Kategorien: die (sichere) UIP, wahrscheinliche («probable») UIP, unbestimmt («indeterminate») im Hinblick auf UIP und alternative Diagnose. Die ältere Terminologie, die zwischen «possible» und «probable» UIP unterschied, wurde verlassen. Die Anweisungen der Leitlinie für die Diagnose der IPF wurden von der Arbeitsgruppe nach einem PICO-Verfahren erarbeitet, bei dem relevante Fragen rund um die IPF-Diagnostik gestellt und anhand der verfügbaren Evidenz abgearbeitet wurden.
Wichtig für die Diagnose: das klinische Bild
Raghu: «Was ist IPF heute? IPF ist eine spezifische Form einer chronischen, progredienten, fibrosierenden interstitiellen Pneumonie unbekannter Ursache. Typische IPF-Patienten sind männlich, älter als 60 Jahre und Raucher oder ehemalige Raucher, wobei viele Betroffene bereits vor Jahren oder sogar Jahrzehnten mit dem Rauchen aufgehört haben. Die Patienten zeigen schleichend zunehmenden Husten und Belastungsdyspnoe sowie das charakteristische Knisterrasseln in der Auskultation und Hinweise auf Fibrosierung in den basalen Lungenabschnitten.» In seltenen Fällen kommt es auch zur Erstpräsentation eines schwerkranken Patienten im Zustand einer akuten Exazerbation. Auch familiäre Formen pulmonaler Fibrose sind bekannt. Die Betroffenen erkranken oft bereits im jüngeren Alter ab zirka 40 Jahren. Das klinische Bild entspricht dem der typischen IPF-Patienten. Neben dem passenden klinischen Bild («appropriate clinical setting») ist auch das Fehlen alternativer Erklärungen essenziell für die IPF-Diagnose. Ausgeschlossen werden müssen unter anderem (rheumatische) Bindegewebserkrankungen sowie eine Schädigung der Lunge durch Exposition gegenüber toxischen Substanzen. Aus diesem Grund empfiehlt die Leitlinie auch zunächst eine gründliche Anamnese hinsichtlich Schadstoffexposition zu Hause oder am Arbeitsplatz sowie im Hinblick auf Medikamenteneinnahme in der Vergangenheit. Auch eine Abklärung mittels serologischer Tests im Hinblick auf entzündliche rheumatische Erkrankungen oder Bindegewebserkrankungen (z.B Nachweis von ANA und ANCA) sollte in Zusammenarbeit mit Rheumatologen durchgeführt werden.
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Quelle: Ra!ghu G et al!. (1!) ! ! !
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gebung gleichbedeutend mit einer IPF-Diagnose. Nur wenn die Leitlinie für einen salomonischen Standpunkt entschie-
, die HRCT keinen eindeutigen Befund zulässt, kommt die den: Zentren, die auf diesem Gebiet Erfahrung haben, kön-
Lungenbiopsie ins Spiel – wobei anzumerken ist, dass es in nen weiterhin Kryobiopsien durchführen. Zentren, die keine
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Kryobiopsien durchführen, sollen nicht damit beginnen, da die Datenlage zu möglichen Risiken dünn ist.
von der Leitlinie bei wahrscheinlicher UIP, unbestimmt im
! Hinb!lick auf UIP und! alternativer Diagn!ose, e!mpfoh!len. !Diag!nose-Erleich! terun!g: ! !
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Raghu betont allerdings, dass es sich dabei um eine einge- Der Begriff der UIP wird weiter gefasst
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schränkte («!conditional») E!mpfehlu! ng auf Ba!sis sch!wacher! Auch hinsicht!lich der Muster (!«pat!terns!») in CT und Hi!sto-
Evidenz handelt. Im Gegensatz dazu besteht eine starke Evi- logie, die für das Vorhandensein einer UIP sprechen, unter-
den!z gegen d! ie Biopsie be!i Patienten m! it eindeutiger UIP in scheidet sich die Leitlinie in Details von ihrem Vorgänger-
der HRCT.
