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UEG-Week
Bei Gastroenteritis und antibiotikabedingter Diarrhö
Probiotikaeinsatz kann hilfreich sein
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Der Einsatz von Probiotika kann bei Antibiotikatherapien die Diarrhö lindern und einer Infektion mit dem gefürchteten Clostridium difficile vorbeugen. Auch beim Reizdarmsyndrom kann deren Einsatz hilfreich sein. An der UEG-Week in Barcelona gab es zu diesem Thema ein Update.
Akute Gastroenteritis
Die Inzidenz der akuten Gastroenteritis ist bei Kindern unter
5 Jahren am höchsten, doch bei älteren Personen über 65
Jahre führt sie am häufigsten zu Hospitalisierungen oder
Tod. Bei beiden Altersklassen sind die Gründe für die Diar-
rhö häufiger viral als bakteriell, das Rotavirus (10–35% der
Fälle) führt die Rangliste an, vor Norovirus
(2–20% der Fälle), Campylobacter (4–13%),
Adenovirus (2–12%), Salmonellen (5–8%) und
weiteren. In 45 bis 60 Prozent der Fälle bleibe
die Ursache jedoch unbekannt, berichtete
Prof. Hania Szajewska, Pädiatrie, Medizinische
Universität Warschau (PL), an der UEG-Week
in Barcelona. Bei beiden Patientenkategorien
steht der Flüssigkeitsersatz mit oraler Rehydra-
Hania Szajewska
tationslösung (z.B. Normolytoral®, Elotrans®, Oralpädon®) an oberster Stelle. Weil der Flüs-
sigkeitsersatz weder die Frequenz der Darmbewegungen, den
Flüssigkeitsverlust noch die Krankheitsdauer beeinflusst,
wird er trotz bewiesener Wirkung viel zu selten eingesetzt,
wie Szajewska bedauert. Die Frage stellt sich also, ob hier der
Einsatz von Probiotika sinnvoll wäre. Um dies herauszufin-
den, hat die European Society of Pediatric Gastroenterology,
Hepatology and Nutrition (ESPGHAN) in einem Positions-
papier die zu diesem Thema publizierten Studien, Meta-
analysen und systematischen Reviews bewertet (1). In den
Studien waren die Teilnehmer sonst gesunde Kinder mit aku-
ter Gastroenteritis, die Probiotika oder Plazebo erhielten und
deren Stuhlvolumen und Diarrhödauer untersucht wurden.
KURZ & BÜNDIG
Antibiotikaassoziierte Diarrhö ist sehr häufig. Gewisse Probiotika können die antibiotikabedingte Diarrhö
abmildern sowie einer Infektion mit C. difficile vorbeugen. Probiotika könnnen die Krankheitslast bei IBS lindern. Probiotische Produkte sollten mindestens einen Monat
eingenommen werden.
Eine Empfehlung wurde nur formuliert, wenn mindestens zwei randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) mit einem Probiotikum einen Nutzen zeigten. Aufgrund einer belegten Krankheitsverkürzung um etwa 1 Tag erhalten die Gabe von Lactobacillus GG in der Dosis von 1010/Tag über 5 bis 7 Tage, Saccharomyces boulardii 250 bis 750 mg/Tag über 5 bis 7 Tage und Lactobacillus reuteri DSM 17938 in einer Dosis von 108 bis 4-mal 108 während 5 bis 7 Tagen eine positive Empfehlung. «Ein Tag Krankheitsverkürzung mag nach wenig klingen. Einen Tag weniger auf der Toilette zu verbringen, bedeutet aber eine enorme Erleichterung», so Szajewska. Die Empfehlungen in Bezug auf Lactobacillus GG und Saccharomyces boulardii decken sich mit jenen der World Gastroenterology Organisation. Die Probiotika könnten hier also eingesetzt werden, aber immer in Verbindung mit Flüssigkeitsersatz, betonte Szajewska weiter. Auch bei Erwachsenen empfiehlt die World Gastroenterology Organisation bei akuter Diarrhö den Einsatz von Lactobacillus GG und Saccharomyces boulardii. Vorsicht ist bei immunkompromittierten Personen, Patienten mit Venenkathetern oder schweren Grunderkrankungen angebracht. Bei diesen Patientengruppen kam es zu einem erhöhten Risiko für Komplikationen (2).
