Transkript
SGAIM
Nosokomiale Diarrhö
Clostridium difficile wird häufig verpasst
Clostridium difficile ist mit einem Anteil von 20 Prozent die häufigste Ursache für infektiöse nosokomiale Diarrhöen. Trotzdem wird die Diagnose häufig verpasst, wie PD Dr. Sarah Tschudin von der Klinik für Infektiologie und Spitalhygiene, Universitätsspital Basel, am SGAIM-Kongress erinnerte.
Das grampositive, anaerobe Stäbchenbakterium Clostridium difficile, das von Mikrobiologen mittlerweile als Clostridoides difficile bezeichnet wird, wurde erstmals 1935 in der normalen gastrointestinalen Flora bei Neugeborenen beschrieben, aber erst mehr als 40 Jahre später als Auslöser der pseudomembranösen Kolitis ausgemacht. Es ist schwierig zu isolieren und zu kultivieren und produziert vor allem die zytotoxischen Toxine A und B. Bis zu 35 Prozent der Stämme produzieren zusätzlich das binäre Toxin, dessen klinische Bedeutung aber noch unklar ist. Möglicherweise ist es mit hypervirulenten Stämmen assoziiert (1). Als wichtigster Risikofaktor für die Entstehung einer pseudomembranösen Kolitis gilt eine Antibiotikatherapie, häufig damit assoziiert sind beispielsweise Clindamycin, Ampicillin, Amoxicillin, Cephalosporine und Fluorchinolone (2).
Linktipps:
Auf www.escmid.org, der Seite der European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ESCMID,) finden Sie verschiedene Guidelines zum Umgang mit Clostridien:
Mit der Prävention von CDI befasst sich die Publikation von Tschudin, Sutter et al. (7), zu finden via QR-Code oder unter www.rosenfluh.ch/qr/cdi_praevention
Zur Therapie lesen Sie mehr unter www.rosenfluh.ch/qr/cdi_therapie oder per QR-Code.
Unter www.idsociety.org kommen Sie auf die Seite der IDSA. Dort finden Sie via QR-Code oder direkt über www.rosenfluh.ch/qr/cdi_idsa deren Clinical Practice Guidelines 2017 (5).
Klinische Symptomatik und Epidemiologie
Die klinische Symptomatik reicht von wässrigem Durchfall unter Antibiotikatherapie (10 bis 15-mal pro Tag), subfebrilen bis febrilen Temperaturen, Ileus und Erbrechen bis zu schweren septischen Zustandsbildern mit toxischem Megakolon. Aber auch eine asymptomatische Kolonisation ist möglich. 12 bis 32 Prozent aller hospitalisierten Patienten entwickeln eine Diarrhö, etwa 20 Prozent basieren auf einer C.-difficile-Infektion (CDI). Als weitere Ursachen nosokomialer Diarrhöen kommen Medikamente infrage, denn bei mehr als 700 Substanzen kann als Nebenwirkung eine Diarrhö auftreten. Auch 15 bis 40 Prozent der Patienten, die per Sonde ernährt werden, entwickeln eine Diarrhö. In Europa sei C. difficile unterdiagnostiziert, so die Expertin. Deutlich hat das eine Studie von Davies et al. in mehr als 480 Spitälern in 20 europäischen Ländern gezeigt. Pro 10 000 Pflegetagen fand man 7 CDI. Bei einer Nachuntersuchung von 641 Proben stellte sich heraus, dass 23 Prozent von ihnen positiv waren, aber mangels Verdacht nicht als solche erkannt wurden (3). Hochgerechnet bedeutet dies, dass in Europa bei etwa 40 000 stationären Patienten mit einer CDI die Diagnose nicht gestellt wird. In der Schweiz habe die CDIHäufigkeit 2016 bei 6 bis 11 pro 10 000 Pflegetagen gelegen, berichtete Tschudin.
Therapeutische Herausforderung durch hohe Rezidivrate
Ist der Nachweis von C. difficile erfolgt, orientiert sich die Wahl der Therapie an der klinischen Ausprägung der Erkrankung. Eine der grössten Herausforderungen bei der Behandlung stelle die hohe Rezidivrate von 20 bis 30 Prozent dar, betonte Tschudin. Neuere therapeutische Optionen, wie Fidaxomicin, die Verabreichung monoklonaler Antikörper oder auch die Stuhltransplantation, erweisen sich in dieser Hinsicht im Vergleich zu den Standardtherapien als vorteilhaft. So konnte etwa die zusätzliche Gabe von Bezlotoxumab, ein monoklonaler Antikörper gegen Toxin B, zur signifikanten Reduktion des Rezidivrisikos beitragen (4). Behandelt werden sollte eine CDI beim Vorliegen mindestens eines Anzeichens einer schweren Kolitis. Bei Patienten über
32 CongressSelection Allgemeine Innere Medizin | August 2018
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Schwierige Diagnostik
Wie der Name schon sagt, ist der Nachweis von C. difficile schwierig. Es stehen verschiedene Verfahren unterschiedlicher Sensitivität und Spezifität zur Verfügung. Die früher übliche mikrobiologische Anzucht des Erregers aus Stuhlproben bringt zwar eine 100-prozentige Sensitivität und Spezifität für die Erkennung von toxigenem C. difficile, bis zum Befund dauert es aber 48 Stunden; zudem sind mikrobiologische Untersuchungen nur bei symptomatischen Patienten sinnvoll. Die Detektion von toxinbildendem C. difficile erfolgt daher besser schrittweise, mithilfe immunologischer und genetischer Labortests. In einem ersten Schritt sollte ein hochsensitiver Test mit hohem negativen prädiktiven Wert eingesetzt werden, wie beispielsweise ein EIA (Enzymimmunoassay) auf Glutamatdehydrogenase (GDH) oder ein NAAT (nucleic acid amplification test) auf das Vorhandensein der Gene für die C.-difficile-Toxine A und B (Abbildung a). Bei negativem Resultat ist eine CDI unwahrscheinlich. Die positiven Proben müssen jedoch im nächsten Schritt ergänzend mit einem hochspezifischen Test auf die Toxine A und B (EIA) getestet werden. Im wiederum positiven Fall ist eine CDI wahrscheinlich, im negativen kommt es auf die klinische Symptomatik an. Im alternativen Ansatz werden von vornherein zwei hochsensitive Verfahren miteinander kombiniert (Abbildung b).