dokument aus dem Jahr 2011. Nach wie vor bedeutet das
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! ! ! ! ! ! V!orhan!densein eines H!onigwabenmusters!(«honeycom!bing»)
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die definitive Diagnose einer UIP. Dieses kann, muss jedoch
!nicht, p! eriphäre T!raktion! sbronchiektasen! oder Bronchiolo-
intensiven Papier der
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alleine schon für eine wahrscheinliche UIP. Die Veränderungen im HRCT fallen vor allem subpleural und basal auf und
strichen im Rahmen der Diskussion und des gesamten Kon- zeigen oft ein heterogenes Bild. Durch das Einbeziehen der
! gresses, dass es sich bei der Empfehlung der Leitlinie um eine Traktionsbronchiektasen wird die Diagnose einer wahr-
«conditional positive recommendation» handelt, die auch als scheinlichen UIP deutlich erleichtert.
«Kann-Empfehlung» gedeutet werden könne. Hintergrund Hintergrund für diese Erweiterung der Kriterien sind Daten
dieser Zweifel an der Leitlinienempfehlung ist die nicht zu aus den beiden INPULSIS-Studien, in denen Patienten, die im
unterschätzende Morbidität und Mortalität der chirurgi- HRCT eine mögliche UIP mit Traktionsbronchiektasen zeig-
schen Lungenbiopsie – insbesondere in einer schwer lungen- ten, ohne Biopsie die Arbeitsdiagnose IPF erhalten hatten.
kranken Population. Prof. Athol Wells aus London (GB) un- Weder in den Plazebo- noch in den Verumarmen unterschie-
terstrich in diesem Zusammenhang, dass Patienten über die den sich diese Patienten von Patienten mit definitiver UIP (4).
Risiken einer chirurgischen Biopsie aufgeklärt werden müs- Stellt man die beschriebenen Muster in Histopathologie und
sen. So liegt die Mortalität des Eingriffs in Studien immerhin Bildgebung gegenüber, so ergibt sich eine Tabelle mit den da-
bei 1,7 Prozent (3), und man müsse, so Wells, in der älteren raus folgenden Diagnosen. Allerdings liefert die Leitlinie
und kranken IPF-Population von einem noch höheren Risiko keine Anhaltspunkte, ab welcher Wahrscheinlichkeit einer
ausgehen. Teile man dies dem Patienten ehrlich mit, werde IPF eine antifibrotische Therapie indiziert ist.
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man wenige Einwilligungen in den Eingriff bekommen – ins-
besondere wenn die Möglichkeit besteht, auch ohne biopti- Reno Barth
sche Bestätigung der Diagnose zu behandeln. Die eingeschränkten Empfehlungen der Leitlinie seien, so Wells, als eine Art Hintertüre zur Individualisierung zu verstehen, zumal das von der Task Force gewählte GRADE-System explizite Empfehlungen zur Individualisierung nicht zulasse.
Quelle: ERS 2018, Sessions «Guidelines session: Idiopathic pulmonary fibrosis diagnosis: new guidelines. Results of the ATS-ERS Guidelines on Idiopathic pulmonary fibrosis» am 17. September und «State of the art session: Interstitial lung diseases» am 18. September 2018 in Paris.
Hinsichtlich der als sichere Alternative zur chirurgischen
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Referenzen: 1. Raghu G et al.: Diagnosis of Idiopathic Pulmonary Fibrosis.
An Official ATS/ERS/JRS/ALAT Clinical Practice Guideline. Am J Respir Crit Care Med 2018; 198( 5): e44–e68. 2. Lynch DA et al.: Diagnostic criteria for idiopathic pulmonary fibrosis: a Fleischner Society White Paper. Lancet Respir Med 2018; 6(2): 138–153. 3. Hutchinson JP et al.: In-Hospital Mortality after Surgical Lung Biopsy for Interstitial Lung Disease in the United States. 2000 to 2011. Am J Respir Crit Care Med 2016; 193(10): 1161–1167. 4. Raghu G et al.: Effect of Nintedanib in Subgroups of Idiopathic Pulmonary Fibrosis by Diagnostic Criteria. Am J Respir Crit Care Med 2017; 195(1): 78–85.
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