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Fettleber ist sehr verbreitet
Unberechenbar, gefährlich und schwer zu therapieren
Die Prävalenz der nicht alkoholischen Fettlebererkrankung NAFLD in der europäischen Allgemeinbevölkerung ist hoch. In speziellen Risikogruppen kann sie die 50-Prozent-Marke weit überschreiten. Auch eine nicht alkoholische Steatohepatitis NASH ist bei Typ-2-Diabetikern und Adipösen eher die Regel als die Ausnahme (1). Die Interventionsmöglichkeiten jenseits der Lebensstilmodifikation sind begrenzt.
Empfehlungen zum Management von NAFLD und NASH müssen deren enorme Häufigkeit einkalkulieren, so Prof. Dr. Elisabetta Bugianesi von der Universität Turin. Dementsprechend halten die europäischen Guidelines fest, dass Personen mit Insulinresistenz und/oder Adipositas mittels Ultraschall in Richtung NAFLD abgeklärt werden sollen (2). Im Gegensatz dazu wird ein generelles Screening der Gesamtbevölkerung jedoch nicht empfohlen. Die US-amerikanischen Guidelines geben keine solche Empfehlung und begründen das mit den gegenwärtig sehr eingeschränkten therapeutischen Optionen (3). Die Konsequenzen der Erkrankung dürfen jedoch nicht unterschätzt werden. Bugianesi: «NAFLD ist keine Erkrankung der Leber, sondern eine Systemerkrankung, die sich in der Leber äussert. Die Folgen reichen von Zirrhose über Typ-2Diabetes bis zur kardiovaskulären Erkrankung.» Daher empfehlen die Guidelines bei Patienten mit NAFLD auch eine Bestimmung des kardiovaskulären Risikos (zumindest mittels Risikocharts) sowie ein Management der kardiovaskulären Risikofaktoren, insbesondere der Hyperlipidämie. Allerdings dürfe auch die Gefährdung der Leber nicht unterschätzt werden. Bei NAFLD-Patienten ist zwar nicht die
KURZ & BÜNDIG
NASH kann entgegen der langjährigen Annahme regredieren, aber auch rapid progredieren.
Risikofaktoren sind Metabolisches Syndrom, Typ-2-Diabetes sowie Hypertonie.
Lebensstilmodifikationen, insbesondere Gewichtsreduktion, Vitamin E und Pioglitazon, können eine Rückbildung begünstigen.
GLP-1-Rezeptoragonisten scheinen sich auch günstig auf NAFLD und NASH auszuwirken.
leberspezifische Mortalität, dafür jedoch die Gesamtmortalität deutlich erhöht. Eine NASH führt zu massiven Erhöhungen sowohl der Gesamt- als auch der leberspezifischen Mortalität (4).