Clostridium-difficile-Diarrhö nach Antibiose
Im Rahmen einer Antibiotikatherapie kommt es ebenfalls häufig (5–25% der Fälle) zu Diarrhö bereits wenige Stunden nach Therapiebeginn. Das bakterielle Gleichgewicht der Darmflora ist durch die Antibiose gestört, was auch Superinfektionen oder Überwucherungen mit pathogenen Keimen Vorschub leistet. Bis zur Erholung der Darmflora können nach Therapieende 6 bis 8 Wochen vergehen. Gefürchtet sei die sehr häufige Infektion mit Clostridium difficile bei hospitalisierten Patienten, berichtete Dr. Gianluca Ianiro, Catholic University School of Medicine, Rom (I). Wie Probiotika den Erhalt des Darmfloragleichgewichts unterstützen und damit die Diarrhö abmildern, zeigte eine grosse Metaanalyse über 82 RCT und mit über 11 000 Teilnehmern. Die Einnahme von Probiotika brachte eine signifikante Reduktion des antibiotikabedingten relativen Diarrhörisikos um 42 Prozent (3), in einer weiteren Metaanalyse über 34 RCT (n = 4138) mit gleichzeitiger Einnahme von Probio-
8 CongressSelection Gastroenterologie | Februar 2018
UEG-Week
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tika (Lactobazillen, Saccharomyces boulardii
oder Bifidobakterien) und Antibiose eine
Risikoreduktion in der gleichen Grössenord-
nung bei 47 Prozent (95%-KI: 0,44–0,63;
NNT = 8) (4). Aussagen zu einzelnen probioti-
schen Spezies erlaubt die Metaanalyse von
Blaabjerg et al. über 17 RCT (n = 3631): Die
relative Risikoreduktion für eine antibiotikaas-
soziierte Diarrhö betrug signifikante 49 Pro-
Gianluca Ianiro
zent. Speziesspezifische Resultate waren signifikant für Lactobacillus rhamnosus GG (RR:
29%) und Saccharomyces boulardii (RR: 41%) (5).
In der Prävention der Infektion mit Clostridium difficile sind
gemäss einer Metaanalyse über 25 Studien vier Produkte
wirksam: S. boulardii, Lactobacillus casei DN114001, L. aci-
dophilus/B. bifidum, L. acidophilus/L. casei/L. rhamnosus.
Die sekundärpräventive Einnahme zum Zeitpunkt einer
schon erfolgten Infektion bringt dagegen nichts (6). Eine wei-
tere Analyse untersuchte den besten Zeitpunkt der Probioti-
kaeinnahme: Signifikant wirksamer waren Probiotika, wenn
sie zeitnah zur ersten Antibiotikadosis eingenommen wur-
den. Jeder Tag Verspätung führte zu einem Wirksamkeitsver-
lust. Eine Einnahme innerhalb von zwei Tagen nach Antibio-
tikabeginn reduzierte das Risiko für eine C.-difficile-Infek-
tion stärker als eine spätere Verabreichung (7).
Empfehlungen
Die ESPGHAN-Guidelines empfehlen für die Prävention einer antiobiotikaassoziierten Diarrhö bei Kindern Lactobacillus rhamnosus GG und Saccharomyces boulardii; zur Prävention einer Infektion mit C. difficile: S. boulardii (8). Für Erwachsene empfehlen die aktuellen Guidelines der World Gastroenterology Organisation bei antibiotikaassoziierter Diarrhö wie auch zur Prävention einer C.-difficileInfektion entweder die Einnahme von Joghurts mit L. casei/ L. bulgaricus/Streptococcus thermophilus oder die Einnahme der einzelnen Spezies, wie L. acidophilus, L. Rhamnosus GG und S. boulardii (9). Bei einer Eradikationstherapie von H. pylori sind zur Reduktion von Nebenwirkungen S. boulardii sowie LactobacillusSpezies empfohlen (10).