matisch sind Elektrolyte und Flüssigkeit zu ersetzen. Werden Protonenpumpenhemmer gegeben, sollte auch hier die Indikation noch einmal reevaluiert werden, betonte die Expertin. Und: Probiotika gelten aktuell als nicht mehr empfohlen. Gemäss den Empfehlungen der IDSA (Infectious Disease Society of America) gelten heute bereits zur Therapie einer initialen, nicht schweren Episode einer CDI Vancomycin und Fidaxomicin über 10 Tage als First-line-Option und dem Metronidazol als überlegen, welches nur noch als Alternative empfohlen wird, sollten Erstere nicht zur Verfügung stehen (5).
Prävention der Erkrankung
Für die Prävention der CDI ist ein rationaler Antibiotikaein-
satz am wichtigsten. Aber auch mit sorgfältigen Hygiene-
massnahmen, die dazu beitrügen, den Kontakt mit dem Bak-
terium zu verhindern, könne man einen grossen Beitrag leis-
ten, unterstrich Tschudin. Dazu zählen unter anderem
konsequente Handhygiene und das Tragen von Handschu-
hen und Einwegschürzen bei Patientenkontakt. Nicht infi-
zierte Personen sollten andere Toiletten benutzen als infi-
zierte Patienten. Einer englischen Beobachtungsstudie ge-
mäss konnte nach nationaler Intervention (sprich der
Vermeidung von Cephalosporinen sowie Clindamycin, der
Reduktion des Chinoloneinsatzes sowie spitalhygienischen
Massnahmen) die CDI-Inzidenz um 80 Prozent reduziert
werden (6). In einer aktuellen Publikation geben Tschudin et
al. Hinweise zur Prävention von CDI auf der Intensivstation
(siehe Linktipps) (7).
L
Christine Mücke
GDH: Glutamatdehydrogenase; NAAT: nucleic acid amplification test; TC: toxigene Kultur; EIA: Enzymimmunoassay; Tox A/B: Toxin A/B
65 Jahre, mit schweren Komorbiditäten, Immundefizienz oder Aufenthalt auf der Intensivstation sollte eine CDI auch ohne Anzeichen einer schweren Kolitis therapiert werden. Generell sollten antiperistaltische Medikamente sowie Opiate sistiert werden. Auch die auslösende Antibiotikatherapie sollte kritisch hinterfragt und möglichst gestoppt beziehungsweise das Spektrum eingeschränkt werden. Sympto-
Quelle: «Clostridium difficile: Prävention, Diagnose, Behandlung», Jahresver-
sammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Allgmeine und Innere Medizin
(SGAIM), 30. Mai bis 1. Juni 2018, Basel.
Referenzen: 1. Goldenberg SD et al.: Lack of association of tcdC type and binary
toxin status with disease severity and outcome in toxigenic Clostridium difficile. J Infect 2011; 62: 355–362. 2. Leffler D et al.: Clostridium difficile infection. N Engl J Med 2015: 372: 1539–1548. 3. Davies KA et al.: Underdiagnosis of Clostridium difficile across Europe: the European, multicentre, prospective, biannual, point-prevalence study of Clostridium difficile infection in hospitalised patients with diarrhoea (EUCLID). Lancet Infect Dis 2014: 14: 1208–1219. 4. Wilcox MH et al.: Bezlotoxumab for Prevention of Recurrent Clostridium difficile Infection. N Engl J Med 2017; 376: 305–317. 5. McDonald LC et al.: Clinical Practice Guidelines for Clostridium difficile Infection in Adults and Children: 2017 Update by the Infectious Diseases Society of America (IDSA) and Society for Healthcare Epidemiology of America (SHEA). Clin Infect Dis 2018; 66:e1–48. 6. Dingle KE et al.: Effects of control interventions on Clostridium difficile infection in England: an observational study. Lancet Infect Dis 2017; 17: 411–421. 7. Tschudin, Sutter et al.: Guidance document for prevention of Clostridium difficile infection in acute healthcare settings. Clin Microbiol Infect 2018; Mar 2. pii: S1198-743X(18)30195-2.
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