Komplexeres Bild der Pathophysiologie
Lange Zeit wurde angenommen, dass die Lebererkrankung langsam und progressiv von der Steatose über die NASH und Fibrose zur Zirrhose verläuft. Bugianesi weist allerdings darauf hin, dass eine Reihe von Longitudinalstudien dieses Bild verändert haben. Beobachtet wurden einerseits Regressionen von NASH zu Steatose oder sogar zu einer gesunden Leber, andererseits aber auch rapide Verlaufsformen von der Steatose direkt zu Zirrhose innerhalb weniger Jahre. Bemerkenswerterweise kann sich auch die Fibrose im Rahmen einer NASH zurückbilden, sofern sie noch nicht in das Stadium der Zirrhose übergetreten ist. Patienten mit Progressionsrisiko – und insbesondere mit Risiko einer schnellen Progression – zu identifizieren, wäre eine wichtige diagnostische Herausforderung. Leider fehlen dazu gegenwärtig die Biomarker. Der einfachste Prädiktor für NAFLD/NASH ist das metabolische Syndrom, wobei das Risiko mit der Zunahme der einzelnen Komponenten des metabolischen Syndroms, deren Ausprägung und dem Alter des Patienten steigt. Hypertonie und Typ-2-Diabetes erhöhen das NASH-Risiko besonders deutlich (5). Die verschiedenen Fibrose-Scores (FIB 4) haben sich als unterschiedlich gute Prädiktoren von Leber- und Gesamtmortalität erwiesen, wobei FIB-4 (der das Fibroserisiko anhand von Alter, Erythrozytenzahl und Transaminasen berechnet), die besten Prädiktionswerte für beide Endpunkte zeigt (6). Ein weiterer klinischer Score zur Prädiktion von Fibrose ist der AST/Thrombozyten-Ratio Index (APRI) (7). Diese Scores haben allerdings alle einen gemeinsamen Nachteil: ihren geringen positiven Prädiktionswert. Bugianesi: «Man kann damit Fibrose und Zirrhose gut ausschliessen. Aber die Scores sind schwach in der Prädiktion von fortgeschrittener Fibrose und Zirrhose.» Im Gegensatz dazu kann die Magnetresonanztomografie (MRT) eine Fibrose mit hoher
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Sensitivität erkennen. Dies allerdings nur, wenn es sich bereits um eine fortgeschrittene Fibrose handelt. Dementsprechend sind die Empfehlungen in der europäischen Leitlinie für die klinischen Scores ebenso wie für die Elastografie und die MRT sehr vorsichtig. Diesen Methoden wird zwar der klinische Wert nicht abgesprochen, für die Diagnose einer NASH jedoch nach wie vor eine Biopsie gefordert, da es keinen nicht invasiven Biomarker gibt, der diese ersetzen könnte. Ein Hoffnungsträger der nicht invasiven Diagnostik ist der LIFScore (Liver Inflammation and Fibrosis Score), der auf der Darstellung von Leberfett, Eisen-Load und Inflammation in der MRT beruht. In Studien korreliert der Score gut mit der histologischen Befundung von Biopsaten. Der negative Prädiktionswert liegt bei 100 Prozent (8). Intensiv gesucht werden gegenwärtig biochemische Marker für Fibrose, die auch für ein Monitoring der Therapie eingesetzt werden könnten. Die gefürchtetste Komplikation einer Fettleber ist das hepatozelluläre Karzinom. Studiendaten zeigen einen deutlichen Anstieg der Inzidenz dieser Karzinome (9). Und die Dinge werden, so Bugianesi, noch dadurch kompliziert, dass sich ein Karzinom auch direkt in einer Steatose entwickeln kann, ohne dass es zuvor zu ausgeprägter Fibrosierung kommen muss. Die europäischen Leitlinien geben jedoch keine Empfehlung für ein regelmässiges Screeening, da dieses aufgrund der hohen Patientenzahlen nicht umsetzbar wäre. Im Gegensatz dazu empfehlen die US-Guideline regelmässiges Monitoring von Zirrhose-, nicht jedoch von NASH-Patienten.
