Transkript
ERS
Asthmatherapie
Einfach die inhalative Steroiddosis erhöhen?
Kann eine massive Erhöhung der inhalativen Steroiddosis Asthmaexazerbationen verhindern? Aktuelle Daten legen das nahe, wobei die Studienlage ins gesamt ambivalent ist.
Asthmaexazerbationen sind für die Patienten belastende und im schlimmsten Fall lebensbedrohliche Ereignisse. Prof. Tim Harrison aus Nottingham (GB) unterstrich in diesem Zusammenhang, dass schwere Exazerbationen Asthmapatienten aller Schweregrade betreffen können. Inhalative Kortikosteroide (ICS) reduzieren das Exazerbationsrisiko, Dosiserhöhungen führen jedoch zu einem verstärkten Risiko systemischer Nebenwirkungen. Eine potenzielle Lösung liegt in der bedarfsgerechten Adaption der Dosierung. In einer kürzlich prominent publizierten Studie wurde ein innovativer Ansatz auf Basis eines Selbstmanagementplans untersucht, bei dem Patienten ihre ICS-Dosis kurzfristig auf das Vierfache erhöhen können, wenn sie Anzeichen einer beginnenden Exazerbation bemerken. Der Plan wurde den Patienten schriftlich ausgehändigt, war jedoch, insbesondere für die jüngeren Teilnehmer, auch als App für das Mobiltelefon verfügbar. In die von Harrison als Seniorautor geleitete randomisierte FAST-Studie wurden an die 2000 Patienten aufgenommen, die im Jahr vor dem Einschluss mindestens eine Exazerbation durchgemacht hatten. Indikatoren für eine bevorstehende Exazerbation waren abnehmende Schlafqualität, steigender Bedarf nach dem Reliever sowie ein Abfall des Peak-Flows unter 80 Prozent der persönlichen Bestleistung. Traten diese Indikatoren auf, intensivierte der Patient selbst seine Therapie für maximal 14 Tage. Das bedeutete, dass er entweder die vierfache ICS-Dosis oder in der Kontrollgruppe keine Dosiserhöhung erhielt. Die Studie wurde vom britischen National Institute for Health Research finanziert, das Wert auf ein möglichst praxisnahes Setting legte. Daher waren Patienten ab 16 Jahren inkludiert und vielfältige Begleitmedikationen zugelassen. Inhaler-Therapie nach dem SMART-Prinzip war untersagt, da diese bei Verschlechterung der Symptomatik automatisch zu einer Erhöhung der ICS-Dosis führt. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zur ersten schweren Asthmaexazerbation, definiert als Bedarf an systemischen Steroiden oder als ungeplanter Arzt- oder Krankenhausbesuch wegen Asthmas. Die Beobachtungszeit betrug 12 Monate. Insgesamt 1922 Probanden wurden randomisiert, wovon 1871 in die primäre Analyse inkludiert werden konnten. Im Jahr nach der Randomisierung erlitten 420 (45%) der Patienten aus der Gruppe mit Dosiserhöhung und 482 (52%) der Patienten aus der Kontrollgruppe eine Exazerbation. Damit wurde der primäre Endpunkt erreicht. Die Risikoreduktion hinsichtlich der Zeit bis zur ersten Exazerbation betrug 19 Prozent (Hazard Ratio: 0,81; 95%-Konfidenzintervall: 0,71–0,92; p = 0,002). Allerdings erhöhte die Vervier-
fachung der ICS-Dosis auch das Auftreten von Nebenwirkun-
gen – in erster Linie von lokalen Reaktionen auf die inhalierten
Steroide. Harrison: «Damit kommen wir auf eine Number
Needed to Treat von 15, um eine schwere Exazerbation zu ver-
hindern. Wobei behandeln in diesem Fall bedeutet, den Patien-
ten den Plan zur temporären Dosiseskalation zu erklären.»
In der Interventionsgruppe kam es zu 3 Hospitalisierungen
wegen Asthmaexazerbationen, während aus der Kontroll-
gruppe 18 Patienten infolge Asthmas hospitalisiert werden
mussten. Dem stand keine Erhöhung schwerer pulmologi-
scher Infektionen gegenüber: In der Interventionsgruppe
mussten 5 Patienten wegen Lungeninfektionen hospitalisiert
werden, dies im Vergleich zu 4 hospitalisierten Patienten aus
der Vergleichsgruppe.
Harrison wies allerdings darauf hin, dass andere Studien,
die ähnliche Fragestellungen untersucht hätten, zu anderen
Ergebnissen gelangt seien. So wurde in einer randomisierten,
kontrollierten Studie mit Vervierfachung der ICS-Dosis der
primäre Endpunkt (Zahl der Asthmaexazerbationen) nicht
erreicht. Die Studie zeigte allerdings eine signifikante Über-
legenheit der Dosiserhöhung im Hinblick auf den Bedarf an
oralen Steroiden sowie eine deutliche numerische Überlegen-
heit hinsichtlich des primären Endpunkts, die die Signifikanz
knapp verfehlte. Angesichts der geringen Patientenzahlen
ihrer Studie empfahlen die Autoren damals, ihre Strategie in
grösseren Studien weiter zu untersuchen (2). Eine bei pädiatri-
schen Patienten durchgeführte randomisierte, kontrollierte
Studie zeigte hingegen keinen Effekt einer ICS-Verfünf-
fachung auf das Exazerbationsrisiko (3). Dies könne, so Har-
rison, ein Spezifikum des kindlichen Asthmas sein.
L
Reno Barth
Quelle: Hot topics: «Preventing asthma and COPD exacerbations by increasing the inhaled glucocorticoid dose» beim Jahreskongress der European Respiratory Society (ERS), 17. September 2018 in Paris.
Referenzen : 1. McKeever T et al. : Quadrupling Inhaled Glucocorticoid Dose to
Abort Asthma Exacerbations. N Engl J Med 2018; 378(10): 902–910. 2. Oborne J et al. : Quadrupling the dose of inhaled corticosteroid to prevent asthma exacerbations: a randomized, double-blind, placebo-controlled, parallel-group clinical trial. Am J Respir Crit Care Med 2009; 180(7): 598–602. 3. Jackson DJ et al.: Quintupling Inhaled Glucocorticoids to Prevent Childhood Asthma Exacerbations. N Engl J Med 2018; 378(10): 891–901.
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