Primary Care Gastroenterology bei einer Obstipations- oder
Durchfallproblematik weniger gut als bei Bauchschmerzen,
Blähungen und Darmträgheit (11). Wichtig sei aber dabei,
das ausgewählte Probiotikum für die Dauer von einem
Monat einnehmen zu lassen, sonst lasse sich ein allfälliger Ef-
fekt gar nicht beurteilen, so Hungin abschliessend.
L
Valérie Herzog
Referenzen: 1. Sazjewska H et al.: Use of probiotics for management of acute
gastroenteritis: a position paper by the ESPGHAN Working Group for Probiotics and Prebiotics. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2014; 58: 531–539. 2. Whelan K et al.: Safety of probiotics in patients receiving nutritional support: a systematic review of case reports, randomized controlled trials, and nonrandomized trials. Am J Clin Nutr 2010; 91: 687–703. 3. Hempel S et al.: Probiotics for the prevention and treatment of antibiotic-associated diarrhea: a systematic review and metaanalysis. JAMA 2012; 307: 1959–1969. 4. Videlock EJ et al.: Meta-analysis: probiotics in antibiotic-associated diarrhoea. Aliment Pharmacol Ther 2012; 35: 1355–1359. 5. Blaabjerg S et al.: Probiotics for the Prevention of Antibiotic-Associated Diarrhea in Outpatients – A Systematic Review and Meta-Analysis. Antibiotics 2017; 6: pii: E21. 6. McFarland LV et al.: Probiotics for the Primary and Secondary Prevention of C. difficile Infections: A Meta-analysis and Systematic Review. Antibiotics 2015; 4: 160–178. 7. Shen NT et al.: Timely Use of Probiotics in Hospitalized Adults Prevents Clostridium difficile Infection: A Systematic Review With Meta-Regression Analysis. Gastroenterology 2017; 152: 1889–1900. 8. Szajewska H et al.: Probiotics for the Prevention of AntibioticAssociated Diarrhea in Children. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2016; 62: 495–506. 9. World Gastroenterology Organisation: Guidelines on Probiotics and Prebiotics, Feb. 2017. www.worldgastroenterology.org/ guidelines/global-guidelines/probiotics-and-prebiotics/ probiotics-and-prebiotics-english#. Letzter Zugriff: 5.12.17. 10. Malfertheiner P et al.: Management of Helicobacter pylori infection – the Maastricht V/Florence Consensus Report. Gut 2017; 66: 6–30. 11. Hungin AP et al.: Systematic review: probiotics in the management of lower gastrointestinal symptoms in clinical practice – an evidence-based international guide. Aliment Pharmacol Ther 2013; 38: 864–886.
Quelle: «Therapy update: Evidence for the efficacy of probiotics?» Präsentiert an
der 25. UEG-Week, 29.10. bis 1.11.2017 in Barcelona.
Pali Hungin
Probiotika bei Reizdarmsyndrom
Können Probiotika auch bei Reizdarm (IBS) einen Nutzen bringen? Aus dem Tiermodell ist bekannt, dass die Magenentleerung und Transitzeit bei nicht kolonisierten Tieren länger dauert und die Kolonisation mit pathogenfreier Flora wie
L. acidophilus, B. bifidum oder C. tabificum diese normalisiert, wie Prof. Pali Hungin, Durham University School of Medicine and Health, Durham (UK), berichtete. Beim Reizdarmsyndrom können die verschiedensten Symptome den Patienten das Leben schwer machen, wie zum Beispiel Bauchschmerzen, Blähungen, Verstopfung, Diarrhö oder veränderte Darmtätigkeit. Kein Probiotikum kann alle Symptome abmildern. Spezifische, nach Wirkung eingesetzte Probiotika können die Krankheitslast bei IBS aber durchaus lindern; gemäss den Empfehlungen 2017 der European Society for
World Gastroenterology OrganisationGuidelines:
www.rosenfluh.ch/qr/worldgastroenterology
Empfehlungen der European Society for Primary Care Gastroenterology:
www.rosenfluh.ch/qr/pmc
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