Neue Endpunkte für kommende Zulassungsstudien
Die therapeutischen Optionen bei NAFLD und NASH sind gegenwärtig äusserst begrenzt. Die Guidelines empfehlen sowohl in den USA als auch in Europa Lebensstilmodifikation, insbesondere Gewichtsreduktion bei Patienten mit NAFLD. Medikamentöse Therapien sind ausschliesslich bei histologisch gesicherter NASH indiziert. In dieser Indikation empfohlen werden gegenwärtig ausschliesslich Vitamin E und Pioglitazon. Beide haben sich in kontrollierten Studien im Vergleich zu Plazebo als überlegen erwiesen. Bugianesi weist jedoch darauf hin, dass in diesen Studien auch ein deutlicher Plazeboeffekt beobachtet wurde: «Bei rund 20 Prozent der Patienten heilte die NASH ab, ohne dass das Studienmedikament eingenommen wurde. Ich denke, das kann man auf die bessere Betreuung und die daraus folgende Lebensstilmodifikation zurückführen.» Auch Prof. Dr. Vlad Ratziu vom Hôpital Pitié Salpêtrière in Paris weist darauf hin, dass sich die Sicht des natürlichen Verlaufs von NAFLD/NASH in den vergangenen Jahren verändert habe. Zwar seien nach wie vor Patienten mit fortgeschrittener Fibrose die naheliegendsten Kandidaten für therapeutische Interventionen, doch sollte dabei die Patientengruppe der «Fast Progressers» nicht übersehen werden. Allerdings bleibt Steatohepatitis die Voraussetzung für die Entwicklung einer Fibrose. Das hat Auswirkungen auf den Zulassungsprozess neuer Medikamente. Hier könnten eine Beeinflussung der NASH und eine Rückbildung von Fibrose als kurzfristige Surrogatparameter eingesetzt werden, während langfristige Studien einen klinischen Benefit durch die Therapie zeigen müssten. Die Entwicklung einer Zirrhose – auch wenn sie voll kompensiert ist – wird mittlerweile, so
Ratziu, von den Zulassungsbehörden als Endpunkt akzeptiert. Dies habe erst die Voraussetzung für die Entwicklung von Medikamenten in dieser Indikation geschaffen.
Viele Phase-III-Studien in der Indikation NASH
Eine Reihe von Substanzen wird gegenwärtig in klinischen
Studien untersucht. In Phase III befindet sich Obeticholsäure,
eine halbsynthetische Gallensäure und ein selektiver Agonist
am Farnesoid-X-Rezeptor (FXR), der eine wichtige Rolle in
der Synthese und Speicherung von Gallensäuren spielt. Rat-
ziu weist jedoch auch auf einige weitere Effekte der Substanz
hin. So hemmt Obeticholsäure die Lipogenese und Gluko-
neogenese und wirkt antiinflammatorisch. In der Phase-II-
Studie FLINT wurden mit Obeticholsäure Verbesserungen
zahlreicher histologischer Parameter erreicht (10). Dem stand
als Nachteil ein Anstieg des LDL-Cholesterins gegenüber.
Diese werde jedoch, so Ratziu, von den vergleichsweise
benignen Komponenten der LDL-Fraktion getrieben. Stu-
diendaten weisen auch darauf hin, dass Obeticholsäure die
Inflammation im Darm und bakterielle Translokation redu-
ziert (11).
Ebenfalls in Phase-III-Studien wird Elafibranor, ein kombi-
nierter PPAR-␣- und -␦-Agonist untersucht. In einer grossen
PHASE-II-Studie führte Elafibranor in der höheren unter-
suchten Dosierung von 120 mg bei Patienten mit NASH zu
einem Rückgang von Steatose, Entzündung und Fibrose der
Leber. Elafibranor führte darüber hinaus zu einer anhalten-
den Verbesserung der Blutfette und des Blutzuckers bei prä-
diabetischen und diabetischen Patienten. Die Verbesserung
der glykämischen Kontrolle wurde vor dem Hintergrund
einer den Leitlinien entsprechenden antidiabetischen Thera-
pie erreicht (12).
Auf einem gänzlich anderen Wirkmechanismus beruht Ceni-
criviroc, das über Hemmung der CCR2- und CCR5-Rezep-
toren in die Inflammation und Fibrosierung in der Leber ein-
greift. Interimsauswertungen der Phase IIb zeigen im Ver-
gleich zu Plazebo Überlegenheit hinsichtlich histologischer
Verbesserung, Prävention von Zirrhose und Abheilung von
NASH (13). Ratziu: «Diese Effekte waren bei den Patienten
mit der ungünstigsten Histologie am ausgeprägtesten.» Auf
Basis dieser Ergebnisse wurde eine grosse Phase-III-Studie ge-
startet. Ebenfalls in der Phase III befindet sich Selonsertib,
das in einer kleinen Phase-II-Studie antifibrotische Aktivität
zeigte und dessen Wirkung auf einem Eingriff in den ASK-1-
Signalweg beruht (14). Ratziu weist auch darauf hin, dass für
GLP-1-Agonisten günstige Wirkungen auf NAFLD/NASH
gezeigt werden konnten. Obwohl gegenwärtig keine dieser
Substanzen in einer Phase-III-Studie in der Indikation NASH
untersucht wird, sind sie dennoch eine naheliegende Wahl bei
den zahlreichen Patienten, die unter Typ-2-Diabetes und
NAFLD/NASH leiden und eine antidiabetische Therapie
benötigen.
