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Therapie der Atherosklerose
LDL-Cholesterin: Alles spricht für «je tiefer, desto besser»
SGK
Guidelines verschiedener Provenienz geben Zielwerte für Lipide, insbesondere das LDL-Cholesterin, vor. Heute wären diese mit hochwirksamen Statinen, Ezetimib und PCSK9-Hemmern für sehr viele Patienten erreichbar. Wenn die Therapien, angepasst an die Risikokonstellation und den Lipidwert, konsequent angewendet und aufrechterhalten würden.
Foto: vh
Heute empfiehlt die Arbeitsgruppe Lipide und
Atherosklerose (AGLA) risikoabhängige Ziel-
werte für LDL- und nonHDL-Cholesterin (Kas-
ten) (1). Diese reicht für das LDL-Cholesterin
von < 1,8 mmol/l bei sehr hohem Risiko, über < 2,6 mmol/l bei hohem Risiko bis zu 3,0 mmol/l bei moderatem Risiko, erinnerte Prof. von Eck- ardstein, Institut für Klinische Chemie, Universi- tätsspital Zürich. Die Zielwerte für nonHDL- Prof. von Eckardstein Cholesterin sind jeweils 0,8 mmol/l höher als die- jenigen für LDL-Cholesterin. An Guidelines und Zielwerten für verschiedene Risikofaktoren wie Blutdruck, LDL-Cholesterin oder HbA1c herrscht kein Mangel, aber es hapert an der Umsetzung, wie verschiedene Studien zeigen. So hatte in einer europäischen Erhebung mit Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) nur etwa ein Fünftel einen LDL-Cholesterin-Spiegel < 1,8 mmol/l, bei der Blutdruck- und Blutzuckerkontrolle erreichten je etwa die Hälfte die Guideline-Vorgaben (2). Zuerst hochwirksame Statine, dann dazu Ezetimib … Auch für Koronarpatienten aus der Schweiz liegen Zahlen vor (3). In einer prospektiven Kohorte von 2023 Patienten, die wegen eines akuten Koronarsyndroms hospitalisiert worden waren, erhielten nach einem Jahr 94,3 Prozent ein Statin und 5,8 Prozent Ezetimib. Insgesamt erreichten 35,8 Prozent einen LDL-Cholesterin-Wert < 1,8 mmol/l. Zwar bekamen die meisten Patienten eine lipidsenkende Therapie, aber zu oft wurden nicht die richtigen Statine eingesetzt, um den LDL-Zielwert auch zu erreichen. In der Studie entsprachen zusammen 25,6 Prozent den Kriterien für eine mögliche, wahrscheinliche oder definitive familiäre Hypercholesterin- «Zahlen aus der Schweiz: Insgesamt erreichten ein Jahr nach ACS 35,8 Prozent ein LDL-Cholesterin < 1,8 mmol/l.» ämie. Nach Simulation des lipidsenkenden Effekts von Ezetimib berechneten die Autoren, dass 13,4 Prozent der Patienten nach den US-amerikanischen und 1,7 Prozent nach den europäischen Guidelines für eine PCSK9-Hemmer-Therapie qualifiziert wären. … und schliesslich monoklonale Antikörper gegen PCSK9 In einer Analyse der FOURIER-Studie mit Evolocumab zeigte sich, dass 87 Prozent der mit dem PCSK9-Hemmer behandelten Patienten einen LDL-Cholesterin-Wert < 1,8 mmol/l erreichten (4). Sehr tiefe LDL-Cholesterin-Werte korrelierten mit günstigeren Verläufen bei den klinischen Ereignissen, und dies ohne negative Sicherheitssignale auch bei tiefsten LDLCholesterin-Konzentrationen. Die kardiovaskulären Verläufe in den klinischen Studien mit PCSK9-Hemmern zeigen bei Patienten mit sehr hohem Risiko eine signifikante, relevante Abnahme der nicht tödlichen Herz-Kreislauf-Ereignisse. Eine Arbeitsgruppe der europäischen Kardiologen und Atheroskleroseforscher (ESC/EAS) hat daher Vorgaben für das Vorgehen in der Praxis formuliert (5). Diese unterscheiden zwischen Patienten mit bekannter atherosklerotischer Herz-Kreislauf-Erkrankung (atherosclerotic cardiovascular disease, ASCVD) und solchen mit familiärer Hypercholesterinämie (FH) ohne ASCVD. Für beide Gruppen ist eine hochwirksame Statinbehandlung in maximal tolerierter Dosierung indiziert. Liegt der LDL-Cholesterin-Wert bei ASCVD-Patienten immer noch > 3,6 mmol/l, kommt die Zugabe von Ezetimib (10 mg/Tag) in Betracht. Liegen zusätzliche Indikatoren für ein kardiovaskuläres Risiko vor, ist bei einem LDL-Cholesterin-Wert > 2,6 mmol/l unter Kombinationstherapie der Einsatz monoklonaler Antikörper zur PCSK9-Hemmung zu erwägen. Bei Patienten mit FH ohne ASCVD ist der Grenzwert für LDL-Cholesterin unter maximal tolerierter, hochintensiver Statinbehandlung schon bei > 4,5 mmol/l anzusetzen und Ezetimib (10 mg/Tag) hinzuzufügen. Bleibt das LDL-Cholesterin unter dieser Kombinationsbehandlung > 3,6 mmol/l, kommt für diese Patienten ebenfalls die PCSK9-Hemmung in Betracht. Auch die AGLA hat einen klinischen Pfad zur LDL-Cholesterin-Senkung bei Patienten mit ASCVD oder FH formuliert (1). Für Patienten
CongressSelection Kardiologie | August 2018
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SGK
Kasten:
Zielwerte für LDL-Cholesterin gemäss AGLA
LDL-Cholesterin
sehr hohes Risiko
< 1,8 mmol/l (bekannte Herz-Kreislauf-Erkrankung resp. Atherosklerose/Diabetes mellitus/schwere Niereninsuffizienz) oder: Senkung um < 50% anstreben bei Ausgangswerten 1,8–3,5 mmol/l hohes Risiko < 2,6 mmol/l (10-Jahres-Risiko > 20%/stark erhöhte einzelne Risikofaktoren/ mittelschwere Niereninsuffizienz)
oder: Senkung um < 50% anstreben bei Ausgangswerten 2,6–5,1 mol/l moderates Risiko < 3,0 mmol/l (10-Jahres-Risiko 10–20%) niedriges Risiko (10-Jahres-Risiko < 10%) kein Zielwert, aber Optimierung des Lebensstils mit hohem und sehr hohem Risiko wird eine hoch wirksame Statinbehandlung mit Atorvastatin oder Rosuvastatin empfohlen, bei Nichterreichen der Zielwerte in Kombination mit Ezetimib. Das weitere Vorgehen orientiert sich sowohl an den Limitationen des BAG als auch an den ESC/EAS-Empfehlungen. «Die Ereignisraten waren bei den Patienten mit den tiefsten hsCRP- und LDL-Cholesterin-Werten am tiefsten.» Höchster Nutzen bei höchstem Risiko Seit der Marktzulassung der monoklonalen Antikörper zur PCSK9-Hemmung sind etliche Untersuchungen zur Kosteneffektivität dieser teuren Therapie in Abhängigkeit von der Auswahl geeigneter Patienten erschienen. Auch unter einer ganzen Reihe verschiedener Annahmen wird klar, dass beim höchsten Risiko mit dem höchsten Nutzen zu rechnen ist (6). So fand eine Subgruppenanalyse der FOURIER-Daten, dass Patienten, deren Myokardinfarkt erst kurz zurück lag, sowie solche mit mehrfachen Myokardinfarkten oder mit residueller koronarer Mehrgefässerkrankung ein hohes Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse tragen und gleichzeitig von substanziellen Risikoreduktionen durch die LDL-Cho- lesterin-Senkung mit Evolocumab profitieren (7). Dazu passt auch die Beobachtung, dass in der FOURIER-Studie diejeni- gen Patienten mit höheren Ausgangsspiegeln für hochsensi- tives C-reaktives Protein (hsCRP) grössere absolute Risiko- reduktionen erfuhren und dass die Ereignisraten bei den Patienten mit den tiefsten hsCRP- und LDL-Cholesterin- Werten am tiefsten waren (8). Die Instrumente zu einer nachhaltigen Reduktion der Risiko- faktoren der Atherosklerose sind vorhanden. Dass die konse- quente Anwendung der in Guidelines empfohlenen Interven- tionen einen messbaren Nutzen hinterlassen müsste, zeigt die Studie MONICA (Monitoring of Trends and Determinants in Cardiovascular Disease) aus Frankreich (9). Bei 3402 zu- fällig aus der Allgemeinbevölkerung ausgewählten, anschei- nend gesunden Teilnehmern war ein besserer Adhärenzscore zu den ESC-Empfehlungen mit einer signifikant tieferen Ge- samt- und Herz-Kreislauf-Mortalität assoziiert. L Halid Bas Quelle: Main Session «Treatment of atherosclerosis», gemeinsame Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie (SGK) und der Schweizerischen Gesellschaft für Herz- und Thorakale Gefässchirurgie (SGHC), 7. Juni 2018 in Basel. Referenzen: 1. AGLA: Prävention der Atherosklerose – Fokus auf Dyslipidämie. 2018; 6. Auflage. 2. Kotseva K et al.: The EUROASPIRE surveys: lessons learned in cardiovascular disease prevention. Cardiovasc Diagn Ther 2017; 7: 633–639. 3. Gencer B et al.: Eligibility for PCSK9 inhibitors according to American College of Cardiology (ACC) and European Society of Cardiology/European Atherosclerosis Society (ESC/EAS) Guidelines after acute coronary syndromes. J Am Heart Assoc 2017; 6: e006537. 4. Giugliano RP et al.: Clinical efficacy and safety of achieving very low LDL-cholesterol concentrations with the PCSK9 inhibitor evolocumab: a prespecified secondary analysis of the FOURIER trial. Lancet 2017; 390: 1962–1971. 5. Landmesser U et al.: 2017 update of ESC/EAS task force on practical guidance for PCSK9 inhibition. Eur Heart J 2018, in press. 6. Annemans L et al.: Highest risk – highest benefit strategy: a pragmatic, cost-effective approach to targeting use of PCSK9 inhibitor therapies. Eur Heart J 2017 Dec 11; Epub ahead of print. 7. Sabatine MS et al.: Clinical benefit of evolocumab by severity and extent of coronary artery disease: An analysis from FOURIER. Circulation 2018 Apr 6; Epub ahead of print. 8. Bohula EAw et al.: Inflammatory and cholesterol risk in the FOURIER trial (Further Cardiovascular Outcomes Research With PCSK9 Inhibition in Patients With Elevated Risk). Circulation 2018 Mar 12; Epub ahead of print. 9. Bérard E et al.: Score of adherence to 2016 European Cardiovascular Prevention Guidelines predicts cardiovascular and all-cause mortality in the general population. Can J Cardiol 2017; 33: 1298–1304. 6 CongressSelection Kardiologie | August 2018