L
Reno Barth
Quelle: «Fatty liver disease: Update 2017». Präsentiert an der 25. UEG-Week, 29.10. bis 1.11.2017 in Barcelona.
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Referenzen: 1. Bhala N et al.: Epidemiology and natural history of patients with
NAFLD. Curr Pharm Des 2013; 19: 5169–5176. 2. Byrne CD et al.: EASL-EASD-EASO Clinical Practice Guidelines
for the management of non-alcoholic fatty liver disease: is universal screening appropriate? Diabetologia 2016; 59: 1141–1144. 3. Chalasani N et al.: The diagnosis and management of non-alcoholic fatty liver disease: practice Guideline by the American Association for the Study of Liver Diseases, American College of Gastroenterology, and the American Gastroenterological Association. Hepatology 2012; 55: 2005–2023. 4. Younossi ZM et al.: Global epidemiology of nonalcoholic fatty liver disease-Meta-analytic assessment of prevalence, incidence, and outcomes. Hepatology 2016; 64: 73–84. 5. Dixon JB et al.: Nonalcoholic fatty liver disease: predictors of nonalcoholic steatohepatitis and liver fibrosis in the severely obese. Gastroenterology 2001; 121: 91–100. 6. Sterling RK et al.: Development of a simple noninvasive index to predict significant fibrosis patients with HIV/HCV co-infection. Hepatology 2006; 43: 1317–1325. 7. Wai CT et al.: A Simple Noninvasive Index Can Predict Both Significant Fibrosis and Cirrhosis in Patients With Chronic Hepatitis C. Hepatology 2003; 38: 518–526. 8. Banerjee R et al.: Multiparametric magnetic resonance for the non-invasive diagnosis of liver disease. J Hepatol 2014; 60: 69–77. 9. Wong RJ et al.: Nonalcoholic steatohepatitis is the most rapidly growing indication for liver transplantation in patients with hepatocellular carcinoma in the U.S. Hepatology 2014; 59: 2188–2195. 10. Neuschwander-Tetri BA et al.: Farnesoid X nuclear receptor ligand obeticholic acid for non-cirrhotic, non-alcoholic steatohepatitis (FLINT): a multicentre, randomised, placebo-controlled trial. Lancet 2015; 385: 956–965. 11. Schwabl P et al.: The FXR agonist PX20606 ameliorates portal hypertension by targeting vascular remodelling and sinusoidal dysfunction. J Hepatol 2017; 66: 724–733. 12. Ratziu V et al.: Elafibranor, an Agonist of the Peroxisome Proliferator-Activated Receptor-α and -δ, Induces Resolution of Nonalcoholic Steatohepatitis Without Fibrosis Worsening. Gastroenterology 2016; 150: 1147–1159.e5. 13. Friedman SL et al.: A Randomized, Placebo-Controlled Trial of Cenicriviroc for Treatment of Nonalcoholic Steatohepatitis with Fibrosis. Hepatology 2017 Aug 17; doi: 10.1002/hep.29477. Epub ahead of print. 14. Loomba R et al.: The ASK1 Inhibitor Selonsertib in Patients with Nonalcoholic Steatohepatitis: A Randomized, Phase 2 Trial. Hepatology 2017 Sep 11; doi: 10.1002/hep.29514. Epub ahead of